Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation

Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation

 

Berichterstatter*innen:
Dr. Carolin Arnemann (München)
Prof. Dr. Jan Bockemühl (Regensburg)
Stefan Conen (Berlin/Organisationsbüro)
Prof. Dr. Robert Esser (Passau)
Dr. Oliver Harry Gerson (Berlin/Passau)
Prof. Dr. Luis Greco (Berlin/Barcelona)
Dr. Toralf Nöding (Berlin)
Arne Timmermann (Hamburg)
Thomas Uwer (Berlin/Organisationsbüro)
Lea Voigt (Bremen)

 

Die vorliegende Stellungnahme ist das Ergebnis der Beratungen des Rechtspolitischen Kreises Schwanenwerder, der auf Einladung des Organisationsbüros am 25. und 26. November 2023 in Berlin-Schwanenwerder tagte. An dem Rechtspolitischen Kreis Schwanenwerder nehmen Strafverteidiger*innen sowie Vertreter*innen der Strafrechtswissenschaften und anderer Disziplinen teil, um verbandsübergreifend und interdisziplinär aktuelle Fragen der Strafrechtspolitik zu diskutieren.

Berlin, 26. Januar 2024

I.

Es ist sehr zu begrüßen, dass sich der Gesetzgeber endlich an eine gesetzliche Regelung des Einsatzes Privater zu strafrechtlichen Ermittlungen heranwagt. Das Thema beschäftigt die strafrechtliche Praxis wie auch die Strafrechtswissenschaft seit Jahrzehnten – nimmt man die staatliche Tatprovokation, den ›Agent Provocateur‹, in die Diskussion hinein, seit mehr als einem Jahrhundert. Das ›Bauchgefühl‹ der Justiz im Umgang mit dem Institut hat sich enorm gewandelt: Es sei »mit dem Ansehen der Behörden der Strafrechtspflege unvereinbar«, urteilte noch das Reichsgericht 1912, »wenn deren Beamte oder Beauftragte sich dazu hergeben, in gefährlicher Weise zum Verbrechen anzulocken, und auch, wenn sie nur den Schein erwecken…«. Ein Jahrhundert später erfreut sich diese besondere Form des ›Private-Public-Partnership‹ bei der Strafrechtspflege mehr als nur einer Duldung, vielmehr großer Beliebtheit, obwohl ihr Einsatz (im Unterschied zu demjenigen Verdeckter Ermittler*innen, sog. VE) weder einer spezialgesetzlichen Regelung noch einer von den unmittelbar eingesetzten öffentlichen und privaten Ermittlern unabhängigen Kontrolle unterliegt. Oder gerade deshalb? 

Der Einsatz sog. VP greift tief in die Grundrechte der Ausgespähten ein, auch in Fällen, in denen (noch) keine Anstiftung zu Straftaten stattfindet (siehe dazu auch im Folgenden). Dies alles geschieht verdeckt, unter Täuschung, ohne gesetzliche Rechtfertigung, ohne Belehrung und vor allem: ohne effektive geschweige denn unabhängige Kontrolle. Stattdessen greift der Einsatz von V-Personen auf die Ermittlungsgeneralklausel der §§ 161, 163 StPO zurück, die – und das drängt sich nicht erst seit heute auf – genau für solch tiefgehende bzw. »schwerwiegende« Grundrechtseingriffe eben nicht gemacht ist. 

Seit den 1970er Jahren wird daher gefordert, den Einsatz sog. VP wenn schon nicht ganz zu untersagen, so doch wenigstens gesetzlich zu regeln. Ebenso lange wird eine gesetzliche Regelung von den Ermittlungsbehörden und Justizverwaltungen mit Argumenten abgelehnt, die sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht gewandelt haben: »Neue Kriminalitätsformen« und hochprofessionelle, klandestin arbeitende, organisierte kriminelle Strukturen erforderten, dass die Strafverfolgungsbehörden »mithalten« müssten. Ohne die Infiltration in die »Szene« seien Polizeibehörden abgehängt. Ein empirischer Beleg der behaupteten Notwendigkeit fehlt indes bis heute. Weder liegen belastbare Zahlen über das tatsächliche Ausmaß der Praxis vor, noch über die für den konkreten Verfahrensverlauf entscheidenden Bedingungen, unter denen V-Personen für den Staat dienstbar gemacht werden, was ihre Vergütung – sei sie finanzieller, anderweitig materieller oder ideeller Art – und mögliche Vergünstigungen genauso wie ihre Identität und damit Vertrauenswürdigkeit anbetrifft. Über dem gesamten V-Personen-Komplex liegt der Nebel der Heimlichkeit bzw. – um im Jargon zu bleiben – der Vertraulichkeit. 

Dass der Einsatz von V-Personen – also Privater, denen staatliche Institutionen Vertrauen schenken, um das Vertrauen anderer auszunutzen – ein willkommenes Ermittlungsinstrument zur Durchdringung von organisierten Kriminalitätsstrukturen darstellt, steht dennoch außer Frage. Je geringer die gesetzliche Regelungsdichte, desto größer ist der Spielraum ermittelnder Behörden. Daher wird die Forderung nach einer spezialgesetzlichen Regelung in der rechtspolitischen Diskussion auch immer wieder zurückgewiesen. In einem mehr als einhundertseitigen Gutachten kam die Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes 2017 u.a. zu dem Ergebnis, die »augenblickliche Regelung« (§ 163 StPO und RiStBV, Anlage D) sei »normativ … ausreichend«. Einer weiteren gesetzlichen Regelung bedürfe es nicht. Jahre zuvor fasste Hilger diese Argumentation beispielhaft zusammen: »Die Strafverfolgungsbehörden sollten – durch weiterhin maßvollen Einsatz und insbesondere strikte Beachtung der begrenzenden und sichernden Verfahrensregelungen – zeigen, daß das ihnen gelegentlich in der rechtspolitischen Diskussion entgegengebrachte Mißtrauen unberechtigt war«. 

Für Vertrauen aber ist kein Platz, wo der Staat in das Leben von Bürgerinnen und Bürgern eingreift, insbesondere nicht im Strafverfahren. Nichts anderes begründet letztlich die gesamte Strafprozessordnung, als das – schützende und die Grundrechte sichernde – Misstrauen in das Handeln staatlicher Organe. 

Über die gesehene Notwendigkeit für eine spezialgesetzliche (Misstrauens-)Regelung hinaus, muss zumindest infrage gestellt werden, ob der Einsatz von V-Personen im Strafprozess generell gerechtfertigt werden kann. Denn zwar mag zutreffend sein, dass gewisse Kriminalitätsstrukturen nur durchdringbar sind, wenn zur Ausforschung des Milieus Maßnahmen eingesetzt werden, die gänzlich ohne Kenntnis der Betroffenen erfolgen. Mit dem zielgerichteten verdeckten Einsatz von Personen aus dem Umfeld des Betroffenen, um auf diese Art und Weise Informationen von ihm zu erlangen, wird jedoch im Regelfall der Bereich zulässiger kriminalistischer List verlassen. V-Personen infiltrieren das Leben des (weiterhin unschuldigen!) Betroffenen und spiegeln ihm eine intakte Kommunikationsbeziehung vor. Dies ist nichts anderes als staatlich installierter Verrat. Von einer V-Person bedrängt zu werden, stellt dabei auch kein ›allgemeines Lebensrisiko‹ dar. Zwar kann sich auch unter ›echten Komplizen‹ ein ›Überläufer‹ und ›Verräter‹ finden; im Unterschied zur V-Person wurde dieses echte Lebensrisiko durch den Betroffenen allerdings selbst geschaffen, denn er entschied sich aus freien Stücken dazu, dieser Person zu vertrauen. Sinn und Zweck des Einsatzes von V-Personen ist es dagegen, »unter dem (Deck-)Mantel unterweltlicher Kumpanei Informationen zu erlangen, die das helle Tageslicht eher scheuen.« Der von einem VP-Einsatz Betroffene wird »durch verdeckte Ermittlungen kommunikativ entmündigt, quasi zur Werkzeugeigenschaft an der eigenen Überführung überredet.« Damit wird in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, seine Selbstbelastungsfreiheit (nemo-tenetur), sein Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK und in extremen Fällen auch in seine Menschenwürde (Art. 1 GG) eingegriffen. »Das Recht des Beschuldigten, dem Staat ein Geständnis vorzuenthalten, umfasst das Recht zu entscheiden, unter welchen Bedingungen es preisgegeben werden soll.« Es liegt »eine verbotene Täuschung und nicht nur erlaubte List vor […], mit welcher die Entscheidungsautonomie des Beschuldigten unterlaufen wird.« Nicht ohne Grund hat der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil festgestellt, dass »auch und gerade beim Einsatz von V-Personen […] rechtsstaatliche Grenzen zu beachten [sind], die der vernehmungsähnlichen Befragung von Tatverdächtigen ohne Aufdeckung der Ermittlungsabsicht – wegen ihrer Nähe zum nemo-tenetur-Grundsatz – gesetzt sind.«

Aus den aufgeführten Gründen ist der Einsatz von V-Personen zum Zwecke der Strafverfolgung grundsätzlich zu missbilligen; dass gleichwohl nicht zu erwarten steht, der Gesetzgeber werde dieser Position folgen und die V-Personen-Praxis insgesamt aus dem Strafprozess verbannen, liegt – leider – auf der Hand. Auch von daher ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass der Gesetzgeber nun Voraussetzungen und Grenzen des Einsatzes von V-Personen im Rahmen der Strafverfolgung gesetzlich regeln will, um den undurchsichtigen Nebel über der V-Personen-Praxis (u.a. durch Berichtspflichten) wenigstens etwas zu lichten. 

II. 

1.
Der Einsatz von V-Personen muss – dem Verhältnismäßigkeits- und Subsidiaritätsgrundsatz entsprechend – auf bestimmte Deliktsbereiche und besonders schwere Straftaten beschränkt werden.

Der Einsatz von Verdeckten Ermittler*innen und V-Personen stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt: BVerfGE 141, 220, Rn. 160) einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, mit dem tief in die Privatsphäre der Betroffenen eingegriffen wird (s.o.). Eine entsprechende Regelung kann nur dann verfassungsgemäß sein, wenn die hierfür herangezogene Eingriffsbefugnis in ihrer Ausgestaltung und Anwendung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt, d.h. das Gewicht des Eingriffs also mit dem Gewicht der (dadurch) aufzuklärenden Straftaten in Einklang zu bringen ist. Das dürfte nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts indes nur zu bejahen sein, wenn es um die Aufklärung von »Straftaten von großem Gewicht« geht (vgl. BVerfGE 141, 220, Rn. 101). Wie beim Einsatz von VEs muss daher auch für den Einsatz von V-Personen gewährleistet sein, dass diese nicht zur Aufklärung jedweder Straftaten (d.h. auch solcher der gewöhnlichen Kriminalität) eingesetzt werden können. Durch eine zu schaffende gesetzliche Regelung muss demnach sichergestellt werden, dass der Einsatz von V-Personen auf bestimmte Kriminalitätsbereiche abschließend beschränkt wird. Im Übrigen müssen subsidiäre Ermittlungsmaßnahmen ergriffen werden. Der Einsatz von V-Personen muss dabei – über die gesamte Maßnahme hinweg – in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der aufzuklärenden Straftat stehen.

Die geplante Regelung des § 110b Abs. 2 StPO-E wird diesen Anforderungen ersichtlich nicht gerecht: 

Soweit dort – gleichlautend mit den Eingriffsvoraussetzungen für den Einsatz von VEs – vorgesehen ist, dass V-Personen für die Aufklärung von »Straftat[en] von erheblicher Bedeutung« eingesetzt werden dürfen, wenn diese »gewerbs- oder gewohnheitsmäßig« oder »von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert« begangen worden sind, ist dies zum einen im Hinblick auf die verwendeten Begrifflichkeiten zu unbestimmt, zum anderen im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitskriterium zu weitgehend: Würde diese Regelung in dieser Form Gesetz, so wäre der Einsatz von V-Personen schon zur Aufklärung von (gewerbs- oder gewohnheitsmäßig begangenen) Vergehenstatbeständen möglich. Diese könnten bspw. serienmäßig begangene Fahrrad- oder Taschendiebstähle genauso wie Nötigungshandlungen durch Klimaaktivist*innen oder aber auch Dauerdelikte wie die Entziehung elektrischer Energie nach § 248c StGB – also niedrigschwellige Straftaten – beinhalten. Auf den denkbaren Einwand hin, die Vorschrift könnte für diese Bagatellfälle durch die Praxis eingeschränkt angewendet werden, ist zu entgegnen, dass eine Neuregelung, die schon vom Wortlaut zu weit gefasst ist und daher mit dem Makel einer dauerhaft zu erbringenden teleologischen Reduktionsleistung ins Gesetz geschrieben wird, bei einer so heiklen und grundrechtsinvasiven Maßnahme dem Handeln eines verantwortungsvollen Gesetzgebers unwürdig erscheint.

Deutlich zu weitgehend ist im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitskriterium auch die – ebenfalls parallel zu den Eingriffsvoraussetzungen von VEs – in § 110b Abs. 2 Satz 3 und 4 StPO-E
vorgesehene Möglichkeit, V-Personen zur Aufklärung von Verbrechenstatbeständen einzusetzen, die nicht in den Katalog aus § 110b Abs. 2 Satz 1 StPO-E fallen, wenn »auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr der Wiederholung besteht« und zugleich »die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre« (Satz 3) oder – unter Verzicht auf die Wiederholungsgefahr – sogar schon dann, »wenn die besondere Bedeutung der Tat den Einsatz gebietet und andere Maßnahmen aussichtslos wären« (Satz 4).

Evident konturlos, systemwidrig durch eine Kombination von repressivem und präventivem Einsatz von V-Personen und verfassungswidrig im Hinblick auf einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist § 110b Abs. 2 Satz 2 StPO-E, wonach V-Personen zukünftig (auch) zur Aufklärung jeglicher Straftaten eingesetzt werden dürfen, wenn »zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die [zukünftige!] wiederholte Begehung gleichartiger Straftaten von erheblicher Bedeutung »die Erfüllung öffentlicher Aufgaben […] ernsthaft gefährdet« oder »zur Schädigung einer großen Anzahl von Personen« führen könnte. 

2. 

Voraussetzung für den Einsatz von V-Personen muss immer die Aufklärung einer konkreten, bereits begangenen Straftat sein. Für deren Verwirklichung müssen (mindestens) zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. V-Personen dürfen daher – im repressiven Bereich der StPO – nicht »ins Blaue hinein«, also ohne konkreten Anfangsverdacht, sondern nur zur »allgemeinen Ausforschung« gegen bestimmte Personengruppen oder Milieus eingesetzt werden. 

Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass § 110b Abs. 2 Satz 1 StPO-E eindeutig klarstellt, dass V-Personen nur dann eingesetzt werden dürfen, wenn schon vor ihrem Einsatz »zureichende tatsächliche Anhaltspunkte« für die Begehung einer Straftat entsprechender Schwere (dazu oben, II.1) vorlagen. Auch die Begründung zum Referentenentwurf führt mit erfreulicher Deutlichkeit aus, dass V-Personen gerade nicht eingesetzt werden dürfen, um in bestimmten Szenen oder Gruppierungen zu ermitteln, um auf diese Weise  erst Verdachtsmomente für die Begehung einer Straftat zu finden (Begr., S. 24) und dass Ermittlungen unterhalb der Schwelle eines solchen Anfangsverdachtes nicht zulässig sein sollen (Begr., S. 25). Damit wird der in der Vergangenheit beobachteten Praxis, V-Personen, die in bestimmten Milieus oder Gruppierungen verkehrten, »ins Blaue hinein« einzusetzen und deren neu konstituiertes Wissen abzuschöpfen, ein deutlicher Riegel vorgeschoben.

3. 

Der Einsatz von VPs muss aufgrund seiner besonderen Eingriffsintensität unter einem Richtervorbehalt stehen. 

Dass nach § 110b Abs. 3 StPO-E der Einsatz von V-Personen zukünftig unter dem Vorbehalt einer entsprechenden (ermittlungs-)richterlichen Anordnung steht, ist ausdrücklich zu begrüßen. Die Einführung des Richtervorbehalts entspricht zum einen der Systematik des Gesetzes, welches de lege lata schon für vergleichsweise weniger eingriffsintensive verdeckte Ermittlungsbefugnisse einen Richtervorbehalt vorsah. Zudem werden damit die Forderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfüllt (BVerfGE 141, 220, Rn. 160).

4.   

Der eingeführte Richtervorbehalt kann nur dann zur Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Einsatz von V-Personen beitragen, wenn für die Prüfung eines entsprechenden Antrags der Staatsanwaltschaft konkrete Informationsrechte, Prüfungs- und Begründungspflichten eingeführt werden.

Der für die die Anordnung des V-Personen-Einsatzes zuständige Richter muss in die Lage versetzt werden, die gesetzlichen Voraussetzungen für den Einsatz der VP und eventuelle Ausschlussgründe tatsächlich, konkret und am Einzelfall zu prüfen. Hierfür muss die den Antrag stellende Staatsanwaltschaft ihm die erforderlichen Informationen (umfassend) zur Verfügung stellen; dass die erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt wurden, muss dokumentiert werden. 

Um die einzelfallbezogene und konkrete Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen durch den Richter sicherzustellen, ist für den richterlichen Anordnungsbeschluss eine Begründungspflicht vorzusehen, die sich zumindest auf 

• die den Anfangsverdacht der durch den VP-Einsatz aufzuklärenden Straftaten begründenden Tatsachen,

• die wesentlichen Erwägungen des Richters zur Einhaltung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und

• das Nichtvorliegen der gesetzlich vorgesehenen Ausschlussgründe (§ 110b Abs. 6 StPO-E)
bezieht. 

Um sicherzustellen, dass die entsprechenden Informationen dem Ermittlungsrichter auch tatsächlich vorlagen, sind entsprechende Dokumentationspflichten vorzusehen. Die hier geforderte (strenge) Anknüpfung an den Richtervorbehalt entspricht auch der Rechtsprechung des EGMR (st. Rspr. Ramanauskas vs. Litauen; Bannikova sv. Russland; zuletzt auch Akbay u.a. vs. Deutschland), welche – als ein Kriterium für das Nichtvorliegen einer Tatprovokation – die Überprüfung des Einsatzes von VPs durch eine unabhängige (justizielle) Stelle verlangt. 

§ 110b Abs. 3 Sätze 8 und 9 StPO-E sehen in begrüßenswerter Weise eine der These entsprechende Begründungspflicht vor. § 110b Abs. 10 Satz 1 StPO-E bestimmt zudem erfreulich klar, dass Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter diejenigen Angaben über die V-Person verlangen können, die erforderlich sind, um die Zulässigkeit deren Einsatzes zu überprüfen. 

Die Begründungspflicht erstreckt sich allerdings nicht explizit (§ 110b Abs. 3 Satz 9 StPO-E: »insbesondere«) auf die Einhaltung der Subsidiaritätsklausel und auf das Nichtvorliegen der gesetzlichen Ausschlussgründe aus § 110b Abs. 6 StPO-E. Die geforderte Pflicht zur Dokumentation des Vorliegens entsprechender Informationen zum Prüfungszeitpunkt ist im Referentenentwurf bislang ebenfalls nicht vorgesehen. Sie wäre indes zu fordern, unter dem Vorbehalt, dass die Begründung sich – nur – solcher Informationen enthalten kann, welche geeignet wären, Rückschlüsse auf die Identität der V-Person zuzulassen. Unklar bleibt auch, wer für die Entscheidung über die prognostische Zuverlässigkeit der einzusetzenden V-Person zuständig ist; ob sich also § 110b Abs. 7 StPO-E nur an die Strafverfolgungsbehörde richtet oder ob der Ermittlungsrichter insoweit (auch) prüfungspflichtig ist. Zu fordern wäre letzteres. 

5. 

Der Fortbestand der Anordnungsvoraussetzungen für den Einsatz einer V-Person sowie das Nichtvorliegen von Ausschluss- oder Beendigungsgründen muss regelmäßig, kontinuierlich und nachvollziehbar durch den anordnenden Richter überprüft werden. 

Die im Referentenentwurf vorgesehenen Überprüfungsintervalle von drei Monaten (§ 110b Abs. 3 Satz 5 StPO-E) sind angesichts der Eingriffstiefe und Grundrechtsrelevanz des Einsatzes einer VP ausdrücklich zu begrüßen. Die Überprüfungsintervalle dürfen keinesfalls länger sein als bei den (im Regelfall) weniger eingriffsintensiven Telekommunikations- oder Observationsmaßnahmen.

Zu begrüßen ist, dass § 110b Abs. 3 Satz 8 StPO-E auch für entsprechende Verlängerungsbeschlüsse einzelfallbezogene Begründungspflichten zu der Frage vorsieht, ob der weitere Einsatz der V-Person (noch) erfolgsversprechend und damit verhältnismäßig ist.

Wie bei der erstmaligen Anordnung des Einsatzes einer V-Person ist allerdings zu kritisieren, dass die Begründungspflicht nicht explizit auch auf das Fortbestehen des Subsidiaritätserfordernisses (§ 110b Abs. 3 Sätze 4 und 5 StPO-E) und das (weitere) Nichtvorliegen von Ausschlussgründen (§ 110b Abs. 6 StPO-E) und Beendigungsgründen (§ 110b Abs. 8 StPO-E) erstreckt wird. Auch hier (siehe schon oben, These 4) ist eine entsprechende Begründungspflicht vor allem deshalb von enormer Wichtigkeit, weil sonst angesichts des im Rahmen der Ausschluss- und Beendigungsgründe vorgesehenen Ermessensspielraums (»soll«) die entsprechende Ermessensausübung später nicht überprüfbar wäre.  

Wie bei der erstmaligen Anordnung eines V-Personen-Einsatzes (dazu oben, These 4) muss dokumentiert werden, dass dem für die Verlängerungsentscheidung zuständigen Richter die erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt wurden.

6. 

Die (Maximal-)Dauer des Einsatzes einer V-Person muss in zeitlicher Hinsicht dahingehend begrenzt werden, dass diese – bezogen sowohl auf die Dauer eines konkreten Einsatzes als auch auf die Gesamtdauer mehrfacher Einsätze – drei Jahre im Regelfall und fünf Jahre in (absoluten) Ausnahmefällen nicht übersteigen darf.

Für eine solche Begrenzung der (Maximal-)Dauer des Einsatzes einer V-Person streitet zum einen der Schutz des Beschuldigten: Dieser darf nicht dauerhaft – und potentiell kernbereichsrelevant – durch eine Umfeldperson (total-)ausgeforscht werden; dies würde einen evidenten Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darstellen. Für die Begrenzung der Dauer des Einsatzes einer V-Person streitet andererseits auch der Schutz der V-Person selbst, denn je länger diese eingesetzt wird, desto höher ist das Risiko einer Enttarnung, aber auch die Gefahr, dass durch die Dauer des Einsatzes Abhängigkeiten zur Ermittlungsbehörde (dazu noch unten, These 8) oder Näheverhältnisse zum Beschuldigtem entstehen, die der Objektivität der V-Person schaden. 

Obwohl in der Begründung zum Referentenentwurf betont wird, dass die »Erfahrungen« mit der sog. »VP01« (Deckname Murat Cem), der 20 Jahre lang als V-Person eingesetzt war, eine der tragenden Erwägungen für die gesetzliche Regelung sein sollen, schiebt der Referentenentwurf einer solchen Praxis des zeitlich dauerhaften Einsatzes von V-Personen gerade keinen Riegel vor: § 110b Abs. 6 Nr. 2a StPO-E lässt explizit den Einsatz von V-Personen zu, deren kumulative Einsatzzeit zum Zeitpunkt des Einsatzbeginns zehn Jahre noch nicht übersteigt; § 110b Abs. 7 Satz 5 Nr. 1 StPO-E knüpft den über fünf Jahre hinausgehenden Einsatz lediglich an eine gesonderte Begründungspflicht. § 110b Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 StPO-E lässt sogar den über zehn Jahre hinausgehenden Einsatz von V-Personen zu, in dem dort geregelt wird, dass der Einsatz von V-Personen über die Grenze hinaus beendet werden »soll«, womit sogar der (noch) längere Einsatz möglich wäre. 

Würden diese Regelungen Gesetz, so ließe man zu, dass solche »Dauer-VPs« quasi zu faktischen polizeilichen Ermittlern werden. Damit würden nicht nur die Grenzen zum Einsatz Verdeckter Ermittler verwischt. Solch lange Einsätze führen potentiell zudem dazu, dass die eingesetzte V-Person eine gewichtige Funktion im sozialen Kernbereich des Beschuldigten einnimmt und somit – staatlich motiviert – dauerhaft und progressiv in der Intensität ansteigend persönliches Vertrauen enttäuscht. Hinzu kommt, dass ein solch langer Einsatz ersichtlich dem gesetzgeberischen Grundkonzept des Einsatzes von V-Personen im repressiven Bereich widerspricht: Der Einsatz von V-Personen soll dazu dienen, konkrete Straftaten möglichst effektiv aufzuklären. Der Einsatz von V-Personen über mehrere Jahre hinaus ohne entsprechenden Aufklärungserfolg im Hinblick auf die konkrete Straftat widerspricht ersichtlich diesem Effektivitätsgedanken; die V-Person verkommt hier zur »Dauerstreife«. Ein solcher Einsatz  ist weder mit dem Subsidiaritäts- noch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang zu bringen. 

7. 

Art und Weise und Höhe der Entlohnung einer V-Person ist in einer der Verteidigung zugänglichen Art und Weise zu dokumentieren.

V-Personen verfolgen (auch) monetäre und sonstige eigennützige Interessen; zumindest handeln sie eher nicht allein aus Überzeugung im Auftrag der Gerechtigkeit. Wer für seine Tätigkeit entlohnt wird, hat ein Interesse, seinem Geldgeber gute Dienste zu leisten. Wie die V-Person entlohnt wird, ist für die Beurteilung der Motivation der V-Person und des Wahrheitsgehalts ihrer Angaben und eventueller Falschbelastungsanreize daher derart zentral, dass zu fordern ist, dass Art und Weise und Höhe der Entlohnung in der Verfahrensakte in einer der Verteidigung zugänglichen Art und Weise zu dokumentieren sind. Dies gebietet auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (5 StR 240/13 = NStZ 2014, 277, Rn. 46), in der es heißt: »Zudem muss in einem Rechtsstaat schon der bloße Anschein, die Ermittlungsbehörden wollten etwas verbergen, vermieden werden. Deshalb sollte in den Akten ebenfalls vermerkt sein, ob eine Vertrauensperson für ihre Tätigkeit eine Entlohnung zugesagt bekommen oder gar erhalten hat. Der Senat weist darauf hin, dass Höhe und Erfolgsbezogenheit des jeweiligen Honorars im Rahmen der gebotenen umfassenden Beweiswürdigung für die Bewertung des Motivs der Vertrauensperson, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten, relevant sein und entscheidungserhebliche Bedeutung erlangen kann.« 

Hinter dieser höchstrichterlichen Forderung an rechtsstaatliche Mindeststandards darf ein künftiges Gesetz nicht zurückfallen. 

Eine Entlohnung im praxisrelevanten Einsatzbereich der Betäubungsmittelkriminalität, die sich an der Menge der aufgrund der Angaben einer V-Person sichergestellten oder einer Verurteilung zugrundeliegenden Menge an Betäubungsmittel orientiert, sollte für unzulässig erklärt werden, denn sie schüfe einen staatlich gesetzten Tatanreiz zur unzulässigen Aufstiftung durch die V-Person, verwirklicht mithin ein staatlich gesetztes Risiko unzulässiger Tatprovokation. 

Der Referentenentwurf sieht keine derartige Regelung vor, obwohl diese nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung geboten ist.

8. 

Der Einsatz von V-Personen, für welche die Entlohnung durch die Strafverfolgungsbehörden für die Dauer des Einsatzes eine wesentliche Einkommensquelle darstellen würden, ist unzulässig. 

Der Referentenentwurf sieht in § 110b Abs. 6 Nr. 1c StPO-E vor, dass der Einsatz solcher V-Personen, für die für den Einsatz durch die Strafverfolgungsbehörden gewährte Geld- und Sachzuwendungen »ihre wesentliche Lebensgrundlage« darstellen, unzulässig sein soll. Diese (Un-)Zulässigkeitsvoraussetzung wird zutreffend damit begründet, dass durch die Gewährung entsprechender Zuwendungen kein Abhängigkeitsverhältnis entstehen soll, weil ein solches Abhängigkeitsverhältnis sich negativ auf den (Wahrheits-)Gehalt der zu beschaffenden Informationen auswirken und die V-Personen ein Interesse daran haben kann, den Einsatz möglichst lange aufrecht zu erhalten, um die dadurch generierte Einnahmequelle nicht zu verlieren (S. 30 der amtl. Begründung). 

Diese Regelung ist zu begrüßen, wobei statt des im Referentenentwurf gewählten Begriffs der »wesentlichen Lebensgrundlage« der Begriff »der wesentlichen Einkommensquelle« zu bevorzugen ist, weil damit deutlicher würde, dass – wie in der Begründung zum Referentenentwurf zutreffend ausgeführt – der Einsatz von VPs, »die sonst nur Sozialleistungen beziehen, ihre Zuwendungen [durch den Einsatz aber] erheblich erhöhen« (Begr., S. 30) unzulässig wäre.

9. 

Der Einsatz von V-Personen, bei denen im BZR Verurteilungen zu Verbrechen, nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen oder Verurteilungen wegen Täuschungs-, Fälschungs- und Aussagedelikten eingetragen sind, muss unzulässig sein. 

Der Referentenentwurf ist so konzipiert, dass auch solche Personen als V-Personen eingesetzt werden können, die in der Vergangenheit wegen schwerster Straftaten verurteilt worden sind. Der Entwurf sieht lediglich vor, dass die Auswahl einer solchen V-Person »gesondert begründet werden« muss (§ 110b Abs. 7 Satz 5 Nr. 2 StPO-E). 

Dies ist nicht hinzunehmen: Von Personen, die in der Vergangenheit wegen erheblicher Straftaten oder wegen Täuschungs-, Fälschungs- und Aussagedelikten verurteilt wurden, ist nicht zu erwarten, dass diese zuverlässig sind, den Weisungen der Strafverfolgungsbehörde Folge leisten und vor allem wahrheitsgemäß berichten.

10. 

Wenn festgestellt wird, dass VPs sich im Rahmen ihres Einsatzes entweder selbst strafbar gemacht haben oder gar an der aufzuklärenden Straftat beteiligt waren, muss ihr Einsatz unverzüglich beendet werden.

Nach § 100b Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 StPO-E »soll« der Einsatz einer VP beendet werden, wenn sie sich im Rahmen ihres Einsatzes strafbar gemacht hat. Selbst wenn sich im Rahmen des Einsatzes der VP herausstellt, dass die VP selbst an der aufzuklärenden Straftat beteiligt war, soll dies nach § 100b Abs. 8 Satz 2 StPO-E nicht zwangsläufig, sondern nur »grundsätzlich« zur Beendigung des Einsatzes der VP führen; die Beteiligung der VP an der aufzuklärenden Straftat soll den (weiteren) Einsatz der VP nur »in der Regel« ausschließen. 

Anders als beim Einsatz von Verdeckten Ermittlern im Präventivbereich, die möglicherweise in bestimmten Ausnahmesituationen nicht umhin können, im Rahmen ihres Einsatzes Straftaten zu begehen, um so ihre Enttarnung zu verhindern und weiter an der Verhinderung schwerer Straftaten mitzuwirken, stellt sich die entsprechende Abwägung beim Einsatz von VPs im repressiven Bereich völlig anders dar: Die Aufklärung einer bereits begangenen Straftat kann und darf nie durch die bewusste Begehung neuer Straftaten ermöglicht werden. 

Wenn sich herausstellt, dass eine VP an der Straftat, zu deren Aufklärung sie eingesetzt wurde, selbst beteiligt war, ist der Einsatz der VP unverzüglich zu beenden. Hier darf es keine Ausnahmen geben: Die Tatsache der eigenen Tatinvolvierung schließt die Zuverlässigkeit zwangsläufig aus. Ebenso wenig wie die Anordnung des Einsatzes einer tatinvolvierten VP zulässig wäre, kann die Fortführung des Einsatzes einer VP, deren Tatinvolvierung sich erst im Laufe des Einsatzes herausstellt, zulässig sein.

11. 

Wenn festgestellt wird, dass eine VP im Rahmen ihres Einsatzes wissentlich falsche Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben oder wiederholt erteilten Weisungen zuwidergehandelt hat, muss ihr Einsatz unverzüglich beendet werden.

Der Referentenentwurf bestimmt in § 110b Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und 2 StPO-E lediglich, dass in diesen Fällen der Einsatz der VP beendet werden »soll«; dies ermöglicht also grundsätzlich den weiteren Einsatz der VP. 

Die ist nicht hinzunehmen. Eine VP, die bereits wahrheitswidrig berichtet hat, ist ersichtlich unzuverlässig und zur »Wahrheitsfindung« damit nicht mehr geeignet. Gleiches gilt für eine VP, die im Rahmen ihres Einsatzes weisungswidrig gehandelt hat. Bezeichnenderweise enthält die Begründung des Referentenentwurfs keinerlei Ausführungen dazu, warum in diesen Fällen die Weiterführung des Einsatzes der VP dennoch zulässig sein soll.

12. 

Von der Vernehmung einer VP im Ermittlungsverfahren ist zwingend und stets ein Wortlautprotokoll anzufertigen. Ob und inwieweit es aus Gründen der Einhaltung der Vertraulichkeitszusage erforderlich ist, dieses (Wortlaut-)Vernehmungsprotokoll entweder nicht oder partiell nicht zur Akte zu bringen, entscheidet nicht die Ermittlungsbehörde, sondern der zuständige Staatsanwalt oder der Richter, der für die Anordnung des Einsatzes zuständig ist. 

§ 110b Abs. 5 StPO-E sieht vor, dass von Aussagen von VPs im Ermittlungsverfahren ein Wortlautprotokoll erstellt werden »soll«, »soweit hierdurch keine Rückschlüsse auf die Identität der V-Person oder auf geheimhaltungsbedürftige Methoden beim Einsatz von V-Personen gezogen werden können«. 

Diese Regelung würde die bislang gängige Praxis zementieren, nach der Wortlautprotokolle im Regelfall nicht angefertigt werden. Die Praxis zeigt, dass sich die VP-Führer, so man ihnen die Entscheidung über die Anfertigung eines Wortlautprotokolls überlässt, nahezu durchweg gegen die Anfertigung eines solchen Protokolls entscheiden und dies mit der Einhaltung der Vertraulichkeitszusage begründen, ohne dass dies im weiteren Verfahren überprüft werden kann. Da die VP oft in der Hauptverhandlung nicht persönlich als Beweismittel zur Verfügung steht, geht mit der Verwertung ihrer Angaben regelmäßig eine empfindliche Einschränkung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und des Konfrontationsrechts des Angeklagten bzw. seiner Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK) einher. Dem muss durch eine lückenlose Dokumentation der im Vorfeld der Hauptverhandlung getätigten Aussagen der VP gegenüber den Strafverfolgungsbehörden entgegengewirkt werden. Es ist daher zu verlangen, dass in jedem Fall ein Wortprotokoll der Aussagen angefertigt wird. 

Die Regelung des § 110b Abs. 5 StPO-E greift insoweit zu kurz, als dass dort nur eine Soll-Regelung vorgesehen wird und diese zusätzlich unter der Bedingung steht, dass durch das Wortprotokoll keine Rückschlüsse auf die Identität der V-Person oder auf geheimhaltungsbedürftige Methoden beim Einsatz von V-Personen gezogen werden können. Würde dies in dieser Form Gesetz, würde diese Regelung dazu führen, dass in der Mehrheit der Fälle die Polizei allein darüber entscheidet, ob ein Wortprotokoll angefertigt werden muss. Naturgemäß lässt sich diese Entscheidung weder rückgängig machen, noch gerichtlich überprüfen. Sie würde auch für Fälle gelten, in denen im Verlauf des weiteren Verfahrens die Identität der VP offengelegt wird oder sich herausstellt, dass eine Gefährdung nicht vorliegt. Außerdem werden regelmäßig nur einzelne Passagen einer Vernehmung die Gefahr einer Identifizierung begründen. Die aktuelle Entwurfsfassung lässt aber auch in einem solchen Fall zu, dass von vorneherein überhaupt kein Wortprotokoll angefertigt wird.

Vorzugswürdig wäre demzufolge eine Regelung, die in allen Fällen die Anfertigung eines Wortprotokolls vorsieht, welches dann im Anschluss im Hinblick auf Gefahren für die Offenlegung der Identität der VP und der Methoden der VP-Führung geprüft und ggf. mit Schwärzungen versehen wird. Dadurch kann der vom Entwurf verfolgte Schutzzweck ebenso erreicht werden. Zugleich wird die Möglichkeit erhalten, dass Staatsanwaltschaft oder Gericht im Nachgang zu einer abweichenden Einschätzung der Gefährdungslage gelangen. 

13. 

Eine VP, deren Angaben zur Beweisführung im Strafprozess genutzt werden sollen, muss zur Wahrung des Konfrontationsrechts des Angeklagten grundsätzlich in der Hauptverhandlung vernommen und durch die Verteidigung konfrontativ befragt werden können. 

§ 110b Abs. 10 Satz 2 und 3 StPO-E bestimmt erfreulicherweise, dass eine VP (nur) dann einer Vernehmung in der Hauptverhandlung durch eine sog. Sperrerklärung entzogen werden darf, wenn die Wahrung ihrer Identität nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen wie den Ausschluss der Öffentlichkeit, die Entfernung des/der Angeklagten aus der Hauptverhandlung, die audiovisuelle Vernehmung bei Verfremdung von Aussehen und Stimme und das Recht, die Beantwortung solcher Fragen zu verweigern, die Rückschlüsse auf die Identität zulassen, gewährleistet werden kann. 

Soweit in der Begründung zum Referentenentwurf ausgeführt wird, dass dies bereits der bisherigen Rechtslage entsprach, mag das zutreffen. In der Praxis wurde die Sperrerklärung jedoch im Regelfall abgegeben, so dass es zu den absoluten Ausnahmefällen gehörte, dass eine VP in der Hauptverhandlung tatsächlich konfrontativ befragt werden konnte. Soll sichergestellt werden, dass die damit verbundene Beschränkung von Beschuldigtenrechten nicht auch unter Geltung der nunmehr vorgesehenen gesetzlichen Regelung der Fall sein wird, so müsste (zusätzlich) bestimmt werden, dass das angebliche (Nicht-)Ausreichen der oben angeführten Schutzmaßnahmen richterlich in einem in-camera Verfahren überprüfbar ist. 

14. 

Der Verstoß gegen Anordnungsvoraussetzungen oder der (fortgesetzte) Einsatz von VPs trotz des Vorliegens von Ausschluss- oder Beendigungsgründen muss dazu führen, dass die Angaben der VP im Rahmen der gerichtlichen Beweisführung weder verwendet, noch verwertet werden dürfen. 

Aufgrund der verfassungsgerichtlich festgestellten besonderen Eingriffstiefe des Einsatzes einer VP (dazu ausführlich oben, These 1) darf es nicht über die Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten »Abwägungslehre« dazu kommen, dass rechtswidrig durch eine VP erlangte Erkenntnisse im Rahmen der gerichtlichen Beweisführung zum Nachteil des Betroffenen verwendet oder verwertet werden. Deshalb fordern wir, dass in den Vorschriften über den Einsatz einer VP ein absolutes Beweisverwendungsverbot für solche Beweismittel, die unter Missachtung der Regelungen über die Anordnungsvoraussetzungen sowie den Ausschluss und die Beendigung des VP-Einsatzes erlangt wurden. Für ein solches Beweisverwendungsverbot streitet auch die Begründung des Referentenentwurfs, wonach VPs in erster Linie dazu eingesetzt werden sollen, um »neue Ermittlungsansätze« zu schaffen, wobei dies bedeute, »dass der Unterstützungsbeitrag der V-Person im Idealfall für das weitere Strafverfahren keine Rolle spielen soll« (Begr., S. 24). Wenn VPs also in erster Linie Ermittlungsansätze schaffen und nicht zur Beweisführung im engeren Sinne benutzt werde sollen, so liegt es überaus nahe, bei Verstoß gegen Anordnungsvoraussetzungen oder Ausschluss- und Beendigungsgründe ein absolutes Beweisverwertungsverbot zu statuieren.

15. 

Die Voraussetzungen und Grenzen des Einsatzes von sog. Nicht-offen-ermittelnden-Polizeibeamten (noeP), Gewährspersonen und Informanten sind ebenfalls gesetzlich zu normieren, da ansonsten eine Umgehung der gesetzlichen Vorgaben zu VPs und VEs droht.  

Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte sind rechtlich und tatsächlich zwischen einen VE und einer VP anzusiedeln. Sie sind zwar Polizeibeamte, ermitteln aber nicht unter einer auf Dauer ausgerichteten Legende. Der grundrechtliche Eingriffscharakter, der in der Ausnutzung des Vertrauens und in der damit erschlichenen Heimlichkeit liegt, ist daher nicht anders zu beurteilen als bei einem VE, der unter einer Legende ermittelt und nicht anders als bei einer VP, die ebenfalls ihren »wahren Absichten«, das »Ermitteln für die Strafverfolgungsbehörden« verheimlicht. 

Nachdem der Einsatz von VE und nunmehr auch VP – wie der Gesetzgeber zu Recht betont – derartig schwerwiegende Grundrechtseingriffe bewirkt, welche einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen und zudem unter Richtervorbehalt zu stellen sind, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb gerade der noeP-Einsatz, der vergleichbare wenn nicht sogar identische Wirkungen zeitigt, nicht gesetzlich geregelt werden soll. Die allgemeinen Regelungen der §§ 161, 163 StPO sind insofern in keinem Fall ausreichend. Das Schrifttum hat eine entsprechende gesetzliche Regelung seit jeher gefordert. Auch aus polizeilicher Sicht wird inzwischen eine gesetzliche Regelung des noeP-Einsatzes für erforderlich erachtet. Bleibt dieses Ermittlungsinstrumentarium, aber auch der Einsatz von Gewährspersonen und Informanten (weiterhin) gesetzlich ungeregelt, droht eine Umgehung der gesetzlichen Vorgaben zu VE und VP. Es darf auf keinen Fall einen Anreiz zur »Flucht« in vergleichbare, unreglementierte Ermittlungsmaßnahmen geben. 

16. 

Der Übertrag von Erkenntnissen von im Präventivbereich eingesetzten VPs ins Strafverfahren muss gesetzlich geregelt werden.

Um die Wirksamkeit der strafprozessualen Regelungen zum Einsatz von VPs sicherzustellen, muss der Umgang mit Erkenntnissen von VPs geregelt werden, die auf der Grundlage präventivpolizeilicher Rechtsgrundlagen (Polizeigesetze des Bundes und der Länder) im Einsatz sind. Auf der Grundlage des sog. datenschutzrechtlichen Doppeltürmodells sollte eine Regelung aufgenommen werden, welche die strafprozessuale Verwertung derartiger Erkenntnisse zu Beweiszwecken und als Spurenansatz nur dann erlaubt, wenn eine Anordnung und Durchführung des VP-Einsatzes auch nach den Regelungen des Strafverfahrensrechts zulässig gewesen wäre. Andernfalls besteht die Gefahr des »Forum-Shoppings« durch die Polizeibehörden, was die strafprozessualen Regelungen im Einzelfall gänzlich wirkungslos werden ließe.   

III. Tatprovokation

1. 

Die staatliche Tatprovokation ist der Sündenfall des Rechtsstaats; sie muss in jeder Form unzulässig sein. 

Der staatliche Auftrag zur Strafverfolgung und die Verleitung zu Straftaten durch staatliche Stellen schließen sich grundsätzlich aus. Strafrechtliche Normen werden entwertet, wenn staatliche Stellen oder in ihrem Auftrag handelnde Private durch die Verleitung zu einer Straftat den Rechtsbruch initiieren. Dies gilt sowohl in Fällen der Tatprovokation mit als auch in solchen ohne Anfangsverdacht.

Strafe folgt in unserem Rechtssystem einzig als Reaktion auf eine bereits geschehene Straftat. Der Anknüpfpunkt der »Tatgeneigtheit« oder »Gefährlichkeit« (vgl. BGH NJW 2000, 1123, 1127) einer zur Tat verlockten Person hingegen verweist in den Bereich des Täter- und Gesinnungsstrafrechts und knüpft »an soziale Stigmata« an: »soziale Risikofaktoren (z.B. Nationalität. Zugehörigkeit zu einem spezifischen Milieu, Aufenthalt an einem als kriminogen definierten Ort) oder negativen Personenbeschreibungen (charakterlich ungefestigte Personen oder solche, die einen labilen Eindruck hinterlassen oder in Grenzsituationen leben oder solche, die eine ›latente Bereitschaft zu Unrecht‹ aufweisen).« 

Die Verleitung zur Begehung einer Straftat ohne konkreten Tatverdacht widerspricht zudem in eklatanter Weise dem Unschuldsprinzip, wonach irrelevant ist, aus welchen Gründen Bürger darauf verzichten, Straftaten zu begehen – aus Normtreue, aus Furcht vor Strafe oder mangelnder Gelegenheit. Durch das gezielte Schaffen von Tatanreizen durch staatliche Stellen wird der – aus welchen Gründen auch immer – objektiv Unschuldige zum potentiell Schuldigen. 

Der nicht-autoritäre Rechtsstaat hat seine Bürger in Frieden zu lassen, solange sie sich nicht erwiesenermaßen einer Normverletzung schuldig gemacht haben oder ein konkreter Anfangsverdacht besteht und darf insbesondere nicht die Normtreue seiner Bürger durch Schaffung von Tatanreizen auf die Probe stellen. Auch für den von Polizeibehörden oder V-Personen als »tatgeneigt« bewerteten Bürger streitet die Unschuldsvermutung.

Aus diesen Gründen ist die staatliche Verleitung zu Straftaten grundsätzlich zu untersagen.

2. 

Tatprovokation bedeutet zwangsläufig die strafrechtlich relevante und der Ermittlungsbehörde zurechenbare Verleitung des Betroffenen. Damit einher ginge ein Verstoß gegen Art 20
Abs. 3 GG und gegen das Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 Abs. 1 EMRK.

3. 

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist nicht jedes Verleiten zu einer Straftat durch die Ermittlungsbehörde automatisch eine Tatprovokation. Der Gerichtshof hält verdecktes staatliches (Ermittlungs-)Handeln dann für zulässig, wenn es sich auf »ein im Wesentlichen passives Ermitteln beschränkt und auf eine Zielperson bezieht, hinsichtlich derer bereits zum Zeitpunkt der Ansprache der objektive Verdacht bestand, dass sie in kriminelle Handlungen involviert oder zur Begehung einer Straftat geneigt war.« 

Insbesondere sog. »Scheinkäufe« durch Ermittlungspersonen sind insoweit nicht per se unzulässig. Fälle, in denen auf die Zielperson aktiv Druck geübt wird, etwa durch das Anbieten übermäßiger Vorteile, werden vom EGMR dagegen als (unzulässige) Tatprovokation qualifiziert. Nur in den in diesem Sinne nicht als (immer unzulässige) Tatprovokation einzuordnenden Fällen sind die im Zusammenhang mit dem (zulässigen) Verleiten begangenen Erkenntnisse als Beweis verwertbar; allerdings ist dann auf Strafzumessungsebene zu berücksichtigen, dass die Ermittlungsbehörde zur Begehung der Tat beigetragen hat.

4. 

Die der geplanten Neuregelung in § 110c Abs. 3 Satz 2 StPO-E zugrundeliegende Kategorisierung zwischen einer unzulässigen, aber nicht rechtsstaatswidrigen Tatprovokation findet in der Rechtsprechung des EGMR keinerlei Widerhall. Wenn nach den Kriterien des EGMR eine Tatprovokation vorliegt (s.o.), dann ist sie rechtsstaatswidrig und muss aus unserer Sicht als Rechtsfolge zwingend ein Verfahrenshindernis nach sich ziehen. Jede andere Regelung verstößt evident gegen die unmissverständlichen Vorgaben des EGMR und damit gegen die Menschenrechte des Beschuldigten in Form einer Missachtung seines Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK).

Der EGMR hat in absoluter Eindeutigkeit geurteilt, dass die Tatprovokation in jedem Fall die Verwertung der durch sie erlangten Erkenntnisse (»use of evidence«) ausschließt. Nachdem der Gerichtshof zudem ausdrücklich und mehrfach klargestellt hat, dass die deutsche Strafzumessungslösung (BGHSt 32, 345; 45, 321) den Anforderungen der Konvention an eine hinreichende Kompensation des durch eine Tatprovokation eingetretenen Fairnessverstoßes nicht entspricht, sehen wir in der Forderung nach einem Verfahrenshindernis den einzig gangbaren Weg, um Deutschland vor einer erneuten Verurteilung durch den EGMR in künftigen Fällen zu bewahren. 

Die in § 110c Abs. 3 StPO-E angedachte Regelung der Rechtsfolge »sind die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen wegen der Tat gegenüber dieser Person ausgeschlossen« betrifft jedenfalls sprachlich nicht die Verfahrensführung sondern nur das Verbot einer materiell-sanktionsrechtlichen Reaktion auf das provozierte strafrechtlich relevante Verhalten.

5. 

Die geplante Neuregelung in § 110c StPO gießt wesentliche Teile der Judikatur des EGMR in Gesetzesform, leidet aber unter dem Grundübel, dass sie im Kernkonzept das »Verleiten zu einer Straftat« als (grundsätzlich) zulässige Ermittlungsmaßnahme einstuft und damit prozessual neben klassischen verdeckten Ermittlungsformen »salonfähig« macht. Damit wird das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei provozierendem Verhalten in sein Gegenteil verkehrt. Daran ändert auch die sprachliche Formulierung »ist nur zulässig, wenn« in Absatz 2 nichts.

6. 

Zur gebotenen innerstaatlichen Klarstellung des aus der Rechtsprechung des EGMR abzuleitenden Verbots der Tatprovokation schlagen wir folgende konkrete gesetzliche Regelung vor:

Es ist unzulässig, Personen zur Begehung von strafbaren Handlungen in
einer dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 der EMRK) widerstreitenden Weise zu verleiten, oder durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken (Verbot der Tatprovokation).

Kommt es im Einzelfall zu einer Tatprovokation, so ist das Verfahren gegen die betroffene Person unverzüglich einzustellen.

Die Regelung entspricht § 5 Abs. 3 der Österreichischen Strafprozessordnung (öStPO) – ergänzt um eine Regelung zur konkreten Rechtsfolge. Das dort normierte Lockspitzelverbot ist kurz und prägnant und setzt die gefestigte Rechtsprechung des EGMR zum Verbot der Tatprovokation konsequent um. Die Regelung hat zwei Stoßrichtungen:

Einerseits erklärt Halbsatz 1 es für unzulässig, dass die Strafverfolgungsbehörden andere Personen zu Straftaten verleiten (Verbot der Tatprovokation). Verleiten ist hierbei das Hervorrufen eines Tatentschlusses, welcher vorher nicht bestand.

Zum anderen sieht die Regelung in Halbsatz 2 ein ebenfalls an die Strafverfolgungsbehörden gerichtetes Verbot der Geständniserschleichung vor. Beides ist Ausfluss des durch Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgesicherten und in Art. 6 Abs. 1 EMRK kodifizierten Rechts auf ein faires Verfahren.