Das KCanG von seiner hässlichen Seite

Dr. Sebastian Sobota[1]

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Der Beitrag stellt die strafrechtlichen Vorschriften des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) vor, um an ihnen die hässliche Seite der – grundsätzlich zu begrüßenden – Entkriminalisierung von Cannabis zu beleuchten. Dazu zählen nicht nur Lücken in der Strafbegründung (Rechtsgut), sondern auch Strafrahmenfriktionen beim Grunddelikt sowie subtile Strafverschärfungen im Vergleich zum BtMG. Insbesondere die Verbrechensqualifikationen lassen nach wie vor eine Überkriminalisierung von konsumbezogenen Verstößen befürchten. Nach einer zusammenfassenden Würdigung wird über eine Schönheitskur für das KCanG nachgedacht.

 

I. Einleitung

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, sei aus gegebenem Anlass eine kleine Vorbemerkung gestattet zu Aspekten, über die ich nicht sprechen werde. Das betrifft zunächst die im Gesetzgebungsverfahren immer wieder aufgewärmte Grundsatzfrage, ob die Legalisierung/Entkriminalisierung von Cannabis kriminalpolitisch opportun ist.[2] Dagegen, Selbstschädigung durch Drogenkonsum ausgerechnet durch Kriminalstrafe zu regulieren, sprechen bereits durchgreifende straf- und verfassungsrechtliche Argumente – die längst ausgetauscht sind und hier deshalb nicht wiederholt werden müssen.[3] Auch aus kriminologischer Perspektive ist erstaunlich, wie verbreitet der Glaube an die Wirksamkeit einer repressiven Politik ist, obwohl die Kriminalisierung nach über 70 Jahren, in denen die Verbreitung von Drogen und der Schaden durch Betäubungsmittelgebrauch zu- und nicht abgenommen haben, als gescheitert bewertet werden muss.[4] Die kaum messbaren positiven Effekte der Prohibition stehen in keinem Verhältnis zu ihren hohen sozialen Folgekosten, zumal stets die empirisch belegte dysfunktionale Wirklichkeit, »die dunkle Seite des Strafrechts«,[5] mitbedacht werden muss. Auf diesen Aspekt werde ich später noch einmal zurückkommen.

Weiter werde ich mich nicht mit den ärgerlichen handwerklichen Fehlern im KCanG befassen. Beispielsweise will das Gesetz den privaten Anbau von drei Pflanzen erlauben (§ 3 Abs. 2)[6], verbietet aber gleichzeitig bei Strafe jedes Herstellen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 34 Abs. 1 Nr. 3), worunter nach herkömmlichem Verständnis bereits die Ernte fallen würde.[7] Schließlich werde ich nicht die vielen unzweckmäßigen Regelungen im KCanG behandeln, wie z.B. die Konsumverbote im öffentlichen Raum oder die teils irrwitzigen Restriktionen für Cannabis-Clubs.[8] Stattdessen soll es um die Strafvorschriften gehen.

II. § 34 KCanG im Überblick

Entgegen der politischen Botschaft einer »Legalisierung« wird der Umgang mit Cannabis immer noch von Straftatbeständen umzingelt. Dank der erheblichen Verschärfungen im parlamentarischen Verfahren übertrifft § 34 mit seinen fünf Absätzen – davon allein 16 Nummern mit z.T. mehreren Varianten in Abs. 1 – vom Umfang sogar § 29 BtMG. Der Strafrahmen des Grundtatbestands ist oben zwar leicht abgesenkt auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe, aber er pönalisiert nicht nur die Überschreitung der Anbau- und Besitzgrenzen (mehr als drei Pflanzen und 60 g Cannabis in der Wohnung oder mehr als 30 g außer Haus, § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2), sondern auch zahlreiche typische Vorbereitungs- und Begleithandlungen wie Herstellung, Extraktion, Einfuhr, Sich-Verschaffen – selbst in geringen Mengen, denn nur bei Erwerb/Entgegennahme setzt die Strafbarkeit erst über 25 bzw. 50 g ein (§ 34 Abs. 1 Nr. 12).[9] In Abs. 3 finden sich besonders schwere Fälle, die mit drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bewehrt sind, darunter als Regelbeispiele die gewerbsmäßige Begehung (Nr. 1) oder der Umgang mit einer »nicht geringen Menge« Cannabis (Nr. 4). Nicht einmal auf Verbrechensqualifikationen verzichtet § 34 KCanG. In Abs. 4 werden zwei bis 15 Jahre Freiheitsstrafe für die gewerbsmäßige Abgabe/Verbrauchsüberlassung an Minderjährige (Nr. 1) sowie bandenmäßiges (Nr. 3) oder bewaffnetes (Nr. 4) Handeltreiben mit nicht geringer Menge angedroht. Das BtMG wird noch weiter nachgeahmt.[10] Insbesondere wird das umstrittene, weil äußerst weit verstandene Handeltreiben[11] übernommen (§ 34 Abs. 1 Nr. 4). Nochmals ausgedehnt ist die Strafbarkeit durch Versuch und Fahrlässigkeit (§ 34 Abs. 2, Abs. 5).[12]

III. Die ›hässliche Seite‹ des KCanG

Wie sind diese Vorschriften rechtsdogmatisch und kriminologisch einzuordnen?

1. Grundsätzliches: Legitimationslücke

Beginnen möchte ich mit einem Aspekt, der sich hier an der Universität Frankfurt geradezu aufdrängt. Das KCanG geht wie selbstverständlich davon aus, dass jeder Verstoß gegen das allgemeine Umgangsverbot (§ 2) ebenso wie die Überschreitung der Erlaubnistatbestände (§ 3) mit Strafe bewehrt sein muss, ohne dass ersichtlich wäre, worin genau der Strafgrund liegen soll, wenn z.B. geringe Mengen unter Erwachsenen abgegeben oder mehr als 30 g Cannabis besessen werden.[13]

Weil Cannabis aus dem BtMG herausgenommen wurde, verbietet sich der Rückgriff auf die §§ 29 ff. BtMG. Angesichts der »geänderten Risikobewertung«[14] würde er in der Sache ohnehin nicht weiterhelfen. Während das BtMG die »Volksgesundheit« vor gefährlichem »Rauschgift« schützen will,[15] sodass bereits jede abstrakte Gefahr der Verbreitung unter Strafe gestellt wird (so die gängige Rechtfertigung dafür, dass selbst der Besitz geringer Mengen Betäubungsmittel zum Eigenkonsum strafbar ist),[16] heißt es in der Begründung zum CanG ausdrücklich: Volljährigen »wird ein verantwortungsvoller Umgang … erleichtert.«[17] Hierzu werden erstmals notwendige Vorbereitungshandlungen erlaubt (§§ 3, 9, 17: Besitz, privater und gemeinschaftlicher Anbau; § 19: Weitergabe/Entgegennahme), deren Strafbarkeit die zuvor bereits nach BtMG theoretisch geltende Straflosigkeit des Konsums praktisch konterkariert hat. Damit unterscheidet sich das KCanG grundlegend vom BtMG, dem ein unausgesprochenes Abstinenz-Paradigma[18] zu Grunde liegt – nur punktuell aufgebrochen durch die nachträgliche Einführung von Elementen der akzeptierenden Drogenhilfe (etwa Drogenkonsumräume, § 10a BtMG oder neuerdings drug-checking-Modellvorhaben, § 10b BtMG). Welches Rechtsgut § 34 dann noch schützen soll, verraten die Materialien jedoch nicht.[19]

2. Kinder- und Jugendschutz?

An vielen anderen Stellen wird betont, dass junge Menschen vor den vom Cannabiskonsum ausgehenden Gefahren geschützt werden sollen.[20]Da Minderjährige nach dem KCanG nicht eigenverantwortlich über diese Form der Selbstschädigung verfügen dürfen (§§ 3 Abs. 1, 2, 16 Abs. 1), wäre ihre ungestörte psychische und physische Entwicklung ein schützenswertes Rechtsgut, aber dieser Aspekt ist allenfalls dort einschlägig, wo es speziell um die Abgabe bzw. Verbrauchsüberlassung an unter 18-Jährige (§ 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1) oder deren Einbindung in den Vertrieb geht (§ 34 Abs. 4 Nr. 2). Diese Varianten unterfallen allerdings nicht dem Grundtatbestand, sondern stellen erschwerte Begehungsweisen dar, die auf das Unrecht des § 34 Abs. 1 aufbauen. Dagegen ergibt es wenig Sinn, Erwachsenen den Besitz größerer Mengen zum Eigenkonsum zu verbieten, damit Jugendliche geschützt werden. Wenn die bloß abstrakte Gefahr, dass Cannabis letztlich irgendwie doch an Minderjährige gelangen könnte, Strafgrund sein sollte, würde es zudem an jeglicher Konsistenz fehlen. Denn wie ließe sich erklären, dass dieses weitreichende Verbot ausschließlich für das nach toxikologischer und gesetzgeberischer Bewertung nicht besonders gefährliche Cannabis gelten soll, während andere – objektiv gefährlichere – Stoffe von Volljährigen und z.T. Minderjährigen besessen werden dürfen (etwa Klebstoffe/Lösungsmittel, Alkohol oder sog. Lachgas) oder ihr Besitz zumindest nicht bestraft wird (neue psychoaktive Stoffe i.S.d. NpSG)? Nicht einmal eine besondere Verbreitungsgefahr ist bei Cannabis ersichtlich, weil es im Gegensatz zu Alkohol und Tabak (jedenfalls auf Grundlage der 1. Säule) nicht im Einzelhandel erworben werden kann und daher schlechter verfügbar sein dürfte.

3. Gesundheitsschutz?

Auch der Rekurs auf den Gesundheitsschutz wirkt nur scheinbar plausibel.[21] Neben dem naheliegenden Einwand eines harten Paternalismus, wenn dem Einzelnen in Bezug auf Cannabis die Entscheidung über seine grundsätzlich disponible körperliche und geistige Unversehrtheit entzogen würde, ist erneut daran zu erinnern, dass der eigenverantwortliche Konsum selbst dann akzeptiert wird, wenn er im Übermaß praktiziert wird und zu Schäden führt. Präventiver Bedarf wäre nur bei darüberhinausgehenden Gefahren ersichtlich, also z.B. bei verunreinigtem Cannabis, aber darauf stellt keine der unzähligen Varianten ab.[22] Im Übrigen wäre das eine Frage des Verbraucherschutzes, die sich an Cannabis-Clubs und nicht Endkonsumierende richten würde.[23]

4. Bekämpfung der Organisierten Kriminalität?

Für den vielfach beschworenen »Kampf gegen die Organisierte Kriminalität«[24] gilt ebenfalls, dass er nur Teile von § 34 trägt, womöglich das banden- oder gewerbsmäßige Handeltreiben (aber nicht zwingend, s. sogleich III. 3. b.). Demgegenüber ist nicht erkennbar, welchen Bezug die zahlreichen konsumbezogenen Tatvarianten zur Organisierten Kriminalität aufweisen. Wenn jemand seinem Nachbarn abends einen Joint weiterreicht (§ 34 Abs. 1 Nr. 8), hat das offensichtlich nicht das Geringste mit »straff organisierter«[25] Drogenkriminalität zu tun. Zudem ist der gesetzesimmanente Widerspruch mit den Händen zu greifen: Indem das KCanG den Verkauf von Cannabis in keiner Form erlaubt, schafft es doch gerade den Schwarzmarkt, den es gleichzeitig bekämpfen will. Dieser Zirkelschluss kann nur durch eine vollständige – regulierte – Freigabe durchbrochen werden!

5. Verwaltungsunrecht?

Ein ahndungswürdiger Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Gebote kann wiederum nur dort erblickt werden, wo es einen staatlich sanktionierten Herstellungs- und Vertriebsweg gibt, also bei Verletzungen der für Anbauvereinigungen geltenden Regularien, die aber wegen ihres geringen Unwerts zu Recht fast ausschließlich Ordnungswidrigkeiten sind (§ 36 Abs. 1 Nr. 7 ff.).

6. Volksgesundheit light

Damit bleibt das Rechtsgut speziell des Grundtatbestands nebulös und es muss ein Kollektivinteresse konstruiert werden, um einen verfassungsrechtlich geforderten legitimen Zweck[26] aus den Motiven herauszudestillieren. Im BtMG sollen die umfassenden Strafvorschriften nach h.M. die menschliche Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Bevölkerung im Ganzen (besonders Jugendlicher) vor den von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren schützen und das soziale Zusammenleben vor schädlichen Auswirkungen bewahren.[27] Schon gegen diese universelle Zielsetzung werden in der Literatur gravierende Bedenken erhoben.[28] Insbesondere Vertreter der Frankfurter Schule bezweifeln die Existenzberechtigung solcher Sammel-Rechtsgüter.[29] Der Rekurs auf vage Allgemeininteressen befördere ein rein symbolisches Gefährdungsstrafrecht, das weder eine konkrete Rechtsgutsverletzung noch eine Zurechnung zum Täter voraussetze.[30]

Wenn es in der Begründung zum KCanG heißt, »Anreize zur Ausweitung des Cannabiskonsums sollen nicht geschaffen werden«,[31] und zur Erläuterung der Strafvorschriften allgemein auf das BtMG verwiesen wird, lässt sich dieses Destillat am ehesten als »Volksgesundheit light«beschreiben. Gemeint ist damit das allgemeine Interesse, den Cannabiskonsum gesamtgesellschaftlich nicht unnötig zu befördern. Nach dieser Lesart sollen die Strafdrohungen – analog zum BtMG, nur etwas weniger streng – abstrakt dazu dienen, die Verbreitung von Cannabis einzudämmen. Der Umgang wird durch die 1. Säule eben (noch) nicht legalisiert, sondern allenfalls teilweise entkriminalisiert.

Über die genannten grundsätzlichen Einwände hinaus provoziert eine solche Zielsetzung erneut den Vorwurf des Paternalismus, weil am Ende mit dem Vehikel des gesellschaftlichen Funktionierens doch wieder der Einzelne vor sich selbst geschützt werden soll – trotz gleichzeitiger Akzeptanz des freiverantwortlichen Konsums. Das KCanG erhebt diffuse Ängste und Mythen zum Schutzgut, obwohl es den befürchteten Dammbruch in anderen Ländern ungeachtet einer teils entgrenzten Kommerzialisierung (etwa in den USA) nicht gegeben hat.[32]

Nach alldem mangelt es den Strafvorschriften in weiten Teilen an hinreichender Legitimation und selbst wenn man über diese Lücke hinweggehen wollte, wäre zu begründen, dass es zur Erreichung des vagen Ziels einer maßvoll Cannabis konsumierenden Gesellschaft keine milderen Mittel geben soll als die schärfste Waffe des Staates – obendrein in einer extensiven (§ 34 Abs. 1, 2, 5) und übermäßigen Form (§ 34 Abs. 3, 4). Bei Cannabis scheint dem Gesetzgeber die Kriminalstrafe immer noch prima und nicht ultima ratio zu sein.

IV. Besonderes: Strafrahmen

Weitere hässliche Seiten des KCanG zeigen sich beim Blick auf die Rechtsfolgen.

1. Grundtatbestand

Die Strafdrohung des § 34 Abs. 1 ist wie gesagt etwas milder als § 29 Abs. 1 BtMG, jedoch immer noch identisch mit § 4 Abs. 1 NpSG, was angesichts der erheblich divergierenden Risiken nicht nachvollziehbar ist.[33] Es macht einen Unterschied, ob gut erforschtes Cannabis, das sogar in Blütenform als Medikament verschrieben werden kann,[34] verbreitet wird oder ein neuer psychoaktiver Stoff mit mindestens unbekannten, potenziell sogar tödlichen Nebenwirkungen.

Ein weiterer Wertungswiderspruch liegt darin, dass das NpSG keine Besitzstrafbarkeit vorsieht, d.h. Erwachsene dürfen straflos ein (oder tausend!) kg hochpotente synthetische Cannabinoide besitzen, aber wer 31 g Cannabis schlechter Qualität mit sich führt, macht sich immer noch strafbar. Ganz zu schweigen von der Diskrepanz zur Regulierung von Alkohol. Für Erwachsene gelten keine Mengengrenzen und schon 14-Jährige dürfen – ggf. öffentlich – Bier/Wein konsumieren, solange eine sorgeberechtigte Person anwesend ist (§ 9 Abs. 2 JuschG).[35] Die Abgabe hochprozentigen Alkohols an Kinder ist lediglich eine Ordnungswidrigkeit (§ 28 Abs. 1 Nr. 10 JuSchG i. V. m. § 9 Abs. 1 JuSchG), wogegen bei Cannabis regelmäßig mindestens drei Monate Freiheitsstrafe drohen (§ 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 3a).

2. (Verdeckte) Verschärfungen

So paradox es klingt, hat selbst die Herausnahme aus dem BtMG potenziell strafschärfende Konsequenzen.[36] Während die §§ 29 ff. BtMG noch andere, weitaus gefährlichere Stoffe wie z.B. Heroin oder Fentanyl erfassen, fallen unter § 34 nur noch Verstöße im Umgang mit Cannabis. Dem bisher bestimmenden Umstand, dass sich letzteres auf der richterrechtlichen Gefährlichkeitsskala des BtMG (Cannabis – Amphetamin – Heroin/Fentanyl/Kokain/Crack) am untersten Ende befindet,[37] kommt also keine Bedeutung mehr zu. Hier drohen gleich in zweierlei Hinsicht versteckte Verschärfungen, die es in sich haben:

Zum einen auf der Ebene der Strafrahmenwahl, wenn bei den Verbrechensqualifikationen über die Anwendung des minder schweren Falls zu entscheiden ist. Nach st. Rspr. ist anhand einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob »das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist.«[38] Dieser Durchschnitt speist sich bei § 34 Abs. 4 ausschließlich aus Cannabisdelikten. Dass sich die Tat nur auf eine »weiche Droge« bezieht, ist dann von vornherein kein Umstand mehr, der eine Abweichung begründen kann. Da genau dieser bislang allein oder in Verbindung mit weiteren Zumessungstatsachen (etwa Geständnis, Sicherstellung, Ersttat) häufig zur Annahme des minder schweren Falls geführt hat,[39] ist zu befürchten, dass jetzt deutlich mehr Angeklagte aus dem Normalstrafrahmen bestraft werden – und der ist mit zwei Jahren Mindeststrafe wesentlich strenger als z.B. der strengste minder schwere Fall im BtMG (§ 30a Abs. 3 BtMG: sechs Monate bis zehn Jahre). Allein die Verhängung des Minimums erlaubt dann noch die Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 Abs. 2 StGB).

Zum anderen kann sich dieser fehlende Milderungsgrund auf Ebene der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten auswirken.[40]Zwar sind die Strafrahmen allesamt etwas niedriger als im BtMG, aber das betrifft bei § 34 Abs. 1 nur das Höchstmaß, das kaum eine Rolle spielt, weil rechtstatsächlich fast alle Strafaussprüche im unteren Drittel verbleiben[41] und die schwerwiegenden Formen fast immer besonders schwere Fälle (etwa § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4) oder Qualifikationen (insbesondere § 34 Abs. 4 Nr. 3, 4) erfüllen werden, bei denen wiederum das erhöhte Mindestmaß Probleme bereitet.

Nicht einmal, ob weiterhin auf die sogar im Vergleich zum legalen Alkohol eher geringe Gefährlichkeit von Cannabis abgestellt werden kann, erscheint zweifelsfrei. Denn dieser Umstand ist vom Gesetzgeber (wenn auch unzureichend) bereits bei der Festlegung der Strafrahmen berücksichtigt worden. Andererseits ließe sich mit Blick auf die mehr als 16 verschiedenen Begehungsformen des § 34 Abs. 1 argumentieren, dass die oberen Bereiche der Skala den wenigen gravierenden Fällen vorbehalten sind, während die geringe Toxizität bei einer allenfalls abstrakten Abgabegefahr (etwa bei Besitz, Einfuhr oder Erwerb zum Eigenkonsum) nach wie vor durchschlägt. In jedem Fall ist gegen eine zurückhaltende Strafzumessung – besonders bei konsumbezogenen Verstößen – nichts einzuwenden.

V. Qualifikationstatbestände

Zuletzt noch zwei Anmerkungen zu den Verbrechensqualifikationen.

1. Die ›nicht geringe Menge‹

Bedauerlicherweise hält der Gesetzgeber im KCanG an der nicht geringen Menge fest (§ 34 Abs. 4 Nr. 3, 4).[42] Gegen dieses Merkmal werden bereits im BtMG zahlreiche Einwände vorgebracht,[43] die das BVerfG im berühmten Cannabis-Beschluss von 1994 jedoch nicht aufgegriffen hat.[44] In Bezug auf Art. 103 II GG walten allgemein großzügige Maßstäbe, indem die Konkretisierung eines für sich genommen zu unbestimmten Merkmals durch eine st. Rspr. genügen soll – verbunden mit einem sog. Präzisierungsgebot an die Gerichte.[45] Aus diesem Grund ist nicht zu erwarten, dass das BVerfG beim KCanG eingreifen wird. Gleichwohl halte ich die »nicht geringe Menge« für zu unbestimmt. Anhand von Wortlaut, System, Historie sowie Sinn und Zweck lässt sich schwerlich zwingend herleiten, ob sie mindestens 100, 1.000 oder 10.000 g beträgt. Und wovon eigentlich? Blüten, Haschisch oder THC? »Cannabis« i.S.d. Gesetzes erfasst all dies und noch mehr (§ 1 Nr. 8). Insoweit hilft auch die im BtMG praktizierte »Methodik«[46] nur bedingt weiter, weil das KCanG eben nur Cannabis betrifft und – anders als zuvor – die Gesundheitsgefährdung durch den Konsum explizit billigt, womit sich die Gefährlichkeitslogik des Betäubungsmittelrechts grundsätzlich nicht verträgt.

Die Unbestimmtheit wird zu regional unterschiedlichen Praktiken und einem Schwebezustand führen, während dessen das Risiko einer Verbrechensstrafbarkeit für Normadressaten unvorhersehbar bleibt. Darüber hinaus bleibt ein staatsorganisationsrechtliches Störgefühl, wenn die Judikative durch ein bewusst ausfüllungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal zum Gesetzgeber gemacht wird. Allgemeingültig über derart schwerwiegende Eingriffe in die persönliche Freiheit der Bürger zu disponieren und die Folgen der »geänderten Risikobewertung« für die strafrahmenrelevante Mengenlehre abzuwägen, ist Aufgabe der Legislative.

Klar ist nur: Weil die (Besitz-)Strafbarkeit erst über 30/60 g beginnt und die Gefährlichkeit von Cannabis neu bewertet wurde, muss der Wert deutlich höher bestimmt werden als die seit 1984 (!) nicht mehr aktualisierten 7,5 g THC.[47] Persönlich bin ich der Meinung: Wenn es überhaupt eine verbrechensbegründende nicht geringe Menge Cannabis geben sollte, dann nicht unter einem Kilogramm – wovon auch immer![48]

2. Bandenmäßiges Handeltreiben mit nicht geringer Menge

§ 34 Abs. 4 Nr. 3 übernimmt schließlich eine weitere aus dem BtMG bekannte Qualifikation. Statt mindestens fünf wie in § 30a Abs. 1 BtMG werden im KCanG ›nur‹ noch zwei Jahre Freiheitsstrafe angedroht, aber auch dieser Verbrechenstatbestand schießt derart weit über das Ziel hinaus, dass er einschränkender Auslegung bedarf. In der Gesetzesbegründung heißt es, »eine Heraufsetzung der Mindeststrafe […] ist dringend erforderlich, denn die bandenmäßige Tatbegehung ist der organisierten Kriminalität zuzurechnen und zeichnet sich durch einen hohen Unrechtsgehalt aus […]. Es ist eines der Ziele des Gesetzesvorhabens, den Schwarzmarkt und die organisierte Kriminalität entschieden zu bekämpfen.«[49] Damit wiederholt der Gesetzgeber einen Fehler, der in der Literatur schon seit den sog. Bekämpfungsgesetzen der 1990er Jahren heftig kritisiert wird: Einerseits soll mit den verschärften Straftatbeständen ausschließlich die Organisierte Kriminalität adressiert werden, andererseits wird zu diesem Zweck ein grobschlächtiges Merkmal ohne jede Trennschärfe verwendet.[50] Denn eine Bande setzt nach h.M. lediglich den Zusammenschluss von mindestens drei Personen zur fortgesetzten Begehung der im Gesetz genannten Taten voraus.[51] Die unreflektierte Gleichsetzung von »Bande« mit »Organisierter Kriminalität« führt zu einer sinnlosen Überkriminalisierung von Deliktsformen, die mit Organisierter Kriminalität nicht das Geringste gemein haben.[52] Insbesondere drohen nach wie vor Konsumierende aus Tatbeständen bestraft zu werden, die eigentlich für die international agierende Drogenmafia gedacht sind. Dazu ein kleines Beispiel:[53]

Fallbeispiel ›Kiffer-WG‹

A, B und C leben in einer WG und beschließen, fortlaufend gemeinsam Cannabis anzubauen (15 Pflanzen, drei Ernten/Jahr). Die Hälfte des jeweiligen Ertrages von ca. 600 g getrockneten Blüten guter Qualität konsumieren sie selbst. Den Rest verkaufen sie für 10 Euro/Gramm im Bekanntenkreis, um mit dem Gewinn die Kosten für die Plantage (insbes. Strom) zu amortisieren. Strafbarkeit nach § 34 IV KCanG?

– »Handeltreiben« = jede eigennützige umsatzbezogene Tätigkeit

– »Bande« = drei oder mehr Personen, die sich zur fortgesetzten Begehung der genannten Taten zusammengeschlossen haben

– »nicht geringe Menge« = ??? (deutlich mehr als 7,5 g THC)

= »bandenmäßiges Handeltreiben in nicht geringer Menge«

Hier könnten sich die Bewohner nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge strafbar gemacht haben. Handeltreiben ist nach st. Rspr. weit auszulegen und erfasst jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern.[54] Hierzu genügt bereits die teilweise Weiterverkaufsabsicht beim Anbauen, um den Eigenbedarf zu finanzieren (sog. Konsumentendealer). Und eine Bande liegt wie gesagt schon dann vor, wenn sich drei Personen zur fortgesetzten Begehung der genannten Taten (hier: Anbauen, Herstellen und Handeltreiben) zusammengeschlossen haben. Auf einschränkende Kriterien (übergeordnetes Bandeninteresse etc.) verzichtet die h.M., sodass auch ein bereits bestehender Zusammenschluss als Wohngemeinschaft nicht entgegensteht. Selbst mit einem engeren Begriff, wie ich ihn zum BtMG vertrete, würden nur reine Anbaugemeinschaften aus der Bande ausscheiden.[55] Wenngleich die neue »nicht geringe Menge« noch nicht beziffert ist, erscheint ihr Erreichen nicht ausgeschlossen, zumal je nach den Umständen des Einzelfalls (etwa gemeinsame Lagerung oder gesammelter Verkauf) mehrere Anbauvorgänge zu einer sog. Bewertungseinheit zusammenzufassen wären.[56] Damit droht der „Kiffer-WG“ tatsächlich eine unbedingte Freiheitsstrafe!

Aus praktischer Sicht mag an dieser Stelle der Einwand naheliegen, dass – wie bei § 30a BtMG üblich – kurzerhand auf den minder schweren Fall ausgewichen wird. Das ist grundsätzlich möglich, setzt aber voraus, dass Konstellationen wie die teilweise handeltreibende Anbaugemeinschaft nicht allzu häufig auftreten – was zu belegen wäre, denn nochmals: Das KCanG erfasst nur noch Cannabisdelinquenz, während bspw. internationale Kokain-Kartelle, mit denen das bandenmäßige Handeltreiben primär assoziiert werden dürfte, weiterhin unter das BtMG fallen und nicht (mehr) als Vergleichsmaßstab herangezogen werden können.

Eine dogmatische Lösung könnte daher beim Vergleichsmaßstab ansetzen. Konkret bietet sich eine Normativierung an, indem der »Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle« anhand der gesetzgeberischen Zielvorstellung gebildet wird (»Organisierte Kriminalität«).[57] Mir ist bewusst, dass die Rspr. den sog. normativen Normalfall als Orientierungspunkt für die konkrete Strafzumessung aus guten Gründen ablehnt.[58]Diese Einwände lassen sich allerdings schon deshalb nicht auf die Ebene der Strafrahmenwahl übertragen, weil sich der BGH hier bereits eines theoretischen und – seiner Bezeichnung zum Trotz – gerade nicht empirischen Bezugspunkts bedient, der einer teleologischen Normativierung ohne weiteres zugänglich ist. Auf diese Weise könnten Sachverhalte, die nicht dem typischen Bild von Organisierter Kriminalität entsprechen und gar nicht erst vom Qualifikationstatbestand erfasst sein sollten, zumindest aus dem milderen Ausnahmestrafrahmen bestraft werden.

VI. Abschließende Bewertung

Auch wenn ich mich dem Titel folgend auf die »hässliche Seite« konzentriert habe, ist das CanG als erster wichtiger Schritt zu einer evidenzbasierten Drogenpolitik zu begrüßen.[59] Die Bedeutung der Reform sollte angesichts des hartnäckigen Widerstands nicht unterschätzt werden. Dennoch ist der neue Ansatz aus wissenschaftlicher Sicht unnötig restriktiv und in sich widersprüchlich. Das birgt verschiedene Gefahren.

Zunächst dürfte ein beträchtlicher Schwarzmarkt verbleiben – mit all seinen negativen Begleiterscheinungen. Zwar werden sicherlich Teile der Konsumierenden die legalen Versorgungswege nutzen. Hanffreunde, die fähig und willens sind, die detaillierten Vorgaben für Anbauvereinigungen einzuhalten und sich der strengen behördlichen Überwachung inkl. jahrelanger Speicherung der bezogenen Mengen auszusetzen, werden in Clubs ihr Bio-Cannabis züchten – mit Satzung, Kassenwart und Mitgliederversammlung. Ebenso wird es zahlreiche Hobby-Gärtner geben, die mit Hingabe ihre drei Pflänzchen pflegen. Der Rest – vor allem Gelegenheitskonsumierende oder die so. typische Klientel des BtMG – wird dagegen weiterhin auf dem Schwarzmarkt kaufen und verkaufen. Dort könnte auf den unteren Ebenen womöglich von den 25 g erlaubten Besitzes profitiert werden, weil ein Handel nicht immer nachweisbar und Erwerb bis zu dieser Grenze bewusst nicht unter Strafe gestellt ist. Dass der eine oder andere ›Klein-Dealer‹ davonkommt, dürfte eher zu verschmerzen sein als der umgekehrte Befund, dass durch die Besitzstrafbarkeit Konsumierende verdeckt als Händler bestraft werden.[60]

Angesichts der Fülle an Strafvorschriften ist zu befürchten, dass es weiterhin zahlreiche Cannabis-Verfahren geben wird, die wiederum eine unnötige Belastung der Justizressourcen mit sich bringen. Unnötig, weil nach wie vor ohne hinreichenden Grund viele konsumbezogene Verhaltensweisen unter Strafe stehen und die extensiven Tatbestände zu solchen Ermittlungen geradezu einladen. Das lehrt jedenfalls die Erfahrung aus dem BtMG, das gerade einmal in ca. 20 % der Fälle Händler betrifft.[61]

Die ausufernde Strafbarkeit bringt noch einen weiteren unschönen Aspekt mit sich, nämlich die eingangs bereits erwähnte dunkle Wirklichkeit, hier in Form der sog. Selektivität der Strafrechtspflege. Schon die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vollzieht sich nicht nur nach rechtlichen, sondern auch sozialen, demografischen und ethnischen Kriterien.[62] Besonders die massenhaft zu erwartenden Verstöße gegen Besitz- und Anbaugrenzen sowie Abgabe- und Überlassungsverbote sind sog. opferlose Kontrolldelikte, deren Aufdeckung ebenso vom Einsatz polizeilicher Ressourcen (wer und wo wird kontrolliert?) wie Anzeigeverhalten der Bevölkerung abhängt, worin ein erhebliches Diskriminierungspotenzial schlummert. Das Sanktionsrisiko wird also regional und sozial sehr unterschiedlich ausfallen – Bayerns »Cannabis-SEK« lässt grüßen.[63] Bevor ich jedoch mit einem derart deprimierenden Befund abschließe, möchte ich lieber über Verbesserungsvorschläge sprechen.

VII. Schönheitskur

Die Lösung ist erstaunlich einfach und führt zurück zum Vortragstitel: »Her mit der 2. Säule!« Ohne sie handelt es sich bei der ursprünglich groß angekündigten Legalisierung bloß um eine unvollkommene Entkriminalisierung, die viele Probleme der Prohibition verlängert. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass nur ein niedrigschwelliger legaler Zugang den Schwarzmarkt nennenswert schrumpfen lässt und der Organisierten Drogenkriminalität ihr Betätigungsfeld nimmt.[64] Derartige Auswüchse existieren allein wegen der Verbotspolitik, während von illegalen Bierbrauer-Banden oder einer Wein-Mafia nichts bekannt ist. Ferner mindert ein legaler Markt auch für Konsumierende die Anreize, gegen das KCanG zu verstoßen, jedenfalls solange er wettbewerbsfähig ist. Entscheidend ist, dass Preis, Auswahl, Verfügbarkeit und Qualität mit dem illegalen Marktführer mithalten können.[65] Aus kriminologischer Perspektive dringend indiziert ist also die kurzfristige Einführung des seit April 2023 angekündigten »kontrollierten Vertriebs in Modellprojekten«,[66] die den Weg zu einem vollständig regulierten Markt für Cannabis zu Genusszwecken bereiten.

Mittelfristig wäre aus strafrechtsdogmatischer Sicht eine Reform des KCanG zu wünschen, nicht nur, um die o. g. Legitimationslücken, Friktionen und Überkriminalisierungen abzubauen, sondern auch, um die vielen handwerklichen Fehler zu beheben. Konkrete Vorschläge für eine globale Liberalisierung wurden im Gesetzgebungsverfahren bereits unterbreitet, aber fast vollständig ignoriert.[67] Die Chancen dürften daher schlecht stehen, wenngleich die Hoffnung erlaubt ist, dass die überfällige Lockerung der internationalen Verträge und des Europarechts, für die sich die Bundesregierung einsetzen möchte, im Anschluss die nationale Politik ermutigt, bei der Drogenregulierung weniger Strafrecht zu wagen.

Langfristig träume ich von einem echten Paradigmenwechsel, sprich einer umfassenden Reform des BtMG. Zur ganzen Wahrheit gehört nämlich, dass die Motive für das CanG ebenso für alle anderen Betäubungsmittel gelten. Das bezieht sich sowohl auf die normativen Argumente, eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung/-schädigung nicht mit Kriminalstrafe zu belegen, als auch auf die empirischen Befunde, wonach das Strafrecht die Probleme durch Drogengebrauch keinesfalls mindert, sondern sie verschärft und viele weitere erst erschafft (etwa den Markt für immer neue und womöglich gefährlichere synthetische Cannabinoide und andere Legal Highs).[68] Auch wenn die Wissenschaft Verständnis aufbringen muss, dass sich tiefgreifende politische Veränderungen stets in kleinen Schritten vollziehen, verengt sich die Diskussion bisher zu Unrecht auf den Umgang mit Cannabis. Immerhin bewegt sich nach Jahrzehnten des drogenpolitischen Stillstands überhaupt etwas – und die Richtung stimmt!

[1]  Verf. ist Habilitand an der Universität Mainz und daneben Rechtsanwalt in Wiesbaden. Es handelt sich um eine aktualisierte, überarbeitete und mit Literaturnachweisen versehene Fassung des Vortrags vom 16.02.2024 auf dem 2. Symposium zum Betäubungs- und Arzneimittelstrafrecht an der Goethe-Universität Frankfurt (Erstabdruck in StV 2024, 471). Der Stil wurde weitgehend beibehalten.

[2] Näher dazu Oğlakcıoğlu/Sobota/Diebel Toxichem Krimtech 2024, 32 ff.

[3] Grundlegend Haffke ZStW 1995, 761; rechtsphilosophisch Köhler ZStW 1992, 3; pointiert Nestler ZStW 2017, 467.

[4] MüKo-BtMG/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl. 2022, vor § 1 Rn. 7 m. Verweis u. a. auf das Fazit der Global Commission on Drug Policy aus dem Jahr 2011.

[5] Kölbel NK 2019, 249.

[6] §§ ohne Bezeichnung beziehen sich im Folgenden auf das KCanG, das seit dem 01.04.2024 größtenteils in Kraft ist.

[7] Näher und m.w.N. Oğlakcıoğlu/Sobota ZRP 2023, 194 (195); Lösungsvorschlag bei Sobota NJW 2024,  1217 (1218 f.).

[8] Dazu Pollähne, Stellungnahme des RAV, https://kripoz.de/wp-content/uploads/2023/11/20_14_0154-35-_Republikanischer-Anwaeltinnen-und-Anwaelteverein-e-V-_Cannabis_nicht-barrierefrei-data.pdf; Oğlakcıoğlu/Sobota ZRP 2023, 194 (196).

[9] Zusammen mit § 35a (Opportunitätseinstellung, wenn mit geringer Menge zum Eigenkonsum umgegangen wird) ergeben sich Friktionen, die womöglich eine gespaltene Auslegung der »geringen Menge« notwendig machen (dazu Sobota NJW 2024, 1219). Die nachträglich geschaffene OWi-Gleitzone beim Besitz (§ 36 Abs. 1 Nr. 1: 25-30 bzw. 50-60 g) dürfte die Sache zusätzlich verkomplizieren.

[10] Oğlakcıoğlu/Sobota ZRP 2023, 194 (196).

[11] Zur Kritik MüKo-BtMG/Oğlakcıoğlu (Fn. 3), § 29 Rn. 321 ff. m.w.N.

[12] Hinzu kommt ein Ordnungswidrigkeitentatbestand mit 37 (!) Nummern (insbesondere Verstoß gegen die Konsumverbote, § 36 Abs. 1 Nr. 4), dessen Rahmen bis zu 10.000,- oder sogar 30.000,- Euro Geldbuße beträgt. Erste Kataloge sehen bspw. 500,- Euro für einen Verstoß gegen § 5 Abs. 2 vor, s. BayMBl. 2024 Nr. 152.

[13] Ausgespart wird im Folgenden, ob und inwieweit völker- und europarechtliche Verpflichtungen (Suchtstoffübereinkommen, EU-Richtlinien) zu der weitreichenden Pönalisierung im KCanG zwingen (s. zur Vereinbarkeit der 1. Säule die Ausarbeitung des Wiss. Dienst BT, Az. EU 6 024/23 v. 16.6.2023, https://www.bundestag.de/analysen), weil diese kein Rechtsgut ersetzen und der Bestrafung von rein konsumbezogenen Handlungen – insbesondere in Ansehung der deutschen Protokollerklärung zum Übereinkommen von 1988 – der nationale Verfassungsvorbehalt entgegenstünde (s. Sondervotum Sommer zu BVerfGE 90, 145 [221 f.]; eingehend Krumdiek, Die national- und internationalrechtliche Grundlage der Cannabisprohibition in Deutschland, 2006, S. 207 ff.; a. A. Weber/Kornprobst/Maier-BtMG, 6. Aufl. 2021, Einl. Rn. 209).

[14] RegE CanG, BT-Drs. 20/8704, S. 68 f., 93, 108, 130, 132.

[15] Stellvertretend für die h.M. etwa Patzak/Volkmer/Fabricius-BtMG, 10. Aufl. 2022, § 29 Rn. 206 ff. m.w.N.

[16] BVerfGE 90, 145 (186) = StV 1994, 295 (300); Patzak/Volkmer/Fabricius-BtMG (Fn. 14), § 29 Rn. 208, 993.

[17] RegE CanG, BT-Drs. 20/8704, S. 68.

[18] Böllinger KJ 1991, 393 (396).

[19] RegE CanG, BT-Drs. 20/8704, S. 130 ff.

[20] Allein der Begriff »Jugendschutz« taucht 64-mal im RegE auf, s. insbesondere BT-Drs. 20/8704, S. 68 ff.

[21] Etwa in Bezug auf § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, bei dem wegen der geringen Gefährlichkeit von Cannabis aber fraglich erscheint, wie er jemals verwirklicht werden soll.

[22] Anders dagegen § 42 Abs. 1 Nr. 5 CannKG-E von 2018 (BT-Drs. 19/819, S. 23).

[23] Vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 14.

[24] Krit. zum Vokabular Scheffler FS Schwind, 2006, S. 123 (125 f.); Hettinger NJW 1996, 2263 f.

[25] So etwa BT-Drs. 8/3291, S. 5 zur Zielsetzung des BtMG. Ähnlich zuvor bereits BT-Drs. VI/1877, S. 5.

[26] Roxin FS Hassemer, 2010, S. 573 (577) weist darauf hin, dass das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit einer Strafnorm noch nie von einer »Rechtsgutsverletzung« abhängig gemacht hat, sondern im Rahmen der (verschärften) Verhältnismäßigkeitsprüfung beliebige »legitime Zwecke« genügen lässt.

[27] BVerfGE 90, 145 (174) = StV 1994, 295 (296); BT-Dr 8/3551, S. 23 f.

[28] Böllinger KJ 1991, 393 (402 ff.); Köhler ZStW 1992, 3 (28 ff.); Nestler-Tremel StV 1992, 273 (275 ff.); Hassemer ZRP 1992, 378 (380 f.); Zaczyk StV 1992, 377 (378); Böllinger KJ 1994, 405 (409 f.); Kreuzer FS Miyazawa, 1995, S. 177 (184 ff.); Haffke ZStW 1995, 761 (781 ff.); Lang, Betäubungsmittelstrafrecht – dogmatische Inkonsistenzen und Verfassungsfriktionen, 2011, S. 55 ff.

[29] Zu ihrem Standpunkt (personale Rechtsgutslehre) NK-StGB/Neumann/Saliger, 6. Aufl. 2023, Vor § 1 Rn. 131 ff.

[30] Hassemer NStZ 1989, 553 (557); Hassemer ZRP 1992, 378 (381); Böllinger KJ 1991, 393 (405 f.).

[31] RegE CanG, BT-Drs. 20/8704, S. 69.

[32] Zu den USA Meta-Gutachten »Auswirkungen der Legalisierung von Cannabis«, S. 78 ff., https://www.bundesgesundheitsministerium.de; zu Kanada amtlicher Cannabis Survey, https://health-infobase.canada.ca/cannabis/.

[33] So bereits Oğlakcıoğlu/Sobota ZRP 2023,
194 (196).

[34] Zu medizinischem Cannabis Diebel Das MedCanG im Schatten der Legalisierung – Arzneimittelregulierung oder doch »BtMG light«?, in diesem Heft.

[35] Was mindestens inkonsistent, wenn nicht gar willkürlich wirkt, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig der Konsum von Cannabis in Anwesenheit eines 17-Jährigen oder in Sichtweite eines Spielplatzes (auch nachts!) eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

[36] Was jedoch weniger an der Herausnahme
liegt als an den überhöten Strafrahmen
des § 34.

[37] BGH StV 2017, 295 m.w.N.; MüKo-BtMG/Oğlakcıoğlu (Fn. 3), § 29 Rn. 573.

[38] BGH, Urt. v. 21.6.2012 – 4 StR 77/12; BGH, Urt. v. 24.06.1998 – 5 StR 258/98 jeweils m.w.N.

[39] BGH NStZ-RR 2019, 185; MüKo-BtMG/Oğlakcıoğlu (Fn. 3), § 29 Rn. 573 jeweils m.w.N.

[40] Um fortan innerhalb des § 34 differenzieren zu können, ist absehbar, dass die Rspr. zum Wirkstoffgehalt als bestimmender Strafzumessungserwägung fortgeführt wird (BGH StV 2023, 450; MüKo-BtMG/Oğlakcıoğlu [Fn. 3], § 29 Rn. 584), was aber fragwürdig wäre, weil der THC-Gehalt im gesamten KCanG – außerhalb der Anbauvereinigungen – keine Rolle mehr spielt und Erwachsenen der Umgang auch mit Cannabisprodukten höchster Reinheit erlaubt ist.

[41] Eingehend und mit empirischen Befunden
Kaspar, Gutachten C zum 72. Deutschen
Juristentag 2018, S. 16 ff.

[42] Daneben fungiert sie als Regelbeispiel in
§ 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4.

[43] Lang (Fn. 28), S. 240 ff. m.w.N.

[44] Das BVerfG hat keine eigenständige Prüfung am Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG vorgenommen, sondern sich nur unter Verhältnismäßigkeitsaspekten mit der »nicht geringen Menge« befasst. Die Bestimmung durch die Rspr. wird jedoch nicht beanstandet mit dem Hinweis, dass sie änderbar sei und ggf. »verfassungskonform« zu erfolgen habe, BVerfGE 90, 145 (192) = StV 1994, 295 (301).

[45] Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, 2005, S. 432 m.w.N. Kritik etwa bei MüKo-StGB/Schmitz, 4. Aufl. 2020, StGB § 1 Rn. 57 ff. m.w.N.

[46] Abzustellen ist vorrangig auf »äußerst gefährliche Dosis«, hilfsweise »übliche Konsumeinheit«; Bewertung der Gefährlichkeit vor allem durch Vergleich zu »ähnlichen Substanzen«, s. BGH, Urt. v. 02.11.2010 – 1 StR 579/09 = StRR 2011, 109.

[47] So ausdrücklich RegE CanG, BT-Drs. 20/8704,
S. 132, 148.

[48] Näher Sobota NJW 2024, 1217 (1218 f.).

[49] Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses, BT-Drs. 20/10426, S. 136.

[50] Erb NStZ 1998, 537 (538).

[51] BGHSt 46, 321 = StV 2001, 399; BGH StV 2001, 407.

[52] Hassemer KJ 1992, 64 (66); Erb NStZ 2001, 561 (562); Sobota NStZ 2013, 509 (511).

[53] Ein Dank gilt an dieser Stelle @Homegrow_Pro, der das Fallbeispiel akribisch auf Plausibilität geprüft hat.

[54] BGHSt 6, 246; BGHSt 50, 252 = StV 2006, 634; BGH NStZ 2021, 53; zum Ganzen MüKo-BtMG/Oğlakcıoğlu (Fn. 3), § 29 Rn. 224 ff. m.w.N.

[55] Sobota NStZ 2013, 509 (511 ff.).

[56] Patzak/Volkmer/Fabricius-BtMG (Fn. 14), § 29 Rn. 474, 489; MüKo-BtMG/Oğlakcıoğlu (Fn. 4), § 29 Rn. 455.

[57] Etwa analog der vom BKA seit 1990 genutzten Arbeitsdefinition, s. BKA, Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2022, S. 12.

[58] BGHSt 34, 345 (351 f.); s. dazu NK-StGB/Streng (Fn. 28), § 46 Rn. 140 f., 177 ff.; Sch/Sch-StGB /Kinzig, 30. Aufl. 2019, § 46 Rn. 59; MüKo-StGB/Maier, 4. Aufl. 2020, § 46 Rn. 535 jeweils m.w.N.

[59] So bereits Oğlakcıoğlu/Sobota ZRP 2023,
194 (195).

[60] Schallert/Sobota StV 2013, 724 (726).

[61] 264.948 von 340.677 Verfahren (= 78 %) im Jahr 2022 waren konsumnah, s. BKA, Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2022, S. 2, 5, 21.

[62] Näher und m.w.N. Kölbel NK 2019, 249 (257 ff.).

[63] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/cannabis-legalisierung-gesetz-bundesrat-holetschek-zentrale-kontrolleinheit-bayern-csu/.

[64] S. dazu Meta-Gutachten (Fn. 34), S. 81 (zu den USA); zu Kanada die offizielle Mitteilung des Canadian Centre on Substance Use and Addiction, https://www.ccsa.ca/cannabis-legalization-legal-access-and-illegal-market.

[65] Anders als § 19 Abs. 4 S. 2 suggeriert, gehört dazu unbedingt ein Versandhandel – den gibt es im Darknet nämlich längst…

[66] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/eckpunkte-cannabis-12-04-23.html.

[67] Oğlakcıoğlu/Sobota/Diebel Toxichem
Krimtech 2024, 32 (37 ff.).

[68] Dazu Sobota/Klose/Reinold StV 2023, 282.

DROGEN|RECHT | Heft 0 | Januar 2025  | KCanG | Autor*in: Dr. Sebastian Sobota