Arzneimittelregulierung oder doch BtMG light?
Dr. Justine Diesel
Der medizinische Gebrauch von Cannabis hat sich als therapeutische Option, insbesondere für chronisch kranke Patient*innen, etabliert. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis (CanG) sollen künftig auch die Rahmenbedingungen für die medizinische Anwendung von Cannabis reformiert werden. Zunächst setzt Art. 3 Nr. 5 CanG die geplante Herausnahme von Cannabis aus dem BtMG um. Medizinalcannabis unterliegt damit ausschließlich dem Arzneimittelrecht. Nach Art. 2 CanG wird Medizinalcannabis zudem durch das Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (MedCanG-E) reguliert, mithin erstmals in einen eigenständigen Regelungskatalog überführt und so von Konsumcannabis abgegrenzt. Während sich die Regulatorik von Arzneimitteln, die keine Betäubungsmittel sind, im Wesentlichen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) richtet, geht der Beitrag der Frage nach, ob in Anbetracht zahlreicher Sonderbestimmungen das MedCanG genutzt wurde, um eine Annäherung an eine Arzneimittelregulierung zu erzielen und bestehende Herausforderungen aufzuarbeiten.
I. Einleitung
Nahezu gänzlich im Schatten der »Legalisierung« hat sich die Reform zum Umgang mit Medizinalcannabis bewegt. Diese eher stiefmütterliche Aufmerksamkeit hat sich bereits im Koalitionsvertrag »Mehr Fortschritt wagen«[1] abgezeichnet. Unter dem Stichpunkt Drogenpolitik wurde seinerzeit ausschließlich der Umgang mit Konsumcannabis thematisiert sowie Rahmenbedingungen und Modi hierfür umrissen.[2] Die im Gesetzgebungsverfahren irgendwie geartete Einpreisung von Medizinalcannabis in grundlegende Änderungen der Regulatorik von Konsumcannabis ist tatsächlich und rechtlich keinesfalls implizit. So bestehen zwischen Genuss- und Arzneimitteln faktische sowie normative Unterschiede. Bei Bestimmungen des AMG geht es vor allem darum, Vertriebswege und deren Einhaltung sicherzustellen und Sorge zu tragen, potentiell von Arzneimitteln ausgehende Gefahren durch bestmögliche Qualitätssicherung zu minimieren. Hierdurch soll eine möglichst sichere Verbreitung gewährleistet werden, wohingegen das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Konsumcannabis andere Zielsetzungen verfolgt.[3] Hierfür enthält es zahlreiche Einschränkungen (etwa zulässige Besitzmengen) und auch die Weitergabe und Verbreitung von Konsumcannabis soll begrenzt werden.[4] Eine Gleichschaltung von Genuss- und Arzneimitteln innerhalb der Reform wird allenfalls der Umstand gerecht, dass damals wie heute in Teilen der Gesellschaft ein Unverständnis oder Unglauben der therapeutischen Verwendung von Medizinalcannabis besteht.
Die Risiken und Nebenwirkungen einer unzureichenden Unterscheidung zwischen Genuss- und Arzneimittel bestehen im Tatsächlichen vor allem darin, dass das therapeutische Potential von Cannabis Gefahr läuft, unterschätzt zu werden. Hand in Hand einher gehen die zurückhaltende bis fehlende Akzeptanz und mangelnde Bereitschaft breit angelegter Studien und Forschungsvorhaben. Auch in der Judikatur hat sich ein grundlegender Argwohn eingeschlichen, vor allem wenn es darum ging, dass Beschuldigte Cannabis zur Selbsttherapie unerlaubt erworben oder angebaut haben. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einen Beitrag von Prof. Kudlich zu einer Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis zur Schmerzlinderung, dessen Überschrift das Dilemma nicht besser hätte auf den Punkt bringen können. Sie lautete »Das Zeug ist nur zur Schmerztherapie…mhh, na klar!«[5]
In rechtlicher Hinsicht steht zu befürchten, dass gesetzgeberisch ausgemachte Risiken von Konsumcannabis und die hierauf zugeschnittene drogenpolitische Zielsetzungen in arzneimittelrechtliche Bestimmungen transferiert werden und sich das Stigma das BtMG in neuem Gewand fortsetzt. Ein solches Vorgehen wäre nicht nur holzschnittartig, sondern würde einfachgesetzlich und grundrechtliche Wertentscheidungen auf den Kopf stellen. Strafbewehrte Regelungen zum Umgang mit Konsumcannabis sind Ausdruck einer Risikobewertung, bei welcher dem Gesetzgeber bis zur Grenze des Übermaßverbotes weitgehender Frei- raum zugestanden wird. In der Konsequenz war bislang der Umgang mit Cannabis zu Genussmittelzwecken nicht erlaubnisfähig und konsumvorbereitendes Verhalten stets strafbar. Anders verhält es sich dagegen bei der Strafbarkeit des Umgangs mit Arzneimitteln. Einen »Patientenschutz vor sich selbst« ist dem AMG fremd. Anderen Maßstäben müssen zudem Beschränkungen der medizinischen Versorgung mit Cannabis gerecht werden, was auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts veranschaulicht. Während das Bundesverfassungsgericht im sog. »Cannabisbeschluss«[6] dem Recht auf Rausch i.S.d. Art. 2 Abs. 1 GG eine Absage erteilt hat, sind medizinische Zugangsbeschränkungen am grundrechtlichen Wertehorizont von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG zu messen. Aufsehenerregend war in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2005, wonach die Erlaubniserteilung nach § 3 Abs. 2 BtMG für den Erwerb von Cannabis zur Behandlung einer MS-Erkrankung im öffentlichen Interesse liegen und damit erlaubnisfähig sein kann.[7] Etwas mehr als ein Jahrzehnt später entschied es zudem, dass der Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken ebenfalls erlaubnisfähig und die Ausübung des behördlichen Ermessens bei Erteilung einer Anbaugenehmigung wegen des von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geforderten Schutzes der körperlichen Unversehrtheit rechtlich zwingend zu Gunsten der Erlaubniserteilung vorgezeichnet sein kann.[8]
II. Aktuelle Regulatorik von Medizinalcannabis
Die Regulatorik zu Medizinalcannabis hat sich hieran anknüpfend bereits vor sieben Jahren deutlich von derer zu Konsumcannabis unterschieden. Sie war lange Zeit ideologisch motiviert, hat sich aber mit dem »Cannabis als Medizin Gesetz«[9] vom 6. März 2017[10] grundlegend geändert. Danach sind Cannabisblüten aus einem den Vorgaben der Art. 23 und 28 Abs. 1 ÜK 1961 entsprechenden staatlich kontrollierten Anbau sowie Zubereitungen nach Maßgabe von § 13 BtMG verschreibungsfähig geworden. Die hierfür eingerichtete Cannabisagentur[11] ist dabei als Pharmazeutisches Unternehmen und Großhändler tätig -sozusagen Dealer-, der Anbau erfolgt durch private Unternehmen, die über ein europaweites Ausschreibungsverfahren von der Cannabisagentur beauftragt wurden.[12] Für gesetzlich versicherte Patient*innen wurde in diesem Zuge ein Versorgungsanspruch nach § 31 Abs. 6 SGB V geschaffen. Ziel dieser Reform war, die ausreichende und standardisierte Versorgung von Patient*innen sicherzustellen.[13]Schwerkranke Menschen müssten bestmöglich versorgt werden und die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für die Therapie übernehmen. Da Medizinalcannabis bereits Teil des legalen Arznei- und Betäubungsmittelverkehrs ist, war damit zu rechnen, dass mit der geänderten Risikobewertung und Abschaffung des Betäubungsmittelstatus Restriktionen abgebaut und das Augenmerk auf die vorhandenen praktischen Schwierigkeiten innerhalb der bloßen Arzneimittelregulierung gelegt wird. Diese sind für eine sachgerechtere Regulierung richtungsweisend und führen sozusagen »aus sich selbst heraus« an den Arbeitstitel des Vortrags heran: Hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des MedCanG aktuelle Schieflagen aufgegriffen, um eine verbesserte und erleichterte Arzneimittelregulierung zu erzielen oder doch den Schwerpunkt auf eine eigene, ggf. abgeschwächte Betäubungsmittelregulierung gelegt?
1. Pharmazeutische Anbauer, Hersteller und Händler
Während Medizinalcannabis Betäubungsmittel i.S.d. Anlage III des BtMG ist, bereitet die arzneimittelrechtliche Einordnung wesentlich von dessen Verarbeitungsstadium abhängt und Schwierigkeiten, da die Klassifizierung durch die Arzneimittelüberwachungsbehörden der Länder nicht harmonisiert ist.
Das AMG legt nicht fest, ab welchem Herstellungsschritt von einem Arzneimittel auszugehen ist, sodass es hierbei auf den Einzelfall ankommt. Cannabisblüten werden daher seit 2017 verschiedenartig, etwa als pflanzlicher Wirkstoff für Rezepturarzneimittel, andernorts als pflanzliches Arzneimittel oder als Fertigarzneimittel eingestuft.[14] Die uneinheitliche Einordnung führt zu Rechtsunsicherheiten, da je nach Einstufung unterschiedliche rechtliche arzneimittelrechtliche Rahmenbedingungen für das Inverkehrbringen von Cannabisblüten einhalten müssen.[15]
2 Ärzt*innen
Die Verschreibung als Phytopharmakon erfolgt stets »off-label«[16], da Cannabisblüten für keine Indikation zugelassen sind. Indes gilt die Wirkung cannabisbasierter Medikamente als gesichert für Indikationen, wo bereits cannabisbasierte Präparate zugelassen sind (etwa bei Multiple Sklerose oder chemotherapiebedingte Übelkeit).[17] Cannabis darf nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 BtMG verschrieben, verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden, wenn die Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist. Das Gesetz formuliert dabei eine Ultima-Ratio-Regel, wonach der beabsichtigte Behandlungserfolg auf andere Weise nicht erreicht werden darf. Für eine den Anforderungen des § 13 BtMG genügende Verschreibung haben Ärzt*innen die jeweils zur Auswahl stehenden therapeutischen Methoden miteinander zu vergleichen und dabei mit nicht unerheblichem Aufwand Vorteile, Risiken, Belastungen und Effektivität der zur Verfügung stehenden Maßnahmen abzuwägen. Spiegelbildlich hierzu sind unbegründete Verschreibungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) BtMG strafbewehrt. Für Ärzt*innen besteht nicht zu unterschätzender bürokratischer Aufwand und empirische Unklarheiten in der Verordnungspraxis, zudem stößt die medizinische Verwendung von Cannabis als zugleich am meisten konsumierte illegale Droge[18] teilweise gänzlich auf Ablehnung.
III. Patient*innen
Für Patient*innen bestehen ebenfalls hohe gesetzliche Hürden im Genehmigungsverfahren mit den gesetzlichen Krankenkassen, ggf. in Verbindung mit den Begutachtungsverfahren durch den Medizinischen Dienst[19] (MD). Der Versorgungsanspruch ist restriktiv formuliert und steht bei der ersten Verordnung unter einem Genehmigungsvorbehalt. Entscheidungskriterien, die zur Zustimmung oder Ablehnung eines Genehmigungsantrags führen, sind dabei in den Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) festgehalten. Gemäß § 4a AM-RL sollen Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon[20] haben. Näheres regeln die §§ 44, 45 AM-RL.[21] Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) führt das Procedere derzeit zu langen Wartezeiten für Patient*innen von mindestens fünf Wochen sowie monatelangen Widerspruchsverfahren, etwaige Ablehnungsquoten liegen bei ca. 30 bis 40%.[22] Mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungsgesetz und Versorgungsgesetz (ALBVVG)[23] sind insoweit Änderungen in § 31 Abs. 6 und 7 SGB V eingeführt worden, die u.a. Entscheidungs- und Stellungnahmefristen der gesetzlichen Krankenversicherung und des MD verkürzen sollen. Von großer Bedeutung ist das sich hierdurch ergebende Strafbarkeitsrisiko von Cannabispatient*innen, die mangels Kostenübernahme versucht haben, ihren Bedarf durch Eigenanbau oder Erwerb auf dem Schwarzmarkt sicherzustellen. Jüngst hatte das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden, ob der unerlaubte Umgang mit Cannabis zur Abwendung schwerer Gesundheitsgefahren nach der Gesetzesänderung im Jahr 2017 über § 34 StGB gerechtfertigt sein kann.[24] Ausweislich des Leitsatzes erblickt das OLG Hamm in den §§ 13 BtMG, 31 Abs. 6 SGB V eine abschließende gesetzgeberische Wertentscheidung für den zulässigen Umgang mit Cannabisprodukten, weshalb Betroffene, die sich auf § 34 StGB berufen wollen gehalten sind, alle legalen Versorgungswege zunächst (erfolglos) zu beschreiten.[25]
IV. Das MedCanG
Nach den Gesetzesunterlagen sollen keine Alternativen zum vorliegenden Entwurf des MedCanG bestanden haben, denn bloß verwaltungsrechtliche Vorgaben zu einem medizinischen Eigenanbau könnten weder den arznei- noch apothekenrechtlichen Vorgaben und auch den tatsächlichen Gesundheitsgefahren von Patient*innen Rechnung tragen.[26] Da wäre auch noch das internationale Recht, welches die Marschroute für die künftige Regulatorik vorzeichnet. Auch nach Inkrafttreten bleibt Deutschland Vertragsstaat der fundamentalen Suchtstoffübereinkommen (ÜK 1961, 1971 und 1988). Während die völkerrechtlichen Regelungen jedoch in Ansehung getroffen wurden, die medizinische und wissenschaftliche Verwendung von der Totalprohibition auszunehmen, lässt sich hier wegen der Einzelheiten und Reichweite trefflich streiten. Das ÜK 1961 will den therapeutischen Einsatz von Suchtstoffen nicht verhindern, vielmehr ist schon nach der Präambel die medizinische Verwendung von Suchtstoffen zur Linderung von Schmerzen und Leiden unerlässlich. Die Vorbehalte der Übereinkommen stellen nur Rahmenbedingungen auf und gestehen dem Gesetzgeber für diese Zwecke weitreichende Spielräume zu. Grund für die gesonderte Regulierung waren demnach der Doppelstatus und die internationalen Verpflichtungen, insbesondere des ÜK 1961, wonach die Vertragsstaaten i.S.d. Art. 4 ÜK 1961 an die Schaffung »aller erforderlichen Gesetzgebungs- und Verwaltungsvorgaben« gehalten sind und dabei die Herstellung, Verteilung und Verwendung auf medizinische und wissenschaftliche Zwecke beschränken sollen.
1. Anwendungsbereich und Gesetzesstruktur
Nach §§ 1, 2 Nr. 1, Nr. 2 MedCanG ist das Gesetz anzuwenden auf Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken und erfasst Pflanzen, Blüten oder Blütenteile sowie Delta 9 THC, Dronabinol und Zubereitungen aller Stoffe. Pflanzen, Blüten und ihre Teile werden erfasst, wenn sie aus einem Anbau, der zu medizinischen Zwecken unter Kontrolle der Art. 23, 28 ÜK 1961 stammen. Für wissenschaftliche Zwecke gilt mindestens selbiges, wobei nunmehr auch Haschisch aus einem erlaubten Anbau mit wissenschaftlicher Zweckbestimmung erfasst ist. Haschisch wird Anlage I des BtMG unterstellt. Darüber hinaus beinhaltet Cannabis zu medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken auch die in der Anlage I des BtMG geführten Tetrahydrocannabinole, ihre stereochemischen Varianten und die Zubereitungen dieser Stoffe mit wissenschaftlicher Zweckbestimmung.
Das MedCanG ist mit 31 Vorschriften in acht Kapitel gegliedert, die wesentlich die Verschreibung, Abgabe, Genehmigungsvoraussetzungen, etwa zum Handel oder der Herstellung sowie die Überwachung festlegen. Auf dem ersten Anschein ist die Gesetzesstruktur dem BtMG nachempfunden. Weiterhin enthält das Gesetz Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände sowie Einziehungsvorschriften und strafprozessuale Sondervorschriften. Die Regulatorik »unter doppeltem Boden«, also an der Seite des AMG ist im Zusammenhang mit dem BtMG wegen des Normbefehls in § 81 AMG eine reine Selbstverständlichkeit. Sie soll der Gefährlichkeit von Betäubungsmitteln Rechnung tragen, was sich durch weitgefasste und in der Strafandrohung deutlich höhere Tatbestände bemerkbar macht, sodass die Strafbestimmungen des AMG für BtM keine Rolle spielen.
2. Ausgewählte Beispiele im MedCanG
Mit Blick auf die geänderte Risikobewertung von Cannabis wäre anzunehmen, dass die Bestimmungen des MedCanG nicht zum Ziel haben, die Verbreitung von Cannabisarzneimitteln einzudämmen, sondern vielmehr den bisherigen Vertrieb bestmöglich sicherstellen.
a. Abgabe und Verschreibung § 3 MedCanG
Die erste wesentliche und wohl bedeutendste Lockerung findet sich in § 3 MedCanG. Danach darf Cannabis zu medizinischen Zwecken von Ärzt*innen verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen Behandlung verabreicht oder unmittelbar zum Verbrauch überlassen werden.[27] Eine Begründetheit i.S.d. § 13 Abs. 1 S. 2 BtMG ist künftig nicht mehr vorgesehen. Auch reduziert sich die mit dem Betäubungsmittelstatus zusammenhängende Bürokratie, Cannabis zu medizinischen Zwecken auf einem Betäubungsmittelrezept zu verschreiben. Die bloße Verschreibungs- und Apothekenpflicht ist vor allem beim Bundesrat aufgestoßen, welcher mit Verweis auf die Verkehrssicherheit eine Vereinheitlichung mit dem BtMG gefordert hat. Auch hieß es, der Verzicht auf das Ultima Ratio Prinzip laufe dem Gesetzeszweck zuwider, da »… zu befürchten sei, dass Cannabis künftig großzügiger und ohne ausreichende Prüfung der Begründung verschrieben wird.« [28] Derartige Forderungen und damit eine wesentliche Wertung des Betäubungsmittelrechts haben sich gleichwohl nicht durchgesetzt. Als Zugangsbeschränkung bleibt es damit bei der Verschreibungspflicht i.S.d. § 48 AMG und den damit verbundenen Anforderungen.
b. Erlaubnispflicht § 4 MedCanG
Anders als im bisherigen Vergabeverfahren darf das Inverkehrbringen der inländisch geernteten Erträge zukünftig in marktwirtschaftlicher und rechtlicher Verantwortung durch Wirtschaftsbeteiligte erfolgen. Hierfür gelten die Vorschriften über das Erlaubnisverfahren der §§ 4 ff. MedCanG. Allerdings weist das Erlaubnisverfahren und die sich hieran anschließenden Verpflichtungen zahlreiche Parallelen zum BtMG auf, die andauernden bürokratischen Aufwand und behördliche Kontrolle bedeuten.
Nach § 4 Abs. 1 MedCanG ist für alle Verkehrsarten mit Cannabis zu medizinischen Zwecken und Cannabis zu medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken eine gesonderte Erlaubnis notwendig, die vor allem bei der Herstellung oder dem Vertrieb weiterer Arzneimittel Mehraufwand bedeuten kann. Die Erlaubnispflicht nach § 4 MedCanG ist nach ihrem Wortlaut der Regelung des § 3 BtMG nachgebildet und gilt zudem nach § 6 Nr. 3 MedCanG für jede einzelne Art (Varietät).von Cannabis. In der Gesetzesbegründung heißt es, was unter den einzelnen Verkehrsarten zu verstehen ist, folgt der bisherigen Rechts- und Verwaltungspraxis zu § 3 Abs. 1 BtMG.[29] Damit korrespondierend sieht § 5 MedCanG Ausnahmen von der Erlaubnispflicht des § 4 MedCanG vor, welche ebenfalls im Wesentlichen dem § 4 BtMG entsprechen. Beispielhaft entfällt im Falle einer Verschreibung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 MedCanG die Erlaubnispflicht beim Erwerb in der Apotheke. Eine Erlaubnis für den Umgang mit Cannabis zu medizinisch-wissenschaftlichen kann dagegen –wie nach § 3 Abs. 2 BtMG – nur dann erteilt werden, wenn dies zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erfolgt.
Der Erlaubnisantrag ist wie bei einem BtM-Erlaubnisantrag mit einem Sachkundenachweis zu versehen, wobei der Entwurf im Gleichlauf zum BtMG je nach Verkehrsart zwischen den Nachweisanforderungen differenziert, sich dabei aber an den Vorgaben für den BtM-Verantwortlichen nach § 7 BtMG orientiert. Ähnlich verhält es sich mit den Versagungsgründen nach § 9 MedCanG sowie den Vorgaben zur Befristung und dem Widerruf in §§ 10, 11 MedCanG. Wie in § 11 BtMG sieht auch das MedCanG eine weitere, gesonderte Genehmigung zur Ein- und Ausfuhr nach § 12 MedCanG vor. Die Durchfuhr untersteht dabei der zollamtlichen Überwachung nach § 13 MedCanG; Genehmigungsverfahren sowie die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von Medizinalcannabis richten sich zudem nach § 14 MedCanG weiterhin nach den Vorschriften der BtM-AHV. Vorgaben zum Abgabeverfahren, wie sie in § 12 Abs. 2 BtMG vorgeschrieben sind, existieren dagegen nicht mehr. Gemäß § 16 MedCanG finden sich unabhängig von parallel fortgeltenden arzneimittelrechtlichen Dokumentationspflichten differenzierte Aufzeichnungspflichten für jede Betriebsstätte und jede Art von Cannabis, wobei Verstöße gegen § 16 nach § 27 Abs. 1 Nr. 6 bis 8 MedCanG bußgeldbewehrt sind.
c. Sicherungsanordnung
Bei der weiteren Durchsicht ist die Möglichkeit der Sicherungsanordnung nach § 21 MedCanG augenfällig, wonach das BfArM im Einzelfall Maßnahmen vor unbefugtem Zugriff erlassen kann. Fraglich erscheint die gesonderte Anordnungsbefugnis mit Rücksicht darauf, dass die einschlägigen arzneimittelrechtlichen Regelungen sowohl für Hersteller als auch für Händler entsprechende Vorgaben machen und von den zuständigen Landesbehörden im Rahmen von Inspektionen abgenommen werden.[30]
d. Einnahmeverbot für Patient*innen § 24 MedCanG ist ein Novum im Arzneimittel- und Betäubungsmittelrecht und durchbricht durch seine Gleichstellung zwischen Patient*innen und Konsument*innen die klare Trennung aus Genussmittelkonsum und medizinischer Einnahme. Während die Möglichkeit zur ortsunabhängigen Einnahme von Arzneimitteln eine Selbstverständlichkeit ist, sollen mit dem Konsumverbot -im Zusammenhang mit Medizinalcannabis heißt es überzeugendermaßen Einnahme- Konsumanreize für Kinder- und Jugendliche verhindert werden. Danach ist mit Verweis auf § 5 Abs. 2 KCanG-E[31] die inhalative Einnahme in bestimmten Einrichtungen, in ihrer Nähe in einem Bereich von 200 Metern oder in Fußgängerzonen zum Kinder- und Jugendschutz verboten. Bislang war die Einnahme von Cannabisarzneimitteln ortsunabhängig möglich. Das Verbot des § 24 MedCanG wird unter anderem damit begründet, dass Kinder und Jugendliche den Konsum nicht von medizinischer Einnahme unterscheiden könnten.[32] Würde man dieÜberlegung konsequent auf alle Arzneimittel anwenden und zu Ende denken, dürften in der Öffentlichkeit Schmerztabletten nicht geschluckt und Insulinspritzen nicht gesetzt werden. Schließlich wird auch in diesen Fällen nicht erkenntlich sein, ob die Pille verschrieben oder die Spritze ein Medikament oder doch eine Droge enthält. Im Sinne der geänderten Risikobewertung, aber schon des Status Quo wäre es konsequent, die medizinische Einnahme auch weiterhin unein-geschränkt zu erlauben, um eine indikationsgerechte Einnahme zu gewährleisten. Nicht immer wird es für Patient*innen planbar sein, wo und wann sie ihr Arzneimittel einnehmen können. Dagegen birgt die nicht rechtzeitige Einnahme eigen-ständige Gefahren für Patient*innen und auch die Allgemeinheit. Als Beispiel sei der Straßenverkehr genannt. Medizinalcannabis zählt zu den fahreignungsrelevanten Arzneimitteln, allerdings dürfen Patient*innen grundsätzlich am Straßenverkehr teilnehmen, sofern ihre Fahrtüchtigkeit nicht eingeschränkt ist.[33] Das Fahren unter dessen Wirkung ist jedoch nur bei bestimmungsgemäßer Einnahme keine strafbewehrte Ordnungswidrigkeit, § 24a Abs. 2 S. 2 StVG. Auch sind Fahrerlaubnisse von einer ordnungsgemäßen Einnahme bedingt. Nach der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte führt eine Dauerbehandlung mit Medizinalcannabis nur dann nicht zum Verlust der Fahreignung, wenn u.a. Medizinalcannabis zuverlässig nach der ärztlichen Verordnung eingenommen und die Medikamenteneinnahme ärztlich überwacht wird.[34]
Im Arzneimittelrecht werden dagegen generalisierte Maßnahmen für den Kinder- und Jugendschutz ergriffen, Bestimmungen zu ausgewählten Arzneimitteln existieren nicht. Das Credo lautet dabei nicht Schutz vor Patient*innen, sondern Schutz vor Produktunsicherheiten. Der Kinder- und Jugendschutz realisiert sich daher weniger mit Verboten, sondern etwa in Kennzeichnungspflichten für Arzneimittel, welchen die Eignung für Kinder und Jugendliche abgesprochen wird. Im Übrigen wird ein Schutz etwa durch besondere Zulassungsanforderungen für Arzneimittel erreicht.
e. Genehmigungsvorbehalt und Kostenübernahme
Insgesamt bleiben die Regelungen im und um das SGB V, die Patient*innen unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabisarzneimitteln geben, unverändert. Das CanG ist nicht genutzt worden, um Anpassungen hinsichtlich der Kostenerstattung vorzunehmen.
3. Strafvorschriften des MedCanG
Für eine Einordnung des MedCanG ist es unabdingbar, die Strafvorschriften in den Blick zu nehmen, denen entscheidende Signalwirkung und Stimmgewicht zukommt. Dass die Regulierung des Betäubungsmittelverkehrs etwa auch im Wesentlichen mit den Mitteln des Strafrechts erreicht wird, ergibt sich schon daraus, dass strafbewehrte Verbote zur Verhinderung einer Verbreitung das Mittel der Wahl sind. Strafvorschriften und Ordnungswidrigkeiten, welche auf im AMG verankerte Verbote Bezug nehmen, sind dagegen mehr oder weniger totes Recht und ihre Legitimation speisen sie aus der Generalpräventiven Wirkung, mithin aus ihrer das Verbot unterstreichenden Funktion.[35] Die voranschreitende Abnahme der praktischen Bedeutung des Arzneimittelstrafrechts ist auch dem Umstand geschuldet, dass Strafvorschriften regelmäßig ausgelagert werden.[36] Ein eigenständiger Straftatenkatalog ist zwar nicht untypisch , in der Vergangenheit aber nur dann für erforderlich gehalten worden, wenn die Bestimmungen des AMG unanwendbar sind, wie etwa beim NpSG.[37] NpS sind danach nicht als Funktionsarzneimittel i.S.d. RL 2001/83 einzuordnen, mithin nicht vom Anwendungsbereich des AMG erfasst.
a. § 25 Abs. 1 MedCanG
Der Grundtatbestand des § 25 Abs. 1 MedCanG erfasst zahlreiche Handlungsweisen, die der tatsächlichen Verfügungsgewalt von Medizinalcannabis vorgelagert sind. So handelt nach Nr. 1 derjenige tatbestandsmäßig, der unvollständige oder unrichtige Angaben macht, um eine ärztliche Verschreibung zu erlangen. Anders als das Betäubungsmittelrecht kennt das Arzneimittelrecht keine vergleichbare Vorschrift, nach welcher das Erschleichen einer Arzneimittelverschreibung selbst inkriminiert wäre. Dagegen findet sich ein Pendant in § 29 Abs. 1 Nr. 9 BtMG, wobei hier stets fraglich war, ob unvollständige oder unrichtige Angaben auch dann als tatbestandsmäßig anzusehen sind, wenn die Verschreibung des BtM auch bei zutreffenden und umfassenden Angaben medizinisch begründet gewesen wäre.[38] Dahingehend hat sich jüngst das OLG Celle[39] in einem obiter dictum geäußert. Dann bliebe fraglich, welchen Anwendungsbereich die Norm überhaupt hätte, nicht zuletzt auch deshalb, weil es kaum feststehende Indikationen gibt. Die Strafandrohung fügt sich zudem nicht so recht ins MedCanG ein, CanG ein. Da das KCanG kein Abstinenzparadigma mehr vorsieht und sogar der Erwerb auf dem Schwarzmarkt in Grenzen nicht mehr bestraft werden soll, stellt die Bestrafung des Rezepterschleichers einen normativen Widerspruch dar.[40]
§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MedCanG sieht dagegen eine Strafbarkeit für den Fall der Abgabe ohne ärztliche Verschreibung vor, die das AMG bei verschreibungspflichtigen Humanarzneimitteln nach § 96 Abs. 1 Nr. 13 AMG mit Strafe bedroht. In diesem Fall kommen nach herrschender Meinung als Täter nur die der Pflicht aus § 48 AMG unterfallende Apotheker*innen oder eine sonst zur Abgabe von Arzneimitteln befugte Person in Betracht.[41] Auch die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Nichtberechtigte nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AMG ist ein Sonderdelikt, welches ausschließlich pharmazeutische Unternehmer und Großhändler betrifft. Das Handeltreiben oder berufs- und gewerbsmäßige Abgeben verschreibungs- und apothekenpflichtiger Arzneimittel ist dagegen für Jedermann nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG strafbar.[42] Nicht umsatzbezogene, nicht gewerbsmäßige und auch nicht berufsmäßige Abgaben von Arzneimitteln werden nach dem AMG nicht pönalisiert. Anders gewendet: Die Ab- und Weitergabe von Arzneimitteln zu Rauschzwecken (etwa bei Dextromethorphan, Dimenhydrinat oder dem Opioid Loperamid) zwischen Verbrauchern ist nicht strafbar.[43]
Von § 25 Abs. 1 Nr. 3 MedCanG werden dagegen sämtliche Verkehrsformen erfasst, also Anbauen, Herstellen, Ein- und Ausführen, Abgeben, sonst in den Verkehr bringen, Sich verschaffen, Erwerb, Handeltreiben, Besitz, sowie die Durchfuhr. Damit wird jede erlaubnispflichtige Handlung mit Medizinalcannabis unter Strafe gestellt und wie im BtMG fungiert auch eine Strafbarkeit wegen Besitzes nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 MedCanG als Auffangtatbestand.[44] Wegen der Auslegung der Tatbestandsmerkmale kann sich darüber gestritten werden, ob die extensive Auslegung des Handeltreibens, der vor allem kriminalpolitische Gesichtspunkte zu Grunde lagen[45] auf das MedCanG passt. Während die weite Auslegung des Handeltreibens im BtMG auch auf die Formulierung in§ 29 Abs. 1. Nr. 1 BtMG »ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert etc.« gestützt wird, erschöpft sich die Formulierung im MedCanG in einer bloßen Aufzählung. Im AMG existieren ferner bezüglich verschreibungspflichtiger Arzneimittel keine Tatbestände, die den Erwerb oder den Besitz unter Strafe stellen, es sei denn, es lässt sich ein Drittbezug (etwa Tierschutz) herstellen. Ausschließlich entgeltliche, umsatzbezogene Handlungen in Bezug auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, sozusagen am Apothekermonopol vorbei, sind durchweg verboten und werden durch das Handeltreiben erfasst. Die umfassende Strafandrohung überzeugt auch im weiterführenden Vergleich mit der Strafandrohung zum Umgang mit neuen psychoaktiven Stoffen nicht. Nach § 4 NpSG wurde sich auf wesentliche Veräußerungshandlungen wie das Handeltreiben oder Inverkehrbringen, darüber hinaus den unmittelbar gefährdenden Handlungen des Verabreichens beschränkt. Auf eine umfassende Kriminalisierung ist trotz Risiken und Nebenwirkungen des Konsums von NpS verzichtet worden, obwohl sie nicht einmal als Arzneimittel zu werten sind. Deren Gefahren reichen – ich zitiere aus der Gesetzesbegründung des NpsG – »Übelkeit, heftigem Erbrechen, Herzrasen und Orientierungsverlust über Kreislaufversagen, Ohnmacht, Lähmungserscheinungen und Wahnvorstellungen bis hin zum Versagen der Vitalfunktionen«.[46] Nach dem Stand der Wissenschaft existiert eine letale Dosis Cannabis dagegen nicht.
b. § 25 Abs. 2 MedCanG
In Entsprechung zum CanKG findet sich in § 25 Abs. 2 MedCanG ein tatbestandlicher Strafbarkeitsausschluss für die Tathandlungen des Anbaus, Sichverschaffens und Erwerbens, um Wertungswidersprüche mit dem KCanG zu vermeiden.[47]
c. § 25 Abs. 3 MedCanG
In § 25 Abs. 3 MedCanG wird die Versuchsstrafbarkeit normiert. Auch hier wird an abstrakte Gefährdungen angeknüpft, wie man es aus dem BtMG kennt. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass sich die Einordnung der Versuchsstrafbarkeit an dem Handlungsunrecht und der daraus resultierenden Gefahren insbesondere für den Gesundheitsschutz beim Verkehr mit Cannabis zu medizinischen Zwecken und Cannabis zu medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken orientiert.[48]
d. §§ 25 Abs. 4, Abs. 5 MedCanG
Weitere Strukturgleichungen zum BtMG finden sich in den qualifizierten Tatbeständen des MedCanG. So erfassen § 25 Abs. 4, Nr. 4, Abs. 5 Nr. 4 b) MedCanG straferschwerend eine nichtgeringe Menge, wobei sich jeder Verstoß i.S.d. Abs. 1 im Zusammenhang mit einer nichtgeringen Menge als normatives Regelbeispiel darstellt. Von der Strafschärfung des Abs. 5 sind Handlungsweisen mit Bandenbezug oder Bewaffnung erfasst. Im Unterschied dazu knüpft die bandenmäßige Begehung an Gefährdungen wie das Herstellen und Inverkehrbringen von gefälschten Arzneimitteln an. Der Zweck des MedCanG und der Grund für die Ausgestaltung und weitgehende Orientierung an den Vorgaben des BtMG führt auch hier zu der Frage, welcher Schutzauftrag bezweckt wird. Cannabis zu medizinischen Zwecken i.S.d. Gesetzes erfasst nur solches, welches aus staatlich kontrolliertem Anbau zu medizinischen Zwecken stammt, weshalb etwa auch der Bereich der organisierten Kriminalität vom Anwendungsbereich ausgenommen wäre. Schwarzmarkthändler wird es kaum auf die medizinische Zwecksetzung des Anbaus oder Vertriebs ankommen, weshalb auch hier damit zu rechnen ist, dass das KCanG die nach wie vor weitreichende Strafandrohungen auf Veräußererseite erfasst. Vorschriften reduzieren sich zwar damit auch wieder auf ein Symbolstrafrecht, wenn man nicht annehmen möchte, dass strafrechtlicher Schutz vor einer »Hersteller- oder Apothekerbande« erforderlich und Verstöße nicht hinreichend über die Vorgaben des AMG gedeckt sind.
e. § 27 MedCanG
Die Bußgeldvorschrift adressieren zusätzlich die industriellen Akteure und ahndet im Wesentlichen verwaltungsrechtliche Normverstöße, etwa gegen Aufzeichnungs- und Meldepflichten. Individuelle Verhaltensverstöße wie die Einnahme entgegen dem Konsumverbot nach § 24 MedCanG können durch die geplanten Änderungen des Bundesnichtraucherschutzgesetzes (BNichtrSchG) nach § 5 mit Geldbuße bestraft oder durch landespolizeirechtliche Gefahrenabwehrmaßnahmen reguliert werden.
V. Fazit
Nun sollte etwas Licht ins Dunkel gebracht und zu Tage gefördert worden sein, dass mit den bevorstehenden Änderungen Sonderbestimmungen für Medizinalcannabis geschaffen werden, mit denen Erleichterungen, aber auch systemfremde Bestimmungen verbunden sind. Der Zugang für Patient*innen wird sich nicht nur faktisch erleichtern und Medizinalcannabis entstigmatisiert, auch der bürokratische Aufwand für Ärzt*innen wird sich durch die geänderte Verschreibungspraxis verringern. Den Herausforderungen ist damit in Teilen gerecht geworden, grundlegende Forderungen aus der Praxis[49] sind jedoch offengeblieben. Dass das BtMG in weiten Teilen als Blaupause gedient hat, ist an zahlreichen Stellen der Gesetzesbegründung und im Gesetzestext deutlich geworden. Gleichwohl besteht die Chance auf einen mittelfristigen Perspektivwechsel, auch was die arzneimittelrechtliche Einordnung von Medizinalcannabis anbelangt. Mit der Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des BtMG wäre künftig eine Standardzulassung nach § 36 AMG denkbar.[50] Ob das MedCanG damit als Interim den Weg in eine herkömmliche Arzneimittelregulierung ebnet, bleibt abzuwarten.
[1] Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP).
[2] S. 87 des Koalitionsvertrags.
[3] Zum KCanG, Sobota, in diesem Heft.
[4] BT-Drs. 20/8704 S. 76 ff.; Oğlakcıoğlu/Sobota, ZRP 2023, 194 (196).
[5] JA 2017, 72.
[6] BVerfGE 90, 145 ff.
[7] BVerwG, Urteil vom 19. 5. 2005 – 3 C 17/04= BVerwGE 123, 352 ff.; kritisch Wagner, PharmR 2008, 18 ff.; BVerfGE 123, 352, wobei die Verfassungsbeschwerde mangels Erschöpfung des Rechtswegs nicht zur Entscheidung angenommen wurde.
[8] BVerwG, Urt. v. 6.4.2016 – 3 C 10/14.
[9] BGBl. I 2017, S. 403 ff.
[10] BT-Drs. 18/8965, https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw03-de-betaeubungsmittel-487044#:~:text=Patienten%20sollen%20k%C3%BCnftig%20getrocknete%20Cannabis,Wirkstoffen%20Dronabinol%20oder%20Nabilon%20geschaffen (zuletzt 27.01.2024).
[11] Die am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) errichtete Cannabisagentur ist für den kontrollierten Anbau, die Ernte, die Verarbeitung, die Qualitätsprüfung, die Lagerung, die Verpackung und die Abgabe an Apotheken der Cannabisblüten in Deutschland verantwortlich, https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis-als-Medizin/Cannabisagentur/_node.html.
[12] https://www.bfarm.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/pm1-2019.html.
[13] BT-Drs. 18/10902 S. 2 ff.
[14] Dazu etwa OLG Hamburg, Beschl. v. 22. 12. 2020 – 3 W 38/20 = PharmR 2021, 265; Gillhausen, PharmR 2022, 726; Köbler, PharmR 2021, 325; Kieser/Köbler, Leitfaden für die Verkehrsfähigkeit von Cannabisprodukten, 2021.
[15] So gelten für die Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen etwa die von der europäischen Kommission veröffentlichten Leitfäden (EG-GMP), wohingegen bei der Herstellung pflanzlicher Arzneimittel GACP Standards einzuhalten sind. Weiterhin sieht § 3 Abs. 2 AMWHV für Arzneimittel einerseits und Wirkstoffe zur Herstellung von Arznemitteln andererseits unterschiedliche Anforderungen vor.
[16] Gemeint ist der zulassungsüberschreitende Gebrauch von Arzneimitteln außerhalb des genehmigten Anwendungsbereichs.
[17] MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl. 2022, BtMG § 13 Rn. 27.
[18] Jahresbericht 2023 der deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD), https://www.dbdd.de/publikationen/jahresbericht-situation-illegaler-drogen-in-deutschland; https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/147966/Cannabis-laut-Beobachtungsstelle-haeufigste-illegale-Droge
[19] BSG, Urt. v. 10.11.2022 – B 1 KR 28/21 R= NJW 2023, 2217 ff.; Die Krankenkasse kann den Medizinischen Dienst einschalten, um sozialmedizinische Fragen im Zusammenhang mit der Genehmigung der Cannabis-Verordnung zu klären. Das heißt, die Krankenkasse entscheidet, in welchen Fällen sie den Medizinischen Dienst mit einer Bewertung des medizinischen Sachverhalts beauftragt; chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Fragen_Antworten/_FIN_FAQ_Cannabinoide.pdf.
[20] Hierbei handelt es sich um vollsynthetisches Derivat.
[21] Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung – AM-RL.
[22] BT-Drs. 20/5561 S. 2; Grotenhermen F, Müller-Vahl KR. Cannabis und Cannabinoide in der Medizin – praktische Hinweise zum therapeutischen Einsatz. Suchtmed 2022; 23 (1): 1-8; Vorgaben bestehen auch betreffend die Verordnung der Cannabisarznei selbst, da Cannabisblüten gegenüber Fertigarzneimitteln nachrangig verordnet werden sollen. Forderungen aus der Ärzteschaft hatten dagegen zum Gegenstand, dass es aus medizinischer Sicht keinen Sinn mache, eine Ungleichbehandlung von Fertigarzneimitteln, standardisierten Cannabisextrakten und standardisierten Medizinalcannabisblüten vorzunehmen. Diese haben die Ergebnisse der Begleiterhebung des BfArM auf ihrer Seite. In der auf Grundlage des »Cannabis als Medizin Gesetzes« zwischen 2017 und 2022 durchgeführten Begleiterhebung zeigen Cannabisextrakte und -blüten bei vielen medizinischen Anwendungen sogar eine deutlich bessere Wirksamkeit und Verträglichkeit als die wenigen, für einzelne Indikationen zugelassenen Fertigarzneimittel und sind bereits als Therapieoptionen in Deutschland etabliert.
[23] BGBl. 2023 I Nr. 197.
[24] OLG Hamm, Urt. v. 05.10.2023 – 1 QRs 27/23; ferner etwa BGH, Beschl. v. 28.06.2016= NJW 2016, 2818; OLG Frankfurt aM, Urt. v. 05.06.2018 – 2 Ss 12/18; OLG Braunschweig, Beschl. v. 16.05.2013 – 1 Ss 20/13; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.2004 – 3 Ss 187/03.
[25] Oğlakcıoğlu/Diebel NStZ 2024, 424 ff.
[26] BT-Drs. 20/8704 S. 2.
[27] Ausgenommen sind Zahn- und Tierärzte, § 3 Abs. 1 S. 2 MedCanG.
[28] BT-Drs. 20/8704, S. 187.
[29] BT-Drs. 20/8704, S. 140.
[30] etwa die Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungs- oder Arzneimittelhandelsverordnung.
[31] BT-Drs 20/8704, S. 15, wobei es nunmehr einhundert Meter heißt
[32] BT-Drs. 20/8704, S. 173.
[33] VGH Mannheim NJW 2023, 861; etwa Steinert, SVR 2022, 15 (17).
[34] Etwa VGH Mannheim NJW 2023, 861; VGH München, Beschl. v. 31.03.2023 – 11 CS 158.22.
[35] Tsambikakis/Rostalski/Oğlakcıoğlu, vor § 95 AMG Rn. 8.
[36] Dazu Tsambikakis/Rostalski/Oğlakcıoğlu, vor § 95 AMG Rn. 10f.
[37] EuGH Urt. v. 10.7.2014 – C-181/14= NStZ 2014, 461; BeckOK BtMG/Bohnen, 21. Ed. 15.12.2023, NpSG § 1 Rn. 11a; Patzak, NStZ 2017, 263 ff.
[38] MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl. 2022, BtMG § 29 Rn. 1350; Weber/Kornprobst/Maier/Weber, 6. Aufl. 2021, BtMG § 29 Rn. 1713.
[39] OLG Celle, Urt. v. 09.11.2018 – 1 Ss 63/17.
[40] BT-Drs. 20/8704, S. 131
[41] BGHSt 21, 291; OLG Hamburg NStZ 1995, 598; Spickhoff/Wachter, 4. Aufl. 2022, AMG § 96 Rn. 19; Patzak/Volkmer/Fabricius/Volkmer/Fabricius, 10. Aufl. 2022, AMG § 96 Rn. 221.
[42] Dazu OLG Stuttgart NStZ-RR 2012, 154 (155), siehe dazu auch die Wertung aus § 97 Abs. 1 Nr. 10 AMG, wonach die Abgabe entgegen § 43 AMG nur dann eine Ordnungswidrigkeit darstellt, wenn sie berufs- oder gewerbsmäßig erfolgt; Patzak/Volkmer/Fabricius/Volkmer/Fabricius, 10. Aufl. 2022, AMG § 95 Rn. 206.
[43] Dazu etwa Oğlakcıoğlu, Kriminalisierter Umgang mit Suizidpräparaten, MedR 2019, 450 (455).
[44] S. 148. [45] vgl. dazu BGHSt 50, 252, BGH 22.1.2004 – 5 ARs 46/03; BGH 27.1.2004 – 4 ARs 23/03; BGH 6.2.2004 – 2 ARs 276/03, NStZ-RR 2004, 183 und BGH 25.3.2004 – 1 ARs 21/3.
[46] BT-Drs. 18/8579, S. 15.
[47] Nach § 25 Abs. 2 MedCanG ist nunmehr der Anbau, Erwerb und Besitz erfasst und das Sichverschaffen gestrichen worden.
48] BT-Drs. 20/8704, S. 148.
[49] Siehe etwa Stellungnahme des VCA e.V., Ausschuss-Drs. 20(14) 154 /13); Kernpunktepapier des BPC, Ausschuss-Drs. 20(14) 15428); Stellungnahme des PHAGRO, Ausschuss-Drs. 20(14) 154(22).
[50] Dazu auch die Stellungnahme des Branchenverbands der Cannabiswirtschaft e.V., Ausschuss-Drs. 20(14)89(4).
DROGEN|RECHT | Heft 0 | Januar 2025 | MedCanG | Autor*in: Dr. Justine Diebel