Prof. Dr. Mustafa Oğlakcıoğlu & Prof. Dr. Matthias Jahn

 

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»Das Betäubungsmittelstrafrecht gilt als forensisch wichtigstes Nebengebiet des Strafrechts, dessen stiefmütterliche Behandlung in der Wissenschaft nicht im rechten Verhältnis zu seiner erheblichen Bedeutung in der Praxis steht.«

Dieser einleitende Satz aus der Dissertationsschrift des Mitherausgebers stand zugleich auf dem Programmflyer unseres ersten Frankfurter Symposiums zum Betäubungs- und Arzneimittelrecht. Er dürfte bis heute noch weitestgehend zutreffen: Auch wenn die aktuellsten Entwicklungen eine erhöhte Frequenz drogenpolitischer Statements in den Nachrichten und sozialen Medien herausgefordert haben, bleibt der (inter- und intradisziplinäre) Austausch auf der rechtswissenschaftlichen Ebene überschaubar: Vortragsveranstaltungen, Publikationen und Monografien zu diesem Rechtsgebiet sind nach wie vor Mangelware, obwohl die Drogenpolitik nach einer kleinen Verschnaufpause um die Jahrhundertwende weltweit wieder erheblich an Fahrt aufgenommen hat. Bereits 2016 war die Thematik rund um eine Legalisierung von Cannabis wieder aktuell geworden; daneben standen Maßnahmen der Harm Reduction (insb. das Drug-Checking) sowie das Problem des Umgangs mit neuen psychoaktiven Substanzen auf dem Tableau. Das motivierte uns dazu, ein Forum für den Diskurs und Austausch für dieses vernachlässigte Rechtsgebiet zu schaffen, um Impulse aus der Rechtswissenschaft herauszufordern, die der Gesetzgebung (und auch Rechtsprechung) bis zu jenem Zeitpunkt gefehlt haben.

Bereits das erste Symposium im Jahre 2016 war ein voller Erfolg, sodass wir uns entschlossen haben, das Format während einer drogenpolitisch verheißungsvollen Legislaturperiode nochmals zu wiederholen. War das Thema »Legalisierung« in Deutschland (und Europa) trotz erster Liberalisierungsmodelle weltweit (Kanada, Portugal, Uruguay) bis vor kurzem noch – man könnte auch sagen: bis zur 19. Legislaturperiode – nur ein Gedankenspiel, steht es nunmehr das erste Mal überhaupt auf der gesetzespolitischen Agenda einer Regierungskoalition. Zum Zeitpunkt der Planung der Tagung war freilich noch nicht absehbar, in welche Richtung sich dieses Vorhaben entwickeln könnte: Sehr früh hatten sich Gegner des Gesetzes zunächst – unter Verweis auf das EU-Recht – gegen eine vollständige Legalisierung positioniert, um sodann eine (europarechtskonforme) Entkriminalisierungslösung als unzweckmäßig und gefährlich zurückzuweisen; insofern war ungewiss, wohin die Reise geht. Das war allerdings ein Grund mehr, das geplante Cannabisgesetz in das Programm aufzunehmen, zumal wir uns von Anfang an einig waren, an der ursprünglichen Konzeption der Tagung festzuhalten: Es sollte sich gerade keine rein rechtspolitische – und somit auf das CanG verengte – Veranstaltung werden; vielmehr waren wir – wie auch schon 2016 – bemüht, möglichst viele verschiedene Facetten des Betäubungsmittelrechts bzw. der Drogen- und Arzneimittelkriminalität zu erfassen und hierbei v.a. die Praktizierenden anzusprechen. Daher stand auch das »täglich Brot« der Strafverteidigung, mithin das materielle Betäubungsmittelstrafrecht (#Einziehung, #Kronzeuge #Maßregelvollzug) auf der Agenda, während wir drogenpolitisch nicht beim Cannabisgesetz stehen geblieben, sondern mit der Substitution eine weitere drogenpolitische  Baustelle in den Blick genommen haben. Alles in allem wollten wir auf diese Weise einen Beitrag zu einer rationalen und evidenzbasierten Gesetzgebungspolitik und Rechtsanwendung im Bereich des Drogenstrafrechts leisten.

Das Symposium fand (in hybrider Form) am 16.2.2024 an der Goethe-Universität Frankfurt a.M. statt und wurde erneut gut aufgenommen. Neben ca. 50 Präsenzteilnehmenden, haben sich über 80 Teilnehmende online dazugeschaltet, wobei sich die interdisziplinäre Ausrichtung der Tagung auch im Publikum widergespiegelt hat: Erfreulicherweise haben sich nicht nur Jurist*innen, sondern auch Soziolog*innen, Angehörige aus der Suchtforschung sowie akzeptierenden Drogenarbeit angemeldet. Das hat uns nicht nur motiviert, direkt zur Planung des 3. Symposiums (das dieses Mal nach kürzerem Abstand, nämlich 2026 stattfinden soll) überzugehen, sondern die Ergebnisse der zweiten Tagung allen Interessierten frei – mithin Open Access – zur Verfügung zu stellen.

Daher haben wir uns auch gegen das klassische Tagungsband-Format entschieden und stattdessen ein (freundlicherweise von der Freispruch-Redaktion bzw. vom Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen betreutes) Heft zusammengestellt, das fast alle Referate (partiell modifiziert und erweitert), aber darüber hinaus auch einen Tagungsbericht enthält. Dieses moderne Format eröffnet uns die Möglichkeit, den Autoren die größtmögliche Freiheit bei der Erstellung ihrer Manuskripte zu bieten, bspw. ihre Ausführungen um Illustrationen zu ergänzen sowie bestimmte Aussagen zu ›highlighten‹. Damit sollte der Versuch unternommen werden, wissenschaftliche Abhandlungen darstellerisch aufzuwerten, was – unserer Überzeugung nach – einer Veranschaulichung der Gedanken dienlich sein und auch zu einer besseren Lesbarkeit der Manuskripte beitragen kann. Insofern haben wir haben auch bewusst davon abgesehen, den Autorinnen und Autoren strenge Vorgaben hinsichtlich der Form der Manuskripte und des Fußnotenapparats zu machen. Die Texte unterscheiden sich in der Länge und im Stil (bspw. sind einige noch im ›Vortragsduktus‹ gehalten). Zugleich könnte dieses Format den Startschuss für eine ›Open-Access-Schriftenreihe‹ zum Betäubungs- und Arzneimittelstrafrecht bilden, wir lassen uns überraschen.

Sowohl die Durchführung der Tagung als auch die Veröffentlichung dieses Tagungshefts wäre ohne die Mitwirkung einer Vielzahl von Personen nicht möglich gewesen. Wir bedanken uns daher zuallererst bei allen Referentinnen und Referenten, die uns ihre Vortragsmanuskripte zeitnah zur Verfügung gestellt haben. Zudem bedanken wir uns daher beim ›Saarbrücker-Organisationsteam‹, u.a. Aline Thome, Fatih Anıl Uzun, Deniz Özdemir, Alessandro Mariani und Selina Stein sowie für beim Frankfurter Team mit Fynn Wenglarczyk, Max Klarmann, Philipp Kupczik und Heike Brehler.  Für die Durchsicht der Manuskripte danken wir Lara Osseili und RAin Rosa Mayer-Eschenbach.

Außerdem möchten wir uns zudem noch bei unseren Sponsoren bedanken, welche die Realisierung dieser Tagung möglich gemacht haben, namentlich: Die Kanzlei Amelung/Albrecht, Die Kanzlei Becker/Behlau/Welke, der Verlag C.H. Beck, sowie die Kanzleien H/T Defensio und Reubel Grubwinkler Rechtsanwälte. Schließlich gilt unser Dank dem Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen (insb. ihren Geschäftsführern Thomas Uwer und Stefan Conen) für die sofortige Zusage ihrer Unterstützung bei der Erstellung des Tagungshefts.

 

DROGEN|RECHT | Heft 0 | Januar 2025  | Vorwort | Autor*in: Prof. Dr. Mustafa Oğlakcıoğlu & Prof. Dr. Matthias Jahn