Ich habe die Ehre, meine Damen und Herren, zur Eröffnung des 25. Strafverteidigertages zu sprechen. Das bringt mich ins Phantasieren. Ich stelle mir vor, die Strafverteidigervereinigungen hätten beschlossen, aus Anlass von einem Vierteljahrhundert Strafverteidigertagen einen Preis zu vergeben, eine Art Grammy, einen Oscar der Strafverteidigung. Wie könnte die Trophäe aussehen? Ich muss nicht lange überlegen: Eine Figur müsste es sein, die mit dem Rücken an der Wand steht. Das ist sozusagen die berufsspezifische Haltung. Die typische Standbewegung. Und auch die für das rechtspolitische Erscheinungsbild charakteristische Haltung.
Es gibt die Trophäe nicht. Und wenn es sie geben würde, sie wäre nicht mehr zeitgemäß. Denn wir müssen uns fragen, ob da noch eine Wand ist hinter dem Rücken. Und nicht eher eine Nebelwand.
Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt fanden in dem Teil Berlins, in dem wir uns heute befinden, große Demonstrationen statt, die sich gegen die politische Führung der DDR richteten und gegen das System, das sie etabliert hatte. „Rechtsstaat!“ wurde auf vielen hochgehaltenen Schildern und Transparenten gefordert. Diejenigen, die sich so artikulierten, hatten ihre Erfahrungen mit einer unkontrollierten Staatsmacht gemacht, der die Freiheitsrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger wenig galten. Der Rechtsstaat, den sie meinten, sollte ihnen die verlorene, jedenfalls gefährdete Freiheit wiederbringen, die Freiheit von staatlicher Willkür. Das war der Rechtsstaat, den auch wir meinen.
Es hat bekanntlich nicht lange gedauert – die DDR gab es inzwischen nicht mehr – da war im Kreis derer, die damals demonstrierten, von einem Missverständnis die Rede. Gerechtigkeit habe man gewollt, aber den Rechtsstaat bekommen. So jedenfalls hatte man ihn sich nicht vorgestellt. Die Bereitwilligkeit, mit der dieser Satz in der Öffentlichkeit aufgenommen wurde, gerade in der juristischen Öffentlichkeit (ich habe ihn in mehreren Urteilsbegründungen zu hören bekommen), macht deutlich, dass er ein Unbehagen artikulierte, ein Unbehagen am Rechtsstaat, das verbreitet ist.
Dieses Unbehagen muss uns interessieren. Denn wir müssen uns fragen, wen wir mit unserer Rechtsstaatsrhetorik noch erreichen.
Der Rechtsstaat, den wir meinen
Was ist der Rechtsstaat, den wir meinen? Es ist der Rechtsstaat im aufgeklärten Verständnis 1. In seinem Zentrum steht der Schutz der Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat. Strafrecht dient der Fesselung der auf den Staat übertragenen Befriedigung des individuellen und gesellschaftlichen Strafbedürfnisses, das durch Verletzungen von Normen der sozialen Koexistenz provoziert wird. Zweck der Strafe ist in erster Linie die Wiederherstellung und Behauptung der Geltungskraft der verletzten Norm. Daneben gibt es den Gesichtspunkt der Prävention, der im Laufe der Zeit an Bedeutung gewinnt. Wesentliche Elemente bleiben aber die Gesetzlichkeit und die Exklusivität. Nur das darf bestraft werden, was gesetzlich mit Strafe bedroht ist. Und mit Strafe bedroht darf nur der schwerwiegende Eingriff in wichtige individuelle Rechtsgüter werden. Der Charakter von Strafrecht nach diesem Verständnis ist notwendig fragmentarisch. Es erzielt Wirkung nur durch die Beschränkung seiner Mittel 2.
Es ist, wie Franz von Liszt seine schützende Funktion pointiert hat „die Magna Charta des Verbrechers.“
Die begriffliche Beschränkung der Voraussetzungen der Strafverfolgung wird ergänzt durch die Beschränkung der Befugnisse bei ihrer Durchführung – im Strafverfahrensrecht. Martin Drucker, ein Strafverteidiger im ersten Drittel dieses Jahrhunderts wollte – ganz in der Logik des magna-charta-Gedankens – den Prozess aufgefasst wissen “als die Summe der Vorschriften, durch die bei notwendiger Kriminalaktion der Staat sich uns seine Organe vor der Gefahr der Verfolgung oder gar der Bestrafung eines Nichtschuldigen zu bewahren unternimmt.”3
Das so beschriebene, in unserem Sinne rechtsstaatliche Straf- und Strafverfahrensrecht ist ein Produkt der Aufklärung. Seine schärfsten und klarsten Konturen hat es in einem Obrigkeitsstaat erhalten 4.
Wo die Spannung zwischen Bürger und Staat abnimmt, da beginnt die Erosion.
Es ist daher kein Zufall, dass die freiheitlichen Elemente des rechtsstaatlichen Strafrechts und Strafverfahrens in jüngerer Zeit, in der Geschichte der Bundesrepublik, umso mehr verblassten, wie die Erinnerungen an Erfahrungen mit einem totalitären Regime, dem nationalsozialistischen, schwanden.
Mit der Erinnerung an die DDR ist das eine eigene Sache.
Bedeutungswandel
Wenn der Gegensatz zwischen Bürger und Staat an Schärfe verliert, wechselt die Freiheitsliebe die Ufer. Aus dem Bedürfnis nach Freiheit von staatlicher Unterdrückung und Verfolgung wird das Verlangen nach Freiheit vor dem Verbrechen. Zu den Grundrechten als Abwehrrechten liberaler Prägung gesellt sich das „Grundrecht des Bürgers auf Sicherheit“ 5. Vom rechtsstaatlichen Postulat die „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege” aufrechtzuerhalten, spricht das Bundesverfassungsgericht seit 1972 6.
Damit hat sich der erste und vielleicht entscheidende Paradigmenwechsel von einer Rechtsstaatsidee im liberalen Sinne zu der Vorstellung eines Rechtsstaat vollzogen, die sich mit Elementen eines Sicherheitsstaats anfüllt.
Es muss danach als geradezu nostalgisch anmuten, wenn im Jahr 2001 von einer Erosion der Rechtsstaatlichkeit die Rede ist. Diese Erosion ist schon lange im Gange. Und sie hat Spuren hinterlassen:
„Rechtsstaatsmüdigkeit “
Als ich diesen Terminus zum Thema meines Vortrages wählte, ging es mir um die Beschreibung einer Befindlichkeit, die ich täglich als Strafverteidiger wahrnehme, bei Kolleginnen und Kollegen, bei Richtern und Staatsanwälten und in der Haltung der Öffentlichkeit zur Strafjustiz. Es scheint mir, es habe sich ein Mehltau des Desinteresses für rechtsstaatliche Förmlichkeiten über das Strafverfahren gelegt. Permanentes Krisenmanagement, business as usual dominieren.
Karlmann Geiß, ehemaliger Präsident des BGH, hat schon vor Jahren, auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung im April 1997, von einer „unheiligen Allianz von überzogenem Ökonomismus und Rechtsstaatsmüdigkeit“ gesprochen. Für ihn war das Phänomen ein Symptom einer behäbig gewordenen Gesellschaft, in der „ständisches Denken“ wieder auf dem Vormarsch sei. Der politisch-egalitäre Grundwert der Gleichheit verblasse. Ungleichheiten würden als gleichsam naturgegeben hingenommen. Vor diesem Hintergrund sei „Müdigkeit am Rechtsstaat“ nicht verwunderlich. „Die Rechtsausübung in der Hand des Richters ist nicht mehr unbesehen eine Segnung demokratischer Gewaltenteilung, sondern wird leicht als grenzüberschreitende Machtausübung empfunden.“ 7 Man kann, was gemeint war, auch etwas salopper formulieren: Die Justiz, so meinen die Bürger, soll sie gefälligst nicht bei ihren Geschäften stören.
In der Strafjustiz hat sich in den letzten Jahrzehnten auf den ersten Blick eine Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung vollzogen. Es gibt kein Zurückweichen des Strafrechts – im Gegenteil: Zunehmend wurden ihm Steuerungsfunktionen, die Erfüllung von Präventionsinteressen übertragen. Gesellschaftliche Fehlentwicklungen sollten mit Hilfe des Strafrechts korrigiert werden 8. Die politische Idee, die dahintersteht, ist einfach und einleuchtend: Symptome des wirtschaftlichen und technischen Fortschrittes werden nicht als systembedingt begriffen und durch Systemveränderungen angegangen. Sie werden als systemstörend, als Systembruch gebrandmarkt. So demonstriert der Gesetzgeber Entschlossenheit – und sonst bleibt alles beim Alten. Zu einem Betätigungsfeld dieser Art von Strafrechtspolitik, dem Umweltstrafrecht, hat unser Kollege Christian Richter II 1988 treffend bemerkt:
„Das zentrale Problem des Umweltschutzes ist nicht der illegale Exzeß, sondern sind die legalen Einleitungen und Verschmutzungen. Wer dort nicht ansetzt, macht sich lächerlich, wenn er die Umwelt durch das Strafrecht retten will.“9
Einmal von solchem politischen Zweckdenken, von der Bereitschaft zu kriminalpolitischem Ersatzhandeln infiziert, befiel den Gesetzgeber eine Hektik, die man als eine Art „Medusa-Effekt“ beschreiben könnte: Kaum war einem gesellschaftlichen Problem – scheinbar – zu Leibe gerückt, reckten in der öffentlichen Wahrnehmung mindestens zwei weitere ihre Häupter empor und verlangten danach, mit dem Schwert des Strafrechts geköpft zu werden. Auf diese Weise wurden seit Mitte der 70er-Jahre nicht nur eine Reihe von Gesetzen zur Bekämpfung von allem Möglichen, von der Wirtschafts- und Umweltkriminalität über Sexualdelikte und andere gefährliche Straftaten bis zum Verbrechen im allgemeinen erlassen. Auch eine Vielzahl eher vereinzelter Erscheinungen gerieten ins Visier neuer Straftatbestände: Von der Störung der Totenruhe über die Bestechung von Parlamentariern bis zur Vermummung bei Demonstrationen 10. Zwar ist diese Entwicklung etwas gebremst. Graffiti-Sprayer werden noch nicht für den Angriff auf den guten Geschmack bestraft 11. Es gehört dennoch weiterhin zum guten Ton, innenpolitische Entschlossenheit durch Vorlage von Entwürfen für neue Strafgesetze zu demonstrieren 12.
Die Begleiterscheinungen dieser Entwicklung – Formulierung abstrakter Gefährdungsdelikte, Aufblähung der Rechtsgüter zu sog. Universalrechtsgütern – sind vielfach beschrieben 13. Insofern hat sich auch im Strafrecht vollzogen, was Geiß beklagt hat: Das Verblassen des Gleichheitspostulats, dessen Entsprechungen im Straf- und Strafprozessrecht die Gesetzlichkeit, die Justizförmigkeit und das Legalitätsprinzip sind.
Das Verfahrensrecht hat sich mit Hilfe der §§ 153, 153a StPO unter der Schranke des Legalitätsprinzips hinweggeduckt. Und es geriet unter den Druck einer Serie von Entlastungs- und Beschleunigungsgesetzen, die noch nicht beendet ist. Irgendwo im parlamentarischen Verfahren dümpelt noch der Entwurf eines solchen Beschleunigungsgesetzes 14. Aber es spricht vieles dafür, dass es sich um ein Auslaufmodell handelt.
Autoritätsverlust
Herr Geiß hatte ein weiteres mal Anlass, sich über die, wie er sagte, „Rechtsstaatsmüdigkeit, die in die Köpfe der Menschen eingekehrt ist“ 15 zu beklagen. Das war im Sommer 1998, als in Nordrhein-Westfalen das Justzministerium aufgelöst und mit dem Innenministerium zusammengelegt wurde. Das nordrhein-westfälische Modell war bekanntlich nicht von Dauer, aber es hat Nachahmer gefunden, in unterschiedlichen Spielarten, auch in Berlin. Hier gibt es eine Personalunion zwischen Regierendem Bürgermeister und Justizsenator. Auf europäischer Ebene gibt es übrigens schon länger einen Kommissar für „Justiz und Inneres“. Aber auf dieser Ebene hat man sich offenbar schon daran gewöhnt, die Justiz als eine Art Fähnchen am Mast des Panzerkreuzers Exekutive zu begreifen. In Deutschland sind wir glücklicherweise noch nicht ganz so weit.
Ich halte die praktischen Auswirkungen der wie auch immer verbrämten Aufgabe selbständiger Justizressorts nicht einmal für das Schlimmste. Jedenfalls derzeit. In Berlin wird der Mangel weiterverwaltet.
Schlimmer sind die symbolischen Auswirkungen dieser Politik auf das öffentliche Bewusstsein. Justiz wird ohnehin kaum noch als eine eigenständige Gewalt wahrgenommen, der die Aufgabe zukommt, die Exekutive zu kontrollieren und zu begrenzen. Die Konturen der Gewaltenteilung verschwimmen. Damit leidet die Autorität des Rechts als ruhendem Pol im gesellschaftlichen Wandel. Das Recht – und gerade das Strafrecht – braucht aber diese Autorität. Denn es wirkt am Wenigsten durch seine Anwendung im Einzelfall, am meisten durch seine Ausstrahlung, durch, wie man heute sagt, positive Generalprävention.
Das Kriminalgericht in Moabit ist zu einer Art running gag der Berichterstattung geworden, regional und überregional. Ein Synonym beinahe für die überalterte, verarmte, düstere und wirklichkeitsferne Justiz. Über die „Strafkolonie von Moabit“ war vor einem halben Jahr in der ZEIT zu lesen:
„Moabit ist verkommen zu einer Justitia in Lumpen, das heißt, es verfällt, und vor allem platzt es aus allen Nähten, weil das Recht und seine Fälle wie der Brei aus dem Märchen immer und ewig quellen. Eine Chiffre ist Moabit für die ganze Mühle der deutschen Justiz …“16
Man wird der Moabiter Justiz durch eine solche Beschreibung nicht gerecht. Aber darauf kommt es nicht an. Das so gezeichnete Bild ist symptomatisch für die öffentliche Wahrnehmung von Justiz. Der Rechtsstaat ist nicht populär. Demoskopen meldeten im Oktober 2000: Nur 28% der Deutschen in den neuen Ländern seien mit dem Rechtsstaat zufrieden, in den alten Ländern 56% 17 – auch das ist nicht viel.
Der “Kreislauf der Furchtvermarktung” zwischen Medien und Politik
Die Funktionalisierung des Strafrechts zu einem Instrument innenpolitischen Ersatzhandelns musste eine ungute Dynamik heraufbeschwören. Wer das Strafrecht als Antwort auf alle möglichen wirklichen oder vermeintlichen Risiken hergibt, gerät in einen „in sich geschlossenen Kreislauf der Furchtvermarktung zwischen Medien und Politik“, so hat Otto Diederichs das in der CILIP 18 bezeichnet und weiter geschrieben:
„Was heute für Medien berichtenswerte Nachrichten sind, wird von Politik und Polizei nur zu gern aufgegriffen und in Handlungsbedarf umformuliert. Mit der Ankündigung eines solchen Bedarfs (ebenso wie mit evtl. Nicht-Handeln) läutet sich die nächste Runde in den Medien dann fast von selbst ein.“ 19
In der Silvesterbeilage 1998 der Süddeutschen Zeitung 20 fand sich eine Tabelle, in die zwei Kurven in ein Diagramm eingezeichnet waren. Die eine stellte die Entwicklung der Fallzahlen von Kindesmissbrauch in den Jahren 1981 (Stand: 100) bis 1998 dar. Die Kurve verlief, ziemlich waagerecht, von 100 auf etwa 75 absinkend von 1981 bis 1987, sodann ansteigend von 1987 bis 1992 auf 100, von 1992 von 100 auf etwa 110. Eine zweite Kurve bezeichnete die Entwicklung der Presseberichterstattung über das Phänomen in derselben Zeitspanne. Sie begann im Jahr 1981 bei etwa 0, blieb bis 1989 auf niedrigem Niveau, um bis 1990 auf 150 empor zu schnellen, nach verschiedenen Ausschlägen nach oben und unten schoss sie schließlich von unter 50 im Jahr 1994 auf 350 im Jahr 1998.
Der Gesetzgeber hat sich an der Medienkurve, nicht jedoch an der Realitätskurve orientiert 21. 1997 (Medienkurve bei 250) wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten 22 vorgelegt, das 1998 (Medienkurve auf 350) verabschiedet wurde.
Eine Strafrechtspolitik, die sich in einen solchen „Kreislauf der Furchtvermarktung“ begibt, läuft Gefahr, nicht nur die Wirklichkeit, sondern auch die bürgerlichen Freiheitsrechte aus den Augen zu verlieren. In der Logik des Medusa-Effektes muss sie, um das einmal besetzte Politikfeld bedienen und Entschlossenheit demonstrieren zu können, Bedrohungsszenarien nachlegen, auf die die verschreckten Bürger mit der Erwartung neuer Gesetze reagieren.
Paradigmenwechsel aus konservativer Sicht
Aus konservativer Sicht hat Rudolf Wassermann die Verschiebungen in der Erwartung an den Rechtsstaat so umschrieben:
„… Da jede zweite Straftat ohne rechtliche Konsequenzen bleibt, das Risiko des Täters also denkbar gering ist, bedrückt die Bürgerinnen und Bürger weniger die Sorge vor der staatlichen Macht als die vor der Ohnmacht des Rechtsstaats vor dem Unrecht. … Wenn Prozesse sich immer länger hinziehen, die Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichte in der Fülle der Verfahren ersticken, Hauptverhandlungen in Strafsachen mehrere Jahre dauern und viele Strafprozesse nur dann beendet werden können, wenn die Justiz mit den Verteidigern einen „deal“ … schließt, dann hat das nicht nur zur Folge, daß das Vertrauen in den Rechtsstaat sinkt. Der Bürger fragt sich, ob der Rechtsstaat nur in einer Richtung wirksam wird, nämlich gegen die Gewalt des Staates, nicht aber gegen die Gewalt, die in der Gesellschaft ausgeübt wird. Gerade von dieser Gewalt aber fühlen sich die Bürgerin und der Bürger bedroht. Sie vermissen die schützende Gewalt des Rechtsstaates, die … jenes Gefühl von Sicherheit vermittelt, das zur Freiheit gehört.“ 23
Es ist bemerkenswert, wie hier alle Objekte der Verdrossenheit gleichsam an einer Perlenschnur aufgereiht werden, ganz gleich ob sie mit dem Thema zu tun haben oder nicht. Man kann sich fragen, was die Überlastung der Arbeitsgerichte mit niedrigen Aufklärungsquoten zu tun hat. Man kann sich fragen, wie der Rechtsstaat durch mehrjährige Hauptverhandlungen gegen die Gewalt des Staates wirksam wird oder ob er sie nicht auch dadurch ausübt. Man kann es fragen, man kann es auch lassen. Es kommt darauf nicht an. Es kommt auch nicht auf den Realitätsgehalt solcher Äußerungen an. Hauptverhandlungen werden nicht länger, das wissen wir spätestens, seitdem das MPI-Gutachten zum Rechtsmittelsystem 24 vorliegt. Wir wissen auch, dass die Kriminalitätsentwicklung in den letzten Jahren auf einem relativ niedrigen Niveau stagniert. Und auch die Kriminalitätsfurcht, für die moderne Kriminalpolitik der wichtigste Parameter, ist – nach erheblichem Anstieg Anfang der neunziger Jahre – deutlich zurückgegangen 25.
Aber das Unbehagen, das sich in solchen Tiraden Luft verschafft, wirkt weiter. Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer, schrieb und malte Goya. Auch die Müdigkeit am Rechtsstaat ruft Gespenster auf den Plan:
Infiltration durch Interessen
Das Strafverfahren wird infiltriert von Interessen. Sie treten in Konkurrenz zu dem Programm der Wahrheitserforschung und der Feststellung von Schuld oder Unschuld.
a. Vermögen
Da ist zunächst das Interesse, das der Staat selbst mit dem Prozess verfolgt. Dieses Interesse ist immer da gewesen. Schließlich geht es um den staatlichen Strafanspruch. Mit der Übertragung von Steuerungsfunktionen auf das Strafrecht ist es mit dem majestätischen Gleichmut dieses Strafanspruchs aber vorbei. Strafrecht wird zu einem Instrument zur Durchsetzung staatlicher Interessen. Der Staat entwickelt sich zur Prozesspartei 26. Und das neuerdings noch aus einem weiteren, sozusagen fiskalisch motivierten Grunde: Denn das Hauptaugenmerk beginnt sich von der Person des Beschuldigten zu verlagern auf das Vermögen. Auf europäischer Ebene ist schon von einer „kopernikanischen Wende“ der Kriminalpolitik die Rede 27. Herr Hetzer, leitender Regierungsdirektor, hat kürzlich in der wistra 28 davon geschwärmt, mit der Einführung vermögensbezogener Interventionsmöglichkeiten verliere das Strafrecht seinen Charakter als Tat-Täter-Schuldstrafrecht. Es entstünde eine „eigene Straftheorie“ und das soll heißen:
„Vorrang der Prävention in allen Spielarten; Entwicklung juristischer Phantasie bei der Erfindung zweckmäßiger Verfolgungsinstrumente; Rücknahme strenger rechtsstaatlicher Sicherungen, die nur noch für die normale Kriminalität als uneingeschränkt angemessen gelten. Es geht um die `4. Spur´ des Strafrechts, die man auch dem Polizeirecht zuordnen könnte, wenn man auf juristische Konturierung und rechtsstaatliche Sicherungen verzichten wollte.“ 29
Diese Art von Paradigmenwechsel soll hier nicht vertieft werden. Eine Arbeitsgruppe dieses Strafverteidigertages wird sich damit befassen. Mir geht es um einen ganz handfesten Aspekt: Vermögen schafft Begehrlichkeiten. Man spricht in Europa vom „treasure hunting”, das die Polizei betreibt, und es gibt bereits zwischenstaatliche Abkommen, die die Verteilung der Beute regeln. Aus der baden-württembergischen SPD kam kürzlich (im Dezember 2000) die Forderung, die Vermögenseinziehung durch Beweislastumkehr zu erleichtern. Polizei und Justiz bräuchten schließlich das Geld, um den Verfolgungsdruck auf das organisierte Verbrechen weiter erhöhen zu können 30.
b. Der interessierte Zeuge
Eigene Interessen verfolgt auch der Zeuge, der in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde. Gegen solche Programme ist eigentlich nichts einzuwenden. Denn auch Angst vor Rache und Bedrohung kann die Wahrheitsliebe trüben. Dem geschützten Zeugen werden allerdings auch allerlei Vorteile versprochen – bis hin zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für den zu schützenden ausländischen Zeugen oder zur Gewährung von Unterstützungsleistungen. Entscheidendes Problem ist der Mantel des Schweigens, der in Gestalt von Verschwiegenheitsverpflichtungen und Schweigerechten über diese Umstände und damit über das von dem Zeugen möglicherweise mitverfolgte Interesse gebreitet wird. Bislang wurde dieser Mantel von der Rechtsprechung rechtsschöpferisch geschneidert 31, demnächst, wenn der vorliegende Entwurf des Bundesrates Gesetz werden sollte 32, auch vom Gesetzgeber gebilligt, der das fait accompli mit der Weihe des Gesetzes versehen soll, ohne die Probleme für die Wahrheitsfindung zu lösen. Denn für die Prüfung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen ist es naheliegenderweise von Bedeutung, ob ihm ein Weingut in der Toscana oder staatliche Unterstützung anderer Art 33 versprochen wurde.
Am geschützten Zeugen prallen diese Fragen ab.
Auch beim Kronzeugen wird die Rolle als Beweismittel von Interessen überlagert. Zwar ist er zur Zeit nur noch im BtmG, bei der kriminellen und der terroristischen Vereinigung und bei der Geldwäsche vorgesehen. Es wird aber darüber nachgedacht, die Kronzeugenrolle zu einem vertypten Strafmilderungsgrund bei allen Straftaten zu machen, deren Begehung mit einer im Mindestmaß erhöhten oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist 34. Die Befürworter dieser Ausweitung haben zunächst vorgebracht, man brauche diesen Aufklärungsgehilfen bei der Ermittlung sog. opferloser Straftaten, von Straftaten also, wo kein Zeuge zur Verfügung steht, der wegen seiner Verletztenrolle an der Aufklärung interessiert ist 35. Neuerdings soll der Kronzeuge helfen, rechtsradikale Gruppenstrukturen aufzubrechen. Von opferlosen Delikten kann man in diesem Bereich wahrhaftig nicht sprechen. Die Austauschbarkeit der Begründung macht deutlich, dass es auf sie nicht ankommt. Die Motivierung des Zeugen, seine Belohnung als Programm ist rechtspolitisch salonfähig geworden. Mit dieser aktuell drängenden Problematik wird sich eine ad-hoc-Arbeitsgruppe beschäftigen 36.
c. Der Opferzeuge
Mit eigenen Interessen tritt schließlich auch das mutmaßliche Tatopfer in das Forum ein. Es geht ihm um die Feststellung und Bestrafung des Täters. Das ist legitim und transparent. Die Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen blieb bislang weitgehend außen vor. Die Verankerung des Zeugenbeistandes in der StPO hat diesem Verfahrensbeteiligten, so unklar seine Rolle im Übrigen blieb, die Konturen eines Verletztenbeistandes verliehen. Schon die so begleitete Zeugenaussage tendiert dazu, sich von der schlichten Wiedergabe von Erinnerung in eine Parteierklärung, von einer Wissensbekundung in Interessenwahrnehmung (Schünemann 37) zu verwandeln. Der Entwurf des 2. Opferschutzgesetzes 38 und neuerdings ein Entwurf des Bundesrates für ein „Gesetz zur Stärkung der Verletztenrechte” 39, schreiben diese Tendenz fort. Der Verletzte soll, so die Entwurfsbegründung, vom „Beweismittel hin zum Verfahrensbeteiligten emanzipiert” 40 werden. Dazu ist vorgesehen, dem Adhäsionsverfahren in der Praxis größere Bedeutung zu geben und die Möglichkeit zu schaffen, zwischen Beschuldigtem und Verletztem einen Wiedergutmachungsvergleich durch das Strafgericht zu protokollieren. Die Vernehmung des auf diese Weise zur Prozesspartei „emanzipierten” Zeugen soll nach dem jüngsten Entwurf allerdings bei einer Reihe von Vorwürfen, darunter alle Körperverletzungsdelikte, allein dem Vorsitzenden vorbehalten bleiben 41. Es entsteht ein Parteiprozess unter verschärften inquisitorischen Bedingungen.
Probationes luce meridiana clariores, Beweismittel, die hell wie die Mittagssonne leuchten, forderte das kanonische Recht als Grundlage jeder Verurteilung 42. Wie weit sind wir, im Halbschatten von Rechtsstaatsmüdigkeit, von der Leuchtkraft solcher Gedanken entfernt.
Neues Selbstverständnis des Strafverteidigers
Wo aber so viele Interessen sich im Forum drängeln, liegt es nahe, sie zu verhandeln. Es geht dann nicht mehr in erster Linie um das rechtlich richtige Ergebnis. Es geht um Ausgleich. Der Rechtsfriede soll unmittelbar wieder hergestellt werden und nicht erst auf dem Umweg der Wiederherstellung der Geltungskraft der verletzten Norm.
„In der Relativität der Interessenlagen”, schreibt Krauss, „wird auch der einstmals absolute Strafanspruch (des Staates) verhandlungsfähig. Das plea bargaining folgt nicht nur den Zwängen des Verfahrens, sondern zum guten Teil auch der Sachlogik eines gewandelten Strafrechtsverständnisses.“ 43
Diese Entwicklung hat Spuren im Selbstverständnis der Strafverteidigung hinterlassen. Absprache, Kommunikation, deal, das sind, versehen mit verschiedenen Attributen – schmutzig, heimlich, offen, verfahrensbeendend -, die Kernfragen, um die sich die Konturen einer veränderten Rolle ausbilden. Nicht nur einer veränderten Rolle, sondern auch eines neuen Selbstverständnisses.
Man muss vielleicht daran erinnern, dass wir in unserem Selbstbild mit den absoluten Werten eines aufgeklärten Rechtsstaatsverständnisses schon immer unsere Probleme hatten. Die Frage, wen man verteidigen dürfe und wen nicht, kann sich danach gar nicht stellen. Uns hat sie aber immer wieder beschäftigt. Denken Sie an die Debatte über die Verteidigung mutmaßlicher Vergewaltiger. Und als sich in einem kürzlich in Cottbus zu Ende gegangenen Strafprozess die Öffentlichkeit darüber erregte, dass Verteidiger mit Anträgen zur Sitzordnung die Hauptverhandlung gegen Angeklagte torpediert hätten, denen zur Last gelegt wurde, einen Mann aus Algerien zu Tode gehetzt zu haben, als in der Presse Stimmen zitiert wurden, die die Verteidiger deswegen als Gesinnungsgenossen der Angeklagten bezeichneten und verlangten, sie – also die Verteidiger – müssten „exkommuniziert“, in der „Gesellschaft isoliert“ 44 werden, da schwiegen die anwaltlichen Organisationen, auch die der Strafverteidiger.
Dabei hat die Frage, wer von einem anständigen Verteidiger verteidigt werden darf, in den letzten Jahren erheblich an Spannung verloren. Die Cottbusser Episode lässt aber befürchten, dass dahinter nicht ein Selbstverständnis steht, dass das unteilbare Menschenrecht auf Verteidigung im Berufsbild des Verteidigers verwurzelt hätte, vielmehr die Ermüdung einer einst moralisch aufgeladenen Haltung in einem eher geschäftsmäßigen Verhältnis zum Beruf.
Für die Ausbreitung dieses Geschäftsmäßigen, des Absprachewesens, lassen sich verschiedene Ursachen benennen. Weider meint in seiner Monographie vom „Dealen mit Drogen und Gerechtigkeit“ 45, die Bereitschaft der Justiz zum Gespräch mit der Verteidigung sei erkämpft worden. Man könnte auch formulieren: eine professionell gewordene Verteidigung hat sich Respekt verschafft. Im Übrigen lässt sich dem einmal erkannten Friedensbedürfnis der Justiz mit dem Bemühen begegnen, die streitenden Interessen jenseits des Strafverfahrens zu versöhnen, um dem staatlichen Strafanspruch den Wind aus dem Segel zu nehmen. Wenn einmal die Sensibilität der Justiz für den Konflikt entdeckt ist, der dem Strafverfahren zugrunde liegt, rückt das Konfliktmanagement als Verteidigungsstrategie in den Vordergrund. Das ist zunächst einmal eine vernünftige Konsequenz zum Nutzen auch des Mandanten.
Aber auch Verteidiger sind von der Müdigkeit am Rechtsstaat ergriffen. Es ist bequemer, ein Verfahren mit einer Absprache zu beenden. Die Justiz hat sich darauf eingestellt. Die Perspektive einer langwierigen Hauptverhandlung ist längst in das Droharsenal von Staatsanwaltschaften und Gerichten übergegangen. Und wenn der Mandant in Haft sitzt und ihm überdies das Geld ausgeht, ist die Bereitschaft zum Vergleich besonders beim Verteidiger beträchtlich. In den Augen unserer Mandanten geraten wir auf diese Weise in die Position derjenigen, die sie von der Berechtigung der Sanktionswünsche der Staatsanwälte und Gerichte überzeugen wollen. Wir werden zum „Organ der Rechtspflege” in einem buchstäblichen Sinn, den wir uns nicht hätten träumen lassen.
Anforderungen an eine Strafprozessreform
Absprache bedeutet allerdings auch und immerhin, dass überhaupt gesprochen wird. Das ist angesichts der Sprachlosigkeit einer lange Zeit von autoritärem Denken dominierten Strafprozesspraxis schon ein Fortschritt. Der haut gout, der dieser Art von Kommunikation anhaftet, kommt von ihrer Formlosigkeit. Sie hat sich nicht aus den kommunikativen Elementen des Verfahrensrechts in der Hauptverhandlung – z.B. aus dem Erklärungsrecht nach § 257 StPO – entwickelt, sondern außerhalb des Forums.
Ihr weiteres Problem ist die Ergebnislastigkeit. Dort, wo von Kommunikation im Strafprozess die Rede ist, steht sogleich gebieterisch der „Konsens“ im Raum. Es wird so getan, als würden beide Begriffe das gleiche meinen. Dabei sollte Kommunikation zuallererst der Reduzierung des durch die Beschuldigung in einen Strafprozess überführten Konfliktes auf das Wesentliche dienen. Um ihn sodann in angemessener Form auszutragen – oder beizulegen.
Für diese Art von Kommunikation, ich spreche von offener Kommunikation im Strafprozess, angemessene Regularien zu finden, ist die Hauptaufgabe einer Strafprozessreform. Nur deswegen ist eine solche Reform überhaupt erforderlich. Um Justiz zu entlasten, brauchen wir keine Reform. Die Justiz hat selbst Wege gefunden, sich zu entlasten.
Das Tatopfer im Strafprozess
Das Unbehagen am Rechtsstaat hat das Opfer mehr und mehr ins Zentrum des kriminalpolitischen Interesses gerückt. Ein prominentes Kriminalitätsopfer, Jan Philip Reemtsma, schrieb vor Kurzem in der FAZ:
„In letzter Zeit ist es verstärkt zu einer Debatte über die Rolle des Opfers im Strafrecht gekommen, eine Debatte, die zuweilen sehr kontrovers geführt wird, weil denjenigen, die für eine Neubewertung eintreten, gerne unterstellt wird, es gehe ihnen um die Schwächung der Rechtsstellung des Angeklagten im Strafverfahren. Darum geht es aber nicht. Wir alle sind stets potentielle Verbrechensopfer und stets potentielle (unschuldig) Angeklagte. Wir sollten Probleme des Strafverfahrens stets aus dieser doppelten Perspektive sehen, und gerade darum ist die Debatte um die Rolle des Opfers im Strafrecht notwendig.“ 46
Diese notwendige Debatte ist an Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern weitgehend vorbeigegangen. Sie haben sie allenfalls skeptisch bis abwehrend begleitet. Das hat einen guten Grund: Die Aufwertung der Position und der Interessen des Opfers im Strafverfahren ist unter dem Mehltau der Rechtsstaatsmüdigkeit bislang völlig konzeptionslos und ohne Rücksicht auf die Prinzipien des Strafverfahrensrechts erfolgt. Für den Täter-Opfer-Ausgleich gibt es immer noch kein Verfahren, das regeln würde, wer für die Durchführung des Ausgleichs zuständig sein soll und wer beteiligt sein darf, ob und wie Beweise erhoben und verwertet werden dürfen, welche Belehrungen erforderlich sind. Ungeregelt blieb auch die entscheidende Frage, was mit den Inhalten einer gescheiterten Verständigung zu geschehen hat, wenn der Beschuldigte im Strafverfahren schweigt. Dabei müsste es, wenn der nemo-tenetur-Grundsatz nicht durch die Hintertür des Täter-Opfer-Ausgleichs verschwinden soll, der Beschuldigte in der Hand haben, ob er die Verwertung der Inhalte einer gescheiterten Verständigung im Strafverfahren zulässt oder nicht. Die §§ 155a und b StPO 47 haben diese Probleme nicht im Ansatz gelöst.
Die Opferschutzgesetzgebung verfolgte von Anfang an eine gegen den Angeklagten und seine Verteidigung gerichtete Tendenz. Ein bestimmter Kreis von Verletzten, der, wenn man auf die jüngsten Vorschläge blickt, sich ausweitet, wird von der Zeugenrolle zu der einer Prozesspartei „emanzipiert” und dazu ermuntert, das Strafverfahren als Ort der Durchsetzung seiner privaten Interessen zu begreifen. Der auf diese Weise faktisch etablierte Parteiprozess soll dann auch noch mit verschärften inquisitorischen Methoden geführt werden, indem die Befragung dieser Zeugenpartei allein dem Vorsitzenden vorbehalten wird.
Lassen Sie uns einen Blick in den Gerichtssaal werfen, um eine Vorstellung davon zu gewinnen, was auf uns zukommen könnte. Zum Glück gibt es das Kammergericht!
Ich zitiere aus einem Revisionsurteil seines 5. Strafsenats vom 1. März 2000 48, mit dem eine Verurteilung wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung aufgehoben wurde:
„Daß der Angeklagte und sein Verteidiger von ihrem Fragerecht Gebrauch gemacht haben, hat die Strafkammer mit der Formulierung `die Bekundungen, die ihr (also der Zeugin, SK), von dem Angeklagten und seinem Verteidiger nicht erspart wurden´ als Beweisanzeichen für deren Wahrheit angesehen. Das ist rechtsfehlerhaft. Denn wenn zwischen der Einlassung des Angeklagten und den Bekundungen der einzigen Belastungszeugin Unterschiede bestanden, lag für alle Prozeßbeteiligten nichts näher, als den Gründen hierfür durch Nachfragen auf die Spur zu kommen. Andere Handlungsmöglichkeiten für einen Angeklagten, der sich zu Unrecht vor Gericht gestellt wähnt, lägen darin, entweder durch ein seiner inneren Haltung widersprechendes Geständnis der Zeugin ihr Erscheinen vor Gericht zu ersparen oder deren Bekundungen widerspruchslos hinzunehmen. Beides kann von ihm in einem fairen Prozeß nicht verlangt werden. Verhält er sich nicht so, sondern stellt er die Darstellung der Belastungszeugin in Frage, so spricht das nicht gegen den Wahrheitsgehalt seiner Aussage. Daß der Angeklagte oder sein Verteidiger bei ihren Fragen ihrerseits unsachlich oder verletzend vorgegangen seien, ist im Urteil nicht festgestellt.”
Dass ein Revisionsgericht im Jahr 2000 Anlass hat, mit solchen Selbstverständlichkeiten ein tatrichterliches Urteil aufzuheben, hat etwas Symptomatisches für den Zustand der Unschuldsvermutung. Und es gibt mir eine Vorstellung dessen, was auf uns zukäme, wenn die Vorschläge des Bundesratsentwurfes Gesetz würden.
Man kann das Bild ja noch weiter entwickeln: Wenn dann der Vorsitzende, nach den Regeln Offener Kommunikation, seine Vorstellung vom vorläufigen Ergebnis einer solchen Beweiserhebung um die Freiheitsstrafe ergänzt, die zu erwarten ist, wenn nicht mit dem Opfer ein Vergleich über die Zahlung eines Schmerzensgeldes protokolliert wird, wenn er dieser Strafe die bei Vergleichsabschluss vorstellbare niedrigere Sanktion gegenüberstellt, wenn dann die Verteidigung das Schmerzensgeldsangebot um 50% erhöht unter der Voraussetzung, dass das Strafmaß sich um den gleichen Prozentsatz reduziert, dann gewinnt man eine Vorstellung von dem Tollhaus, in das sich das Forum verwandeln könnte, wenn alle an das Strafverfahren herangetragenen Erwartungen auf den Strafprozess wie auf einen Packesel aufgesattelt werden.
Die doppelte Perspektive, aus der die Probleme des Strafverfahrens nach Reemtsmas richtiger Ansicht gesehen werden müssen, kann damit nicht gemeint sein. Wir müssen aber aus dieser doppelten Perspektive auf den Strafprozess blicken. Ihre Ausbildung ist irreversibel. Es muss daher über Verfahrensmodelle nachgedacht werden, die beiden Perspektiven gerecht werden können. Zum Beispiel über ein dem Strafverfahren vorgelagertes formalisiertes Verfahren, in dem der Ausgleich zwischen Verletztem und mutmaßlichem Täter unter Wahrung des nemo-tenetur-Grundsatzes versucht werden kann. Wenn das misslingt, mag das mutmaßliche Opfer im Strafprozess an der Feststellung von Schuld und Strafe mitwirken. Die Befriedigung seiner materiellen Interessen muss anderen Verfahren vorbehalten bleiben.
Oder man geht den einmal eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende und transformiert den Strafprozess in ein Parteiverfahren, so wie es Ende der 80er Jahre in Italien geschehen ist 49.
Die goldenen Zeiten, in denen es allein um die Feststellung von Schuld oder Unschuld, um den erhabenen Strafanspruch des Staates und darum ging, den Staat und seine Organe „vor der Gefahr der Verfolgung oder gar der Bestrafung eines Nichtschuldigen zu bewahren“ (Drucker), werden wir, wenn es sie je gab, nicht wiederbekommen.
Und jetzt?
Was haben wir eigentlich jetzt?
Gehen wir einmal davon aus, die Nebel der Rechtsstaatsmüdigkeit würden sich ein wenig lichten. Die Kriminalitätsfurcht, der Druck auf Strafrecht und Strafverfahren lassen nach, die Entlastungs- und Beschleunigungsspirale dreht sich nicht weiter. Auch Gefahr ist nicht mehr ständig im Verzuge 50.
Welche Konturen, welche Verwerfungen zeichnen sich ab?
Der Rechtsstaat hat sich verändert. Fragen Sie mich jetzt bitte nicht, wie. Für ein Strafrecht, das gestaltend in die Zukunft wirken, Entwicklungen beeinflussen, Organisationen steuern will, müssen so altertümliche Begriffe wie Schuld oder Unschuld mit ihrer auf ein vergangenes Ereignis bezogenen individuellen Ausrichtung kontraproduktiv wirken. Kann vielleicht ein Unternehmensstrafrecht den Druck mindern, der auf dem Individualstrafrecht lastet ?51 Was ist der Zustand der Unschuldsvermutung? Welche Bedeutung besitzt die Wahrheit als prozessleitendes Kriterium, wie weit ist sie disponibel geworden? Diese tiefgründigen, diese wesentlichen Fragen lassen sich aus der Froschperspektive des Strafverteidigers schwer beantworten.
Wir sind aber in der Lage, strafprozessuale Absprachen zu treffen mit dem Inhalt, dass Stiftungsprofessuren finanziert werden 52, die diese Fragen beantworten werden. Das können wir nämlich besser, auch das wird sichtbar, wenn die Nebel sich ein wenig lichten, das social engineering. Die Fähigkeiten, den Feinsinn, den viele von uns entwickelt haben, den Konflikt, der dem Strafverfahren zugrunde liegt, zu begreifen, zu regulieren und mitsamt dem Verfahren geräuschlos zu bereinigen, halte ich – anders vielleicht als viele von Ihnen – für eine typisch advokatorische Errungenschaft der Verteidigungskultur.
Freilich hat sich herausgestellt, dass sich dieses Geschick nicht mehr entfalten kann, wenn die Tatbestände des Strafrechts verschwimmen und die strenge Verbindlichkeit des Verfahrens schwindet, mit der das Verhandlungsgegenüber diszipliniert werden kann. Gerade die BtM-Verfahren haben diese Erfahrung gelehrt.
Die Verteidigungskultur, die sich im Stillen entfaltet, braucht doch eine Öffentlichkeit, vor der die getroffene Absprache bestehen muss – und sitze sie auch nur in Gestalt des schlechten Gewissens auf der Zuschauerbank.
Der Schwerpunkt der Verteidigungsaktivitäten hat sich mehr und mehr in das Ermittlungsverfahren verlagert, auch das ist hinter dem Nebel zu erkennen.
Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, und zwar auch und gerade dann, wenn es gelingt, die unverändert aktuelle Forderung eines partizipatorischen Ermittlungsverfahrens durchzusetzen, in dem die Verteidigung frühzeitig Gelegenheit erhält, an den Beweiserhebungen mitzuwirken 53.
Das Abtauchen in die Geräuschlosigkeit des Ermittlungsverfahrens wird den Verlust von Öffentlichkeit für die Probleme von Strafrecht und Strafverteidigung vermehren, der schon jetzt eingetreten ist. Strafprozesse werden als eine Einrichtung wahrgenommen, die für gefährliche Kriminelle vorgesehen ist. Die Öffentlichkeit, hat Franz Salditt gesagt, „verliert den Instinkt dafür, dass es sich um eine Grenzsituation der Freiheit handelt, in die jeder geraten kann und in der jeder auf rechtsförmigen Schutz angewiesen ist.“ 54 Und sie verliert die Sensibilität für die Gefahren, die aus einem wuchernden Strafrecht für die Freiheit entstehen.
Die verlorene Öffentlichkeit wäre möglicherweise ein Stück zurückzugewinnen, wenn Regeln offener Kommunikation im Verfahrensrecht der Hauptverhandlung etabliert würden, die das Verfahren auch für die Öffentlichkeit transparenter, die Position der Verteidigung nachvollziehbar machen: Die Befugnis der Verteidigung zum opening statement als Erwiderung auf die Verlesung der Anklage, und insbesondere die Verpflichtung des Gerichts zur Offenlegung seiner vorläufigen Bewertung des Beweisergebnisses auf Antrag des Angeklagten oder seines Verteidigers 55, nach Gewährung rechtlichen Gehörs.
Es mag sein, dass die Stimmung für die Realisierung solcher Überlegungen hierzulande nicht günstig ist sondern eher dem Ruf nach kurzem Prozess. Das ist nichts Neues.
„Die soziale und politische Schichtung unseres Volkes“, hat Martin Drucker, ich erwähnte ihn schon, 1909 geschrieben, „scheint es heute zwar noch nicht zuzulassen, in der Strafprozessordnung ein System der Verteidigung auszubilden. Wir dürfen aber bescheiden verlangen, dass das Haupt des Gesetzgebers mit einem vollen Öltropfen defensorischer Tendenz gesalbt sei.“ 56.
Das dürfen wir auch.
Es hat auch den Anschein, nach allem, was wir bislang zu hören bekamen, dass die Vorstellungen der Anwaltschaft von Partizipation und Kommunikation und von der Notwendigkeit ihrer Formalisierung, damit „der gute Wille Gestalt gewinnen kann” (Zachariä) in die Reformüberlegungen des BMJ einfließen. Mit einer in diese Richtung gehenden Reform wäre zwar die große, die entscheidende Aufgabe der Zurückführung des Strafrechts auf das Wesentliche nicht zu lösen.
Aber es wäre wenigstens wieder – Wand in Sicht! Wir kämen wieder an eine Wand, an der wir mit dem Rücken stehen können. Und den Oscar könnten wir dann auch vergeben – für die Lösung der angesprochenen, der wesentlichen Fragen.
Anmerkungen:
1 Vgl. hierzu etwa P.-A. Albrecht, StV 94, 265 f.; F. Herzog in: ders. (Hrsg.) Quo vadis Strafprozeß?, Baden-Baden 1998, S. 21 ff. (23 ff.)
2 in diesem Sinne auch Kempf, NJW 1997, 1729 ff., 1730
3 Martin Drucker, Die Verteidigung nach dem Entwurfe der Strafprozeßordnung, in: Festschrift der Universität Leipzig zur fünfhundertjährigen Jubelfeier, Leipzig 1909, S. 51 ff., 51
4 P.-A. Albrecht a.a.O.
5 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates, 1983
6 BVerfGE 33, 367 ff. (383)
7 Geiß zit. n. einer Meldung der dpa vom 18. April 1997; vgl. www.fes.de/kommunikation/recht/online/presse/dpa2.html
8 vgl. dazu – für viele – Naucke, KritV 93, 336 ff. (339); P.-A. Albrecht, KritV 93, 163 ff.; Kempf, NJW 1997, 1729 ff. (1730 f.) und Richter II, AnwBl. 88, 440 ff. (441)
9 Richter II a.a.O. S. 442
10 dazu Kempf a.a.O. (Fn.8), 1731
11 in der Begründung zum Entwurf des Bundesrates für ein “Strafrechtsänderungsgesetz – Graffiti Bekämpfungsgesetz” ( BT-Drs. 14/872) hieß es “Ästhetik schafft Lebensgefühl, das auch strafrechtlich schutzwürdig ist.”
12 so jüngst durch die Gesetzentwürfe der Länder Brandenburg (“Gesetz zur verbesserten Bekämpfung extremistischer Gewalttaten”, BR-Drs. 577/00) und Mecklenburg-Vorpommern (“Gesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Menschenwürde”, BR-Drs. 759/00), die dem Problem rechtsextremistisch motivierter Straftaten durch neue Strafvorschriften zu Leibe rücken wollen; dazu Stellungnahme des DAV von März 2001, Nr. 8/2001.
13 für viele: Hassemer, NStZ 1989, 553 ff. (557)
14 Strafverfahrensbeschleunigungsgesetz, Entwurf der Abgeordneten Geis u.a. und der Fraktion der CDU/CSU vom 05.10.99, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/1714
15 Geiß, zit.n. “Die Welt” vom 27.06.1998, S.2
16 Ullrich Fichtner in “Die Zeit” Nr.37 vom 07.09.2000 (Dossier) unter der Überschrift “Die Strafkolonie von Moabit”; s. auch “Tagesspiegel” vom 19.09.2000 unter der Überschrift “Geldmangel. Container für die Staatsanwälte – Keksdosen für die Zeugen” und auch “Süddeutsche Zeitung” vom 23.02.2001 “Notprogramm für die Justiz”, wo es hieß: “Am Landgericht Moabit müssen Richter und Staatsanwälte nicht selten mit Bleistift und Papier – oder mit Hilfe ihres privaten Laptops – ermitteln, weil Dienstcomputer fehlen. Teile der Justiz arbeiten in maroden Wohncontainern (die SZ berichtete). Zahlreiche Verfahren, vor allem im Bereich Schwarzarbeit und Computerkriminalität, werden eingestellt oder ziehen sich wegen Personalmangels hin, klagt die Staatsanwaltschaft”
17 so meldete die “Berliner Zeitung” am 02.10.2000
18 Diederichs in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 57 (2/97)
19 Diederichs a.a.O.
20 Beilage zur “Süddeutschen Zeitung” vom 31.12.98, S. 24
21 (und sie seinerseits beflügelt)
22 BR-Dr. 163/97
23 Rudolf Wassermann, Wen und wovor schützt der Rechtsstaat?, in: Noske (Hrsg.), Der Rechtsstaat am Ende?, München und Landsberg am Lech 1995, S. 9 ff., (12)
24 Gutachten des Max Planck Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zur “Rechtswirklichkeit und Effizienz des deutschen Rechtsmittelsystems im Strafrecht unter Berücksichtigung des internationalen Standards”, S. 34 = Becker/Kinzig (Hrsg.) Rechtsmittel in Strafsachen, Freiburg i.B. 2000, Bd. 2, S.23
25 zu beiden Parametern vgl. Hefendehl/Hohmann ZRP 2001, S. 23 ff. (24 u. Fn.5 und Fn.11); zum Rückgang der Kriminalitätsfurcht Reuband, Neue Kriminalpolitik 1999, 16 ff.
26 in diesem Sinne auch Krauss, Strafverteidigung – wohin?, Vortrag auf dem Forum Strafverteidigung in Bern am 20.03.1999, S.15 des Manuskripts, das mir vom Verf. freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde
27 ich beziehe mich hier auf die Ausführungen von MD Jekewitz, Leiter der Abteilung Europarecht und Völkerrecht im BMJ, in einem Referat, gehalten auf einer gemeinsamen Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses und des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins am 16.02.2001 in Berlin über die kriminalpolitische Entwicklung auf europäischer Ebene
28 wistra 2000, 368 ff. (374)
29 Hetzer a.a.O. (Fn. 27)
30 Presseerklärung der Fraktion der SPD im Landtag von Baden-Württemberg vom 12.12.2000
31 vgl. etwa OVG Berlin, Beschluss vom 20. Januar 1993, OVG 4 S 85.92, und VG Berlin, Beschluss vom 23. September 1999, VG 1 A 281.99
32 BT-Drs. Nr. 14/638 vom 23.03.99; inzwischen liegt ein – noch nicht veröffentlichter – Entwurf der Bundesregierung für ein “Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen” vor, der “Generalklauseln anstelle der im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgesehenen Einzelfallregelungen” (so der Entwurf) enthält.
33 nach dem Entwurf des Bundesrats (Fn. 32 ) ist u.a. vorgesehen:
die Befugnis, der zu schützenden Person “Tarndokumente” auszustellen, mit denen sie auch am Rechtsverkehr teilnehmen darf (§ 8 Abs.1 und 3);
die (vorübergehende) Sicherung des Lebensunterhalts der zu schützenden Person durch die Zeugenschutzdienststelle (§ 10 Abs. 2)
ausländerrechtliche Bestimmungen zur Ermöglichung von Aufenthaltsrechten und Errichtung von Abschiebungshindernissen im Interesse des Zeugenschutzes (Art.6)
und alles überwölbt eine umfassende Verschwiegenheitsverpflichtung in § 5. “Dies gilt über den Zeitpunkt der Beendigung des Zeugenschutzes hinaus” (§ 5 Abs.1 S. 2)
34 § 46b StGB in der Fassung eines unveröffentlichten Regierungsentwurfs
35 das ist zu entnehmen dem Abschlußbericht von U.Mühlhoff/S. Mehrens, erstellt im Auftrag des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, S. 95 und dem Entwurf des Landes Rheinland-Pfalz für eine Kronzeugenregelung vom 27.03.2000, hier zit.n. der Stellungnahme des DAV-Strafrechtsausschusses 7/2001 von März 2001
36 die Ergebnisse der Arbeitsgruppe sind abrufbar auf der homepage der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. ( https://www.strafverteidiger-berlin.de/forum/index.html#veranstaltungen)
37 Schünemann, StV 1998, 391 ff. (393)
38 BT-Drs. 13/6899
39 BT-Drs. 14/4661; ihm war vorausgegangen ein Entwurf der Freien und Hansestadt Hamburg vom 03.09.99, BR-Drs. 507/99
40 BT-Drs. 14/4661, S. 2
41 Artikel 1 Nr.6 des Entwurfs
42 daran erinnerte Drucker a.a.O. ( Fn. 3) S. 51
43 Krauss a.a.O. (Fn. 25)
44 so soll sich nach einer Meldung der “Berliner Zeitung” vom 14.11.2000 der Cottbusser Generalsuperintendent Rolf Wischnath über Verteidiger im “Gubener Hetzjagdprozeß” geäußert haben, in dem das LG Cottbus am 13.11.2000 das Urteil verkündete. Ich habe bei Herrn Wischnath nachgefragt. Er ließ bestreiten, sich so geäußert zu haben
45 Hans-Joachim Weider, Vom Dealen mit Drogen und Gerechtigkeit, Godesberg 2000
46 FAZ vom 31. Januar, Seite 51; zu Reemtsmas Überlegungen zur Rolle des Tatopfers im Strafrecht vgl. Prittwitz in: Schünemann/Dubber, Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem, Köln pp. 2000, S. 51 ff, auch mit einer Übersicht über die von Reemtsmas Beitrag ausgelöste Diskussion
47 zur Kritik an der Regelung des Täter-Opfer-Ausgleichs vgl. auch Hamm in: Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, Alternativentwurf des Strafrechtsausschusses des DAV, 2000, S. 112 ff.
48 KG, Urteil vom 01.03.2000, (5) 1 Ss 60/00 (14/00); https://www.strafverteidiger-berlin.de/rechtsprechung/-5-1Ss60-00-14-00-.htm
49 über die dortige Diskussion ist mir Näheres nicht bekannt. Angeblich funktioniert dieser neue Parteiprozess in der Praxis nicht; vgl. Maiwald in: Das Opfer in der Kriminalitätsbekämpfung, BKA-Arbeitstagung 1995, S. 311 ff., 314
50 Urteil des BVerfG vom 20.02.2001, 2 BvR 1444/00, zu den – engen! – Voraussetzungen einer Durchsuchungsanordnung durch die Staatsanwaltschaft bei “Gefahr im Verzuge”
51 das meinen Heine, JZ 1995, S. 651 ff. (656) und Salditt in Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, Alternativentwurf des Strafrechtsausschusses des DAV, 2000, S. 29
52 wie es im sog. Holzschutzmittel-Verfahren geschehen ist: LG Frankfurt/Main NJW 1997, 1994 f.
53 vgl. die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zur Reform der Strafjustiz in AnwBl. 2001, 31 ff. (40); in diese Richtung gehend auch die “Überlegungen zu einer Reform des Strafverfahrens” des Strafrechtsausschusses der BRAK, S. 7 f. der mir vorliegenden Textfassung
54 Salditt, Strafverteidiger und öffentliche Meinung, Vortrag auf dem Anwaltstag 1999 in Bonn, Manuskript S. 20
55 ich bin der Meinung, dass dieses Antragsrecht nur Angeklagtem und Verteidigung, nicht jedoch anderen Verfahrensbeteiligten zustehen darf, um zu verhindern, dass die Offenlegung der vorläufigen Beurteilung des Gerichts – insbesondere in Verbindung mit der sog. Sanktionsschere – dazu eingesetzt wird, den Angeklagten unter Druck zu setzen und geständnisbereit zu machen. Eines Antragsrechts bedarf es allerdings. Vgl. im Übrigen die Reformvoschläge von DAV und BRAK a.a.O. (Fn. 52)
56 Drucker a.a.O. (Fn. 3), S. 51 f.