I. Viktimäre Rechtspolitik – konzeptionslose Nebenklage*
Seit etwa dreißig Jahren lässt sich in Deutschland und vergleichbaren Ländern eine gesteigerte Sensibilität für die Belange von Kriminalitätsopfern feststellen. In der gesamten westlichen Welt ist ein Klimawandel erfolgt. Die Aufmerksamkeit und das Interesse sind vom Beschuldigten zum Opfer gewandert.|1 Die Solidarität und das Mitgefühl mit dem Opfer verbindet das Gemeinwesen: Nicht der überlegene Sieger, sondern die Opferschaft bildet den »Referenzpunkt individueller Eigenschaften«; das »schwache erleidende Opfer« wird zum »Grundmodell der Typisierung von Individuen«.|2 Die Gesellschaft insgesamt ist viktimär geworden.|3
Garland hat das in treffender Weise so auf den Punkt gebracht, dass das Opfer nicht länger als Pechvogel wahrgenommen werde, der am Ende der Kette des kriminellen Leids steht und dessen Interesse unter das öffentliche Interesse subsumiert wird. Das Opfer ist in gewisser Weise zum Klischee (»representative character«) geworden; seine Erfahrungen werden nicht als individuell und atypisch, sondern als allgemein und kollektiv angesehen.|4
In besonderer Weise hat sich in der viktimären Gesellschaft die Rechtspolitik dem Verbrechensopfer zugewandt. Kennzeichnend für diese Kriminalpolitik ist der enge Schulterschluss zwischen Opferschutzverbänden und der Gesetzgebung. Ihr politischer Mehrwert besteht darin, dass man als Politiker, der für Opferschutz eintritt, einfach nichts falsch machen kann: Aufmerksamkeit der Medien und Anerkennung der Wähler sind zu erwarten.
Der Gesetzgeber hat dementsprechend seit 1986 geradezu eine Kaskade opferorientierter Reformen verabschiedet.|5 Sein Augenmerk galt dabei in besonderer Weise der Nebenklage. In ihrer derzeitigen Form ist sie das Ergebnis einer vor 25 Jahren eingeleiteten kriminalpolitischen Kehrtwende, durch die dieses Rechtsinstitut unter Opferschutzgesichtspunkten zunächst neu konzipiert und später weiter ausgebaut wurde.
Zwar sah auch die RStPO von 1877 in § 435 die Möglichkeit der Nebenklage vor, aber sie folgte einer anderen Logik als die moderne Nebenklage. Die Befugnis zur Nebenklage war nämlich nur bei Privatklagedelikten vorgesehen, also bei Bagatellen, sowie in den Fällen, in denen der Verletzte die Erhebung der öffentlichen Klage durch einen Antrag herbeigeführt hatte. Die Nebenklage war insofern als »Lückenfüller« und »Derivat« zur Privatklage konzipiert.|6 Dies führte dazu, dass sie überwiegend dann zum Tragen kam, wenn die Staatsanwaltschaft ausnahmsweise bei zugrunde liegenden Privatklagedelikten Anklage erhob.|7 Das war weder strafrechtssystematisch noch praktisch überzeugend und ließ nach Sinn und Zweck eines solchen Rechtsinstituts fragen.|8 Insbesondere erschien es konzeptionell wenig überzeugend, dass für die Opfer von Bagatellkriminalität eigenständige Prozessrechte als Nebenkläger vorgesehen waren, nicht jedoch für solche besonders schwerer Straftaten. Gleichwohl blieben die Regelungen über Jahrzehnte weitgehend unverändert. In der Praxis fand aber eine gewisse Aufweichung dadurch statt, dass die Gerichte die Nebenklage auch bei Straftaten zuließen, die selbst zwar nicht zum Anschluss berechtigten, die aber in Gesetzeskonkurrenz zu Anschlusstaten standen. Auf diese Weise wurde die Nebenklage bspw. auch beim Vorwurf der Vergewaltigung wegen damit in Gesetzeskonkurrenz bzw. Tateinheit stehender Delikte möglich.|9
Mit dem am 1.4.1987 in Kraft getretenen Opferschutzgesetz vollzog sich die gesetzgeberische Wende von der »alten« zur »neuen« Nebenklage. Dazu wurde der Kreis der zur Nebenklage berechtigten Personen neu bestimmt: In »erster Linie« sollten nunmehr Verletzte anschlussberechtigt sein, die durch eine gegen ihre höchstpersönlichen Rechtsgüter gerichtete Straftat – der Gesetzentwurf nennt hier ausdrücklich die Vergewaltigung – betroffen sind.|10 Darüber hinaus sollten solche Delikte zur Nebenklageberechtigung führen, »bei denen typischerweise der Verletzte besonders schutzbedürftig ist«.|11 Die Reform bestand so gesehen darin, neben dem »normalen« Verletzten einen besonderen Verletzten – den Nebenkläger – vorzusehen und diesen mit erheblichen Rechten auszustatten.
Das reformierte Rechtsinstitut sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers primär dem Zweck dienen, dem Opfer gesicherte Beteiligungsbefugnisse einzuräumen und Schutz vor Beeinträchtigungen durch das Verfahren zu bieten.|12 Die eingeräumten Prozessrechte sollten dem Nebenkläger die Möglichkeit geben, seine Interpretation des Tatgeschehens zu artikulieren und Verantwortungszuweisungen durch den Angeklagten entgegenzutreten.|13 Die reformierte Nebenklage sollte keine Verdoppelung der Anklage mit sich bringen, sondern dem Opfer eine Stimme geben und Schutz vor ungerechtfertigten Angriffen bieten.
Schon am Opferschutzgesetz wurde allerdings kritisiert, dass es nicht auf einem stimmigen Grundkonzept beruhe. Es sei zu wenig berücksichtigt worden, dass die Nebenklage nunmehr ein »eigenständiges Institut geworden«|14 sei – und nicht mehr Anhängsel bzw. Accessoire der Privatklage.|15 Dieses neue Rechtsinstitut lässt sich aber nicht spannungsfrei mit den Grundstrukturen des »alten« Strafverfahrens verbinden. Zu diesen Grundstrukturen gehört bspw. die gerichtliche Aufklärungspflicht, die sich selbstverständlich auch auf die Zeugenaussage des Nebenklägers bezieht und damit zu einem Spannungsfeld zwischen der Subjektstellung des Nebenklägers einerseits und seinem Status als Objekt der Beweiswürdigung andererseits führt.
Zu diesen Grundstrukturen gehört aber auch ein gewisser Antagonismus der Wahrheitsfindung, die durch einen rationalen Diskurs zwischen Anklage und Verteidigung gekennzeichnet ist.|16 Der Nebenkläger als neuer Mitspieler passt ersichtlich nicht zu einer derartigen »bipolaren«|17 Struktur des Strafverfahrens.
Zwar hat es in den letzten 25 Jahren zahlreiche Anschlussreformen gegeben, aber auch diesen lag kein geschlossenes Konzept,|18 sondern gesetzgeberischer Aktivismus zugrunde. Auch das 2. ORRG von 2009, das eigentlich unter der Fahne antrat, die Nebenklage »klarer und übersichtlicher« zu gestalten,|19 änderte daran – wie sich nachfolgend zeigen wird – nicht viel.
Dagegen spricht nicht, dass die Rechtspolitik stets gebetsmühlenartig beteuert hat, die jeweiligen Opferschutzgesetze würden »die historisch gewachsenen Verteidigungsbefugnisse des Beschuldigten« wahren. Es sei ferner sichergestellt, dass durch die Reformgesetze »die Strafjustiz nicht zusätzlich unvertretbar belastet wird«|20 und dass die »im System des Strafverfahrens« gegebene »grundsätzliche Rollenverteilung« nicht angetastet werden soll.|21 Vielmehr drängt sich hier die Vermutung auf, dass die Rechtspolitik sich künstlich naiv zeigt, wenn sie einerseits die Nebenklage grundsätzlich reformiert und ständig weiter ausbaut, andererseits aber behauptet, dies werde keine fühlbaren Auswirkungen auf das Strafverfahren haben.
Meine These, die ich nachfolgend belegen möchte, ist, dass die reformierte Nebenklage nicht stimmig in das Gesamtgefüge des Strafverfahrens eingepasst wurde. Das betrifft insbesondere den Umstand, dass der Gesetzgeber mit der reformierten Nebenklage zwar eine neue starke Partei geschaffen hat, jedoch dem Rechtsinstitut keine klaren Konturen gegeben und die Auswirkungen auf den Strafprozess nicht hinreichend berücksichtigt hat. Er hat vielmehr die neue Partei einfach dem alten Prozess angehängt (II.). Das führt zu problematischen Effekten, aber auch praktischen Ambivalenzen und letztlich sogar zu Paradoxien des Opferschutzes (III.). Abschließend möchte ich kurz ansprechen, welche Konsequenzen sich aus der Opferschutzgesetzgebung für die Wahrheitsfindung und für die Strafverteidigung im Strafverfahren ergeben (IV.).
II. Die reformierte Nebenklage
1. Eine neue starke Partei
Das Opferschutzgesetz von 1986 hat den Nebenkläger mit starken Verfahrensrechten ausgestattet. Er hat das Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung und auf förmliche Ladung. In der Hauptverhandlung hat der Nebenkläger das Recht zur Ablehnung von Richtern und Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit, das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden, das Frage- und Beweisantrags- sowie das Erklärungsrecht. Er hat dasselbe Anhörungsrecht wie die Staatsanwaltschaft (§ 397 Abs. 1 StPO).|22 Der Nebenkläger ist grundsätzlich zur Einlegung von Rechtsmitteln befugt (§§ 395 Abs. 4, 401 Abs. 1 S. 1 StPO), allerdings kann er ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt (§ 400 Abs. 1 StPO).
Besonders hervorzuheben ist, dass sich die Nebenklagerechte nicht erst nach erfolgtem Anschluss – also mit Anklageerhebung – entfalten. Der Gesetzgeber räumt dem nebenklagebefugten Verletzten vielmehr schon im Ermittlungsverfahren eine starke Rechtsposition ein (§§ 406d ff. StPO).|23 Zu diesen Verfahrensrechten zählt in erster Linie das Akteneinsichtsrecht nach § 406e StPO,|24 das – entsprechend der Regelung beim Beschuldigten – nicht vom Verletzten selbst, sondern nur über einen Rechtsanwalt ausgeübt werden kann.
Im Vergleich zu den Rechten des Beschuldigten bzw. Verteidigers gehen die Nebenklagebefugnisse zum Teil weiter, zum Teil fallen sie enger aus. Was erweiterte Rechte betrifft, so steht dem Nebenkläger gegen alle Formen der Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft ein Rechtsbehelf offen (§ 406e Abs. 4 S. 2 vs. § 147 Abs. 5 S. 2 StPO). Auch hat er ein Anwesenheitsrecht bei der polizeilichen Vernehmung des Mandanten (§ 406 f Abs. 1 S. 2 StPO; vgl. dagegen §§ 163a, 168c Abs. 1 StPO).
Dagegen fehlen dem Nebenkläger umfassende Rechtsmittelbefugnisse (§ 400 StPO). Bei Verständigungen über den Fortgang und das Ergebnis des Verfahren ist er kein notwendiger Beteiligter (§ 257c Abs. 3 S. 4 StPO); auch bedarf es nicht seiner Zustimmung bei Einstellungen nach dem Opportunitätsprinzip.
Was die Rechtsstellung des Nebenklägers betrifft, ist er – wie Staatsanwalt und Beschuldigter – ein Prozesssubjekt (Hauptbeteiligter im Strafverfahren) und – genau wie der Beschuldigte – eine private Partei. Anders als Staatsanwalt und Beschuldigter ist seine Mitwirkung allerdings fakultativ; auch hat er keine eigene Klagebefugnis. Nach der Zulassung kann er allerdings unabhängig von der Staatsanwaltschaft agieren; auch ist er anders als jene (§ 160 Abs. 2 StPO) nicht zur Objektivität verpflichtet.
Die Rechtsstellung des Nebenklageanwalts und des Verteidigers ähneln sich: Beide können als Prozesssubjektsgehilfen (einseitige Interessenvertreter) verstanden werden und beide sind als Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege (§ 1 BRAO).
Der Nebenkläger stellt sich unter dem Strich als Partei im Strafverfahren dar, die ihre eigenen Interessen verfolgen darf. Der Nebenkläger verfügt über starke Rechte; und diese sind ihm nicht nur auf dem Papier eingeräumt, sondern er kann sich zur effektiven Entfaltung seiner Interessen auch eines Anwalts als Beistand bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen. Fehlen ihm dazu die finanziellen Mittel, kann ihm unter den Voraussetzungen des § 397a Abs. 2 StPO Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt werden. Besonders schutzbedürftige Verletzte erhalten sogar einen Opferanwalt auf Staatskosten (§ 397a Abs. 1 StPO).
2. Unstimmigkeiten
Der Gesetzgeber hat es versäumt, so lautete meine These, der neuen starken Partei eine in sich stimmige Grundkonzeption zu verleihen; die Nebenklage reibt sich zudem mit den Grundstrukturen des »alten« Strafverfahrens. Das soll knapp skizziert werden:
a) Inkonsistente Anschlussbefugnisse
Bei der Begründung des Opferschutzgesetzes (1986) wurde betont, dass die Nebenklage vor allem den Opfern schwerer Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter zugute kommen soll,|25 »die nach kriminologischen und viktimologischen Erkenntnissen besonders schutzbedürftig erscheinen«.|26
Daran wurde im Laufe der nachfolgenden Reformen ungebrochen festgehalten, speziell bei der Begründung des 2. ORRG (2009). Es wurde bekräftigt, dass die Nebenklage sich vor allem an der Schwere der Tatfolgen für das Opfer der Straftat orientieren soll. Die Nebenklage sei insbesondere dann berechtigt, wenn das Opfer durch ein gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtetes Aggressionsdelikt verletzt wird, weil das Opfer bei derartigen Taten nach viktimologischen Erkenntnissen besonders schutzbedürftig ist.|27 Auch in den Parlamentsdebatten verhält es sich nicht anders; dort wird ganz überwiegend auf die Opfer von Sexual- und Gewaltstraftaten sowie auf Kinder und Jugendliche abgestellt.|28
Dies ist die rechtspolitisch-ideelle Seite der Nebenklage. Es gibt aber auch eine andere, nämlich die der tatsächlichen Kodifikation. Die Nebenklage kommt nämlich nicht nur Opfern von gravierenden, gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichteten Aggressions-, Sexual- und Gewaltstraftaten zugute, sondern auch den durch Bagatelldelikte Verletzten (z.B. durch eine Beleidigung|29). Sie erreicht auch keinesfalls nur besonders schutzbedürftige Opfer, von ihr können auch Wirtschaftskonzerne wie bspw. die Microsoft Corporation profitieren, was sich daraus ergibt, dass eine unbeschränkte Anschlussbefugnis bei Verstößen gegen den gewerblichen Rechtsschutz besteht (§ 395 Abs. 1 Nr. 6 StPO n. F).|30 Dagegen spricht nicht, dass der Entwurf zum 2. ORRG ursprünglich mit dem Anspruch antrat, sowohl den Beleidigungsdelikten als auch den Verstößen gegen den gewerblichen Rechtsschutz die Anschlussberechtigung zu nehmen,|31 denn diese Anliegen sind letztlich gescheitert. Im Koalitionsentwurf wurden die Beleidigungsdelikte wiederbelebt und im Rechtsausschuss erfuhren die Verstöße gegen den gewerblichen Rechtsschutz eine Renaissance. Beide Male wurde das schlicht mit »rechtspolitischen Erwägungen« begründet.|32
Es gibt also eine Diskrepanz zwischen der politischen Opferschutzlyrik und der letztlich kodifizierten Gesetzesprosa. Sie bewirkt, dass die Nebenklage die an Opferschutzgesichtspunkten orientierte Kohärenz einbüßt. Das erschwert die Interpretation der Nebenklagenormen. Aber das ist nicht das einzige Problem, das die Praxis bewältigen muss. Während nämlich die Welt der politischen Rhetorik, wie dargestellt, vor allem durch »ideale Opfer«|33 (traumatisierte, zweifelsfrei schutzbedürftige Verletzte) beherrscht wird, leben in der Welt der Justiz auch »reale Opfer«, die dem in der Rechtspolitik gezeichneten Idealbild nicht entsprechen.
b) Fehlendes Grundkonzept
Trotz emsiger Beschäftigung der Rechtspolitik mit dem Rechtsinstitut der Nebenklage fehlt ihm eine verbindliche Funktionsbestimmung. Damit ist Folgendes gemeint: Der Gesetzgeber hat das Erfordernis einer starken Nebenklage zunächst mit dem Bedürfnis begründet, dass der Nebenkläger eine gesicherte Schutzposition erhalten müsse, um unberechtigte Verantwortungszuweisungen des Beschuldigten wirksam abwehren zu können.|34 In letzter Zeit hat er das Erfordernis von Aktivrechten (z.B. Beweisantrags- und Rechtsmittelrecht) zudem damit gerechtfertigt, dass diese es dem Verletzten ermöglichten, »seine Sicht der Tat und der erlittenen Verletzungen einzubringen und seine Interessen aktiv zu vertreten.«|35 Was Richtung und Intensität dieser Interessenvertretung betrifft, wurden dem Nebenkläger und seinem Anwalt allerdings kaum explizite Grenzen gesetzt.|36 Das macht es möglich, die Nebenklage zum Zweck der Genugtuung des Verletzten zu betreiben. »Ihre Handhabung ermöglicht dem Verletzten ein ‚vergeltungsorientiertes’ Prozessverhalten und sie wird in diesem Sinne nicht selten genutzt.«|37 In der Rolle des Nebenklägers steht der Verletzte also vor der Versuchung, sich »Vergeltung light«|38 zu verschaffen; oder vielleicht sogar noch mehr, nämlich Rache zu suchen. Statt zur Abwehr kann die Nebenklage faktisch auch dem überzogenen Angriff durch Verfolgung von Rachebedürfnissen dienen.|39
Aber nicht nur das: Die Nebenklage kann auch – und dies weder illegitim noch anstößig – dazu genutzt werden, um schon im Strafprozess Schadenswiedergutmachung zu betreiben|40 oder die Staatsanwaltschaft zu kontrollieren.|41 Und in einer Dissertation ist die Nebenklage als eine Art verkapptes sozialrechtliches Institut verstanden worden, das der Wiedereingliederung des hilfsbedürftigen Verletzten in die Gesellschaft durch »Begreifen und Verarbeiten des Erlebten« diene.|42
Kurz: Sinn und Zweck der Nebenklage sind nicht eindeutig bestimmt; ihr fehlt eine verbindliche Eingrenzung. Das Rechtsinstitut erweist sich als offen für unterschiedlichste Interpretationen, was auch erklärt, weshalb der Nebenklage in der Literatur die unterschiedlichsten Funktionsbestimmungen zu- bzw. abgesprochen werden.|43
c) Doppelrolle als Beweismittel und Partei
Auch als nebenklägerische Partei bleibt der Verletzte als Beweismittel im Strafverfahren grundsätzlich unverzichtbar: Ihm wird also eine Zeugenaussage abverlangt, sofern kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht. Das gilt grundsätzlich auch für eine Aussage in der Hauptverhandlung, es sei denn, die Aussage kann durch einen Urkundenbeweis oder das Abspielen einer Videokonserve ersetzt werden. Die Doppelrolle als Beweismittel und Partei kann also für den Nebenkläger durchaus belastend sein.|44
Die Doppelrolle des Nebenklägers bringt aber noch größere Schwierigkeiten für die Rechtspflege mit sich. Dessen Zeugenaussage muss das Gericht nämlich auf ihre Glaubhaftigkeit prüfen und dabei Irrtümer und Lügen ausschließen. Diese Glaubhaftigkeitsprüfung wird aber durch die Subjektstellung erheblich erschwert: Als Partei steht dem Nebenkläger über seinen anwaltlichen Beistand Akteneinsicht offen (§ 406e Abs. 1 S. 1 StPO). Wenn er die Akten kennt, stellt sich für das Gericht das schwierige Beweisproblem, ob die Bekundungen des informierten Zeugen|45 in der Hauptverhandlung auf eigenem Erleben beruhen oder durch die Aktenlektüre beeinflusst wurden. Zusätzliche Komplikationen können hinzutreten, wenn bspw. der Opferzeuge nicht persönlich vernommen werden kann (Fälle des § 247a oder 255a StPO)|46 und erst Recht dann, wenn er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, gleichwohl aber – was die Rechtsprechung zulässt – die Verwertung einer früheren Aussage gestattet.|47 Mit anderen Worten: Die Doppelrolle des Opferzeugen als Subjekt und Objekt des Verfahrens bringt erhebliche Schwierigkeiten für die anderen Verfahrensbeteiligten mit sich.
III. Effekte, Ambivalenzen, Paradoxien
Werfen wir jetzt einen Blick darauf, wie sich die Unstimmigkeiten bemerkbar machen. Dabei greife ich, sofern es um rechtstatsächliche Effekte geht, auf Daten aus einer empirischen Untersuchung zu Nebenklageverfahren zurück, die an der Universität Bielefeld durchgeführt wurde.
Diese Studie basiert auf einer Mixtur verschiedener Methoden der empirischen Sozialforschung:|48 Es wurden zunächst insgesamt 278 Strafverfahrensakten ausgewertet, und zwar 200 mit Nebenklagevertretung und zum Vergleich 78 Verfahren, die zwar nebenklagefähig waren, in denen der Verletzte aber von der Anschlussmöglichkeit keinen Gebrauch machte. Bei allen Verfahren handelte es sich um erstinstanzliche Prozesse vor den Landgerichten, wobei die Akten aus dem Bezirk des OLG Hamm stammten. Das OLG Hamm kann als repräsentativ für die bundesdeutsche Gerichtspraxis gelten. Den zweiten Schwerpunkt der empirischen Studie bildeten 38 Interviews, die mit Anwälten geführt wurden, welche in den zugrundeliegenden Verfahren als Nebenklagevertreter mitwirkten.|49
1. Rechtstatsächliche Effekte
Der Gesetzgeber hat – wie dargestellt – behauptet, die Opferschutzgesetze würden zu keinen gravierenden Nebenwirkungen führen; namentlich bliebe die grundsätzliche Rollenverteilung im Strafverfahren unberührt, ferner würden die Verteidigungsrechte nicht tangiert, und auch die Justizressourcen würden nicht unvertretbar belastet werden. Die rechtstatsächlichen Befunde, die sich hier nur verkürzt darstellen lassen, können den gesetzgeberischen Optimismus nicht bestätigen.
Stichwort »Justizressourcen«: Verfahren mit Nebenklägern dauern deutlich länger als die Prozesse in der Vergleichsgruppe. Während zwischen Einleitung des Ermittlungsverfahrens und dem Beginn der Hauptverhandlung in Verfahren ohne Nebenklage rund 42 Wochen liegen, erhöht sich diese Dauer bei Verfahren mit Nebenklage um knapp achtzehn Wochen.|50 Auch die durchschnittliche Zahl der Sitzungstage steigt (von 2,50 auf 2,94 Tage). Allein mit Prozessaktivitäten von Nebenklageanwälten lassen sich diese Verlängerungen statistisch gesehen nicht erklären, wobei dem Auftreten von Nebenklageanwälten allerdings auch nicht jede Bedeutung abgesprochen werden kann. Speziell verlaufen Nebenklageverfahren einerseits konflikthafter, andererseits fördern sie auch tendenziell das Zustandekommen von Urteilsabsprachen – Umstände, die sicherlich auch mit dem Auftreten des anwaltlichen Beistands des Verletzten zusammenhängen.
Stichworte »Wahrheitsfindung« und »Verteidigungsrechte«: Auffallend ist ferner, dass in Nebenklageverfahren weniger Freisprüche erfolgen (5,0 % statt 10,3 %) und die Strafen vergleichsweise höher ausfallen. Dazu zwei Beispiele: Das durchschnittliche Strafmaß bei versuchtem Totschlag beträgt in Verfahren ohne Nebenklage 41,5 Monate, mit Nebenklage dagegen 60,4 Monate; bei gefährlicher Körperverletzung erhöht sich das Strafmaß von 38,4 auf 48,5 Monate.|51
2. Ambivalenzen
Der Gedanke des Opferschutzes wird nicht selten von Rechtspolitikern herangezogen, um freiheitlich-rechtsstaatliches Strafrecht zurückzuschneiden,|52 also bspw. um Verteidigungsrechte zu beschränken oder um Strafen zu erhöhen. Statt einer Politik für die Opfer wird also eine ambivalente Politik mit dem Opfer betrieben. Die realen Verletzten haben davon wenig; die wirklichen Nutznießer der Opferschutz-Argumentation sind dagegen repressive Politiker oder die Rechtsprechung, die den Gedanken des Opferschutzes aufgreift, um zweifelhafte Rechtsentwicklungen zu legitimieren (Urteilsabsprachen)|53 bzw. um schützende Formen zu schleifen.|54
Auf negative Effekte des Opferschutzes für die Wahrheitsfindung wurde schon hingewiesen: Das Akteneinsichtsrecht und das Anwesenheitsrecht des Nebenklägers bei der Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung eröffnet die Möglichkeit einer Transformation einer Wissensbekundung in ein Parteistatement zum Zweck der eigenen Interessenverfolgung.|55 Die Glaubhaftigkeitsbeurteilung wird dadurch gewiss nicht einfacher.
Und schließlich werden durch den Opferschutz – wie geschildert – auch in erheblicher Weise Justizressourcen in Anspruch genommen, was sich nicht nur in den verlängerten Prozessen mit Nebenklage zeigt, sondern auch in den erhöhten Ausgaben durch die deutliche Zunahme von Opferanwälten auf Staatskosten.|56 Hier liegt die Gefahr auf der Hand, dass Rechtspolitik und Rechtsprechung der Versuchung nicht widerstehen können, die verbrauchten Ressourcen an anderer Stelle wieder einzusparen oder – in Verkennung der wirklichen Sachlage – fälschlicherweise die Verteidigung als verantwortlich für die Verlängerung der Prozesse anzusehen.
3. Blindgänger und Paradoxien
Die vom Gesetzgeber geschaffenen Opferrechte erweisen sich in der Praxis nicht selten als Fehlschläge, teilweise verschlechtern sie paradoxerweise sogar die Position des Kriminalitätsopfers.
Beginnen wir mit den Rechten der Nebenklage. Von diesen Prozessrechten wird in der Praxis überraschend selten Gebrauch gemacht; das betrifft in erster Linie die opferspezifischen Abwehrrechte, wie etwa die förmliche Zurückweisung von Fragen des Beschuldigten oder seines Verteidigers als unzulässig: Das war nach den Befunden der genannten empirischen Studie nur in einem einzigen von 200 Verfahren der Fall.|57 Als noch überraschender stellt es sich dar, dass das Anwesenheitsrecht des Nebenklägers in der Hauptverhandlung nur selten umfassend genutzt wird. In weniger als 38 % der Verfahren war der Nebenkläger während der Vernehmung des Angeklagten im Gerichtssaal|58 – obwohl dies sein gutes Recht ist. Die zurückhaltende Präsenz der Nebenkläger ist zum Teil opferschutzbedingt, dient also dazu, dem Verletzten ein Zusammentreffen mit dem Beschuldigten zu ersparen. In anderen Fällen geht es dagegen um Fragen der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage. Wie sich aus Interviews mit Nebenklageanwälten ergab, äußern Vorsitzende nicht selten mehr oder weniger deutlich die Erwartung, der Nebenkläger möge bei der Vernehmung des Angeklagten nicht anwesend sein. Dazu passt es, dass es auch Nebenklageanwälte gibt, die aus strategischen Beweiskalkülen ihre Mandanten von sich aus veranlassen, während der Angeklagtenvernehmung nicht im Gerichtssaal zu sein. Ähnlich verhält es sich mit Adhäsionsanträgen; diese werden in der Praxis – entgegen den Intentionen des Gesetzgebers – selten gestellt. Begründet wird dies von Nebenklageanwälten nicht zuletzt damit, dass man das gerichtliche Wohlwollen nicht gefährden wolle – und Strafrichter sähen nun einmal Adhäsionsanträge nicht gern in ihrem Gerichtssaal.|59
Die Praxis macht auch nur in geringem Umfang von der Möglichkeit der Videovernehmungen Gebrauch. Es gibt Landgerichte, in denen so gut wie gar nicht Videokonserven abgespielt werden.|60 Zwar haben die Justizverwaltungen nach der Verabschiedung des Zeugenschutzgesetzes flächendeckend die Videotechnologie in den Gerichten eingeführt, aber in vielen Gerichten gibt es keine Personen, die diese Technik beherrschen; im Übrigen fürchten Richter, dass der Einsatz revisionsträchtige Probleme mit sich bringen könnte.
Eine bemerkenswerte Paradoxie des Opferschutzes lässt sich im Bereich der anwaltlichen Nebenklagevertretung ausmachen. Es gibt nämlich, wie die empirische Studie gezeigt hat, nicht nur auf die Nebenklage spezialisierte – hoch professionalisierte – Anwälte, sondern auch eine nicht unerhebliche Zahl von Anwälten, die die Rolle als Nebenklagevertreter unprofessionell ausfüllt. Damit soll nicht auf Berufsanfänger abgestellt werden, die es überall gibt, sondern auf den Typus eines Anwalts, der eine hohe Opferschutzaffinität aufweist und sich auch auf dem Rechtsberatungsmarkt durchgesetzt hat, dabei aber dem Mandanten keine fundierten Rechtsdienstleistungen anbietet, sondern diese nicht selten durch »Küchenpsychologie« ersetzt. Dazu einige Beispiele:
Anwälte in Nebenklageverfahren kennen zuweilen nicht die ihnen zustehenden Rechte. So gibt es Anwälte, die fälschlicherweise meinen, es sei ihnen von Rechts wegen untersagt, dem Mandanten Kopien der Akten zur Verfügung zu stellen.|61 Auch kennen offenbar zahlreiche Nebenklageanwälte nicht die (opferfreundlichen) Möglichkeiten der Beiordnung als Opferanwalt auf Staatskosten (§ 397a I StPO); so lässt es sich jedenfalls erklären, dass es mehr Beiordnungen als Anträge auf Bestellung als Opferanwalt gibt. Richter »korrigieren«, wie es scheint, Anträge auf Bewilligung von PKH großzügig in Beiordnungen um.|62
Statt kompetenter Rechtsdienstleistungen offerieren diese Anwälte zuweilen »psychologische« Hilfen, die sich als recht eigenwillig erweisen (Anwälte, die sich als »Sichtschutz« zwecks Vermeidung von »Retraumatisierungen« zwischen den Angeklagten und das kindliche Opfer setzen oder dieses auf den Schoß nehmen). Dass bei derartigen – sicherlich gut gemeinten, aber nur als laienpsychologisch anzusehenden – Bemühungen auch die erforderliche professionelle Distanz zwischen Anwalt und Mandant leiden kann, wird nicht verwundern. So sprach bspw. einer der interviewten Anwälte, als er zu seinen Mandanten befragt wurde, von seinen »Verwandten«, erkannte den Versprecher, erklärte dann aber, dass der Begriff eigentlich ganz gut passen würde, denn für Verwandte wie Mandanten gelte: »Für dich mache ich jetzt das Beste.«|63 Hier wird professionelle Kompetenz durch hoch emotionales Verhalten ersetzt. Dem Nebenkläger hilft das nicht unbedingt.
Hinzuweisen ist ferner auf Bumerangeffekte des Opferschutzes. Gemeint sind damit negative Auswirkungen auf Verletzte, die es ohne Opferschutzmaßnahmen nicht geben würde.|64 Dazu einige Beispiele: Wie schon erwähnt, dauern Nebenklageverfahren länger als Prozesse ohne Nebenkläger; auch sind sie konflikthafter. Die Interessen von Kriminalitätsopfern im Verfahren liegen aber nicht zuletzt darin, dass das Verfahren schnell und möglichst reibungslos beendet wird.|65 Die Nebenklage wirkt sich hier geradezu contraproduktiv aus.
Durch überzogene gesetzgeberische Verheißungen und Einflüsterungen dubioser Opferanwälte sind bei manchen Kriminalitätsopfern überdies Erwartungen entstanden, die in der Realität enttäuscht werden müssen. Dabei ist nicht nur an verschrobene Forderungen einzelner Verletzter zu denken, wie bspw. solche von Angehörigen der Opfer des Zugunglücks von Eschede, die allen Ernstes von der Bahn verlangten, lebenslang eine Streckenkarte erster Klasse für das gesamte Schienennetz zu erhalten,|66 sondern mehr noch an alltägliche Enttäuschungen, die Nebenkläger zwangsläufig erleiden müssen. Denn im Rechtsstaat geht – jedenfalls bisher – kein Weg daran vorbei, dass die Aussage von Zeugen auf den Prüfstand der Glaubhaftigkeitsbeurteilung gestellt werden muss. Konfrontative Befragungen sind zulässig,|67 was zu »massiven Enttäuschungen« bei Zeugen führt,|68 die von ihren Anwälten nicht darauf vorbereitet worden sind. Keine Opferschutzmaßnahme kann nämlich davor bewahren, dass die Verteidigung sich kritisch mit den Inhalten von Zeugenaussagen auseinandersetzt; diese Belastungen sind unvermeidbar.|69 Auch Nebenkläger, die erwarten, dass das Strafverfahren therapeutische Effekte bewirken könne|70 oder die meinen, Rache ließe sich unverblümt durchsetzen,|71 werden in der Realität Frustrationen erleiden müssen.
Opferschutz kann schließlich sogar das Opferleiden, das eigentlich vermindert werden soll, vergrößern. Darauf hat der norwegische Kriminologe Niels Christie eindrucksvoll hingewiesen.|72 Die Zuwendung, die das Opfer erfahre, berge nämlich auch Gefahren. Das Opfer könnte noch kleiner, noch ängstlicher, noch verletzlicher werden. Hilfe könne insofern mit Kosten verbunden sein. Die Zuschreibung eines Opferstatus könne den Heilungsprozess verzögern. Gefahren ergeben sich speziell durch Opferanwälte, die ihren Mandanten ein bestimmtes Verhaltensmuster nahelegten, das zu einer Verfestigung des Leids, statt zu dessen Überwindung führe. Es könne zu erlernter Hilflosigkeit führen. Die Viktimisierungsgewinne könnten für das Opfer so attraktiv sein, dass dieses es vorzieht, lieber lebenslang Opfer zu sein, als andere Lebensentwürfe zu wählen.|73
IV. Neue Wahrheitssuche – Verteidigung und Opferschutz
Halten wir fest: Der Gesetzgeber hat mit der reformierten Nebenklage eine neue starke Partei geschaffen; allerdings hat er sie dem alten Strafprozess nur angehängt. Deshalb bleibt es beim Modell des reformierten Inquisitionsprozesses, was bedeutet, dass die Gerichte weiterhin zur selbständigen Aufklärung des Sachverhaltes verpflichtet sind. Wir haben also keinen Parteiprozess|74 im angloamerikanischen Sinn, bei dem die Parteien über den Prozessgegenstand disponieren können, sondern es gilt das Prinzip der materiellen Wahrheit.
Die vorangehend dargestellten rechtstatsächlichen Effekte lassen aber darauf schließen, dass sich in der Praxis das Koordinatensystem der Wahrheitssuche durch die Mitwirkung der neuen Partei geändert hat. Anders als im »klassischen« Strafverfahren geht es nicht mehr allein darum, zu klären, ob sich ein Verdacht erhärtet bzw. ein Anklagevorwurf zutrifft (also um die Wahrheit der Anklage), sondern auch um die Suche nach der Wahrheit der Tat und ihrer Auswirkungen auf den Verletzten.|75 Es geht mit anderen Worten um »Opfergerechtigkeit«. Darunter verstehen gerade die durch gravierende Kriminalität Verletzten – wie gesehen – häufig Genugtuung; sie erhoffen sich vom Strafverfahren eine Verurteilung des Angeklagten und eine empfindliche Bestrafung, keinesfalls dürfe eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden.|76
Auch die Justiz versucht anscheinend Opfergerechtigkeit herzustellen. Richter beschränken sich, wie die rechtstatsächlichen Befunde nahelegen, nicht mehr darauf, nur über die Wahrheit der Anklage zu entscheiden, sondern sie wollen auch den Opfererwartungen – bzw. dem, was sie darunter verstehen – gerecht werden. Das geschieht durch Angebote mit Dienstleistungscharakter, wie bspw. durch Zeugenzimmer, verkürzte Wartezeiten für Vernehmungen oder persönliche Kontaktaufnahmen von Richtern mit kindlichen Zeugen vor deren Vernehmung.|77 Aber das ist es nicht allein; Opfererwartungen beeinflussen, wie es scheint, auch die richterliche Urteilsfindung. So lassen sich in gewisser Weise die in Nebenklageverfahren sinkenden Chancen von Angeklagten auf Freisprüche, auf Einstellungen und auf niedrige Strafen interpretieren. Es spricht insbesondere vieles dafür, dass sich Richter aus Rücksicht gegenüber den Opfererwartungen hier weniger offen für Strafmilderungen zeigen. Jedenfalls ist auffällig, dass in Verfahren ohne Beteiligung des Nebenklägers häufiger als in Nebenklageverfahren die rechtliche Bewertung der Tat für den Angeklagten im Urteil günstiger ausfällt als in der Anklage.|78 Der Anschluss als Nebenkläger blockiert anscheinend ein ansonsten im Strafverfahren häufiger anzutreffendes Herunterdefinieren des Anklagevorwurfs.
Was bedeutet das nun für die Strafverteidigung?
Zunächst einmal folgt daraus, dass sich die Verteidigung auf die geänderten Konstellationen im Strafprozess einstellen muss. Nebenkläger stellen eine neue Partei im Strafprozess dar; und Verteidiger werden ihnen sowie ihren Anwälten im Prozess zukünftig noch häufiger als jetzt begegnen. Die Verteidigung muss ferner ins Kalkül ziehen, dass für richterliche Entscheidungen offenbar auch Opfererwartungen mitbestimmend sind. Dies alles ist bei der Konzeption und Durchführung der Verteidigung zu berücksichtigen.
Gelingt es dem Verteidiger, diese Faktoren in die Verteidigungsplanung zu integrieren, wird ihm die Prognose der richterlichen Entscheidung erleichtert, und er kann auf diese Weise im Interesse des Mandanten sinnvolle Alternativen zu der zu erwartenden Entscheidung des Gerichts ins Auge fassen. Welche konkreten Konsequenzen daraus folgen, kann an dieser Stelle natürlich nicht dargestellt werden; denn Patentrezepte für in jedem Fall »richtige« Verteidigungen gibt es nun einmal nicht. Die Ausgangssachverhalte und die damit verbundenen Rechtsprobleme unterscheiden sich nun einmal beträchtlich; die Persönlichkeiten von Verteidigern sind bekanntermaßen auch nicht identisch; dasselbe gilt für deren bevorzugte Verteidigungsstrategien. Ich kann jedenfalls aus den dargestellten Befunden nicht den Schluss ziehen, dass bei Nebenklageverfahren eine bestimmte Verteidigungsstrategie zu bevorzugen wäre und andere nicht mehr in Betracht kämen. Aber noch einmal: Bei der Konzeption des Verteidigungsziels und der Verteidigungsstrategie dürfen die veränderten Koordinaten nicht ignoriert werden.
Auch für das Verhältnis zwischen Verteidiger und Opferanwalt gibt es kein Patentrezept. In dem einen – sicherlich seltenen – Fall kann der Nebenklageanwalt zum Partner der Verteidigung werden (sog. »verteidigende Nebenklage«|79). In anderen Fällen kann er der eigentliche Gegenspieler sein (sog. »angreifende Verteidigung«)|80. Aber dazwischen kann es, worauf es mir ankommt, auch eine Schnittfläche für gemeinsame Interessen von Beschuldigten und Verletzten geben. Derartige Schnittflächen können, wie die Praxis zeigt, bspw. bei der Gestaltung des Täter-Opfer-Ausgleichs und im Zusammenhang mit sonstigen Ausgleichsvereinbarungen zwischen Beschuldigten und Verletzten existieren: Angefangen bei der Präventivverteidigung (Verhinderung einer Strafanzeige), über Vereinbarungen zur Rücknahme von Strafanträgen, bis hin zur Wahrnehmung von Zeugnisverweigerungsrechten.|81
Förderlich für die Findung von Gemeinsamkeiten kann es sein, wenn sich die beiden gegenübertretenden Beistände ihrer gemeinsamen anwaltlichen Wurzeln erinnern: Dazu gehören die Rechtsstaatsbezogenheit und Professionalität ihrer Berufsausübung, darüber hinaus aber vielleicht auch eine übereinstimmende Berufsphilosophie, die darauf zielt, im Interesse des Mandanten der Freiheit zu dienen.|82 Oder, wie an anderer Stelle unter Rückgriff auf ein Wort von Rudolf v. Ihering ausgeführt wurde: Trotz gegensätzlicher Interessen im konkreten Fall kann es ein gemeinschaftliches Werk geben, nämlich den Kampf gegen die Willkür.|83
Voraussetzung hierfür ist, dass sich auf jeder Seite professionelle Akteure gegenüberstehen, die nicht von einem vorfabrizierten gegenseitigen Feindbild geleitet werden. Von daher dürfte es auch im besonderen Interesse von Verteidigern liegen, wenn die Nebenklage nicht – wie es in der Praxis wie geschildert zu beobachten ist – von hoch emotionalisierten Anwälten vertreten wird, denen die erforderliche Distanz zum Mandanten fehlt, sondern von spezialisierten Fachanwälten.84
Ob Strafverteidiger von diesen Möglichkeiten der Kooperation mit Nebenklageanwälten Gebrauch machen, müssen sie selbst entscheiden. Sofern dies geschieht, eröffnet das unter Umständen bessere Lösungen für beide Seiten als dies durch ein obrigkeitliches Urteil möglich wäre. Im Idealfall könnte auf diese Weise eine als unvernünftig anzusehende Rechtspolitik durch vernünftige Praktiker korrigiert werden.
Anmerkungen:
* Gegenüber dem mündlichen Vortrag auf dem Strafverteidigertag wurde die Schriftfassung erweitert und um Fußnoten ergänzt. Der Text basiert auf der Zweitverwertung verschiedener Vorarbeiten, insbesondere auf einem zusammen mit Christian Flotho geschriebenen Buch (Fn. 48), ferner auf einem Vortrag, der in einem zusammen mit Ralf Kölbel erstellten Tagungsband publiziert wurde (Fn. 1) sowie Aufsätzen, u.a. in JA 2009, 753 ff.; StRR 2009, 404 ff. und StraFo 2011, 161 ff.
1 Vgl. dazu Barton, Strafrechtspflege und Kriminalpolitik in der viktimären Gesellschaft, in: Barton/Kölbel (Hrsg), Ambivalenzen der Opferzuwendung des Strafrechts, 2012, S. 111 (112); Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, 2002, S. 13 ff.
2 Vgl. Kunz, Kriminologie, 6. Auflage 2011, § 31 Rn. 59; vgl. ferner ders., Opferschutz und Verteidigungsrechte im Kontext von Strafrechtstheorie und symbolischer Rechtspolitik, www. socio.ch/cri/t_kunz1.htm (zuletzt eingesehen am 26.7.2012).
3 Barton (Fn. 1), S. 111 (112).
4 Garland, The Culture of Control, 2001/2006, S. 11. Der Text wurde relativ frei übersetzt.
5 Barton (Fn. 1), S. 111 (130); vgl. ferner die Auflistung verschiedener Opferschutzgesetze bei Rieß, Zur Beteiligung des Verletzten im Strafverfahren, in: FS für Jung, 2007, S. 751 (752 ff.).
6 Niedling, Strafprozessualer Opferschutz am Beispiel der Nebenklage, 2005, S. 12.
7 Niedling, a.a.O. (dort auch in Fn. 25).
8 Vgl. zur Kritik an der »alten« Nebenklage: Weigend, Deliktsopfer und Strafverfahren, 1989, S. 159 f., 167 f.; ders., NJW 1987, 1170 ff. Deshalb wurde sogar gefordert, sie ganz abzuschaffen (so Rüth, JR 1982, 265 ff.).
9 Wie zum Beispiel die Körperverletzung oder Beleidigung. Dazu seinerzeit vertiefend KMR-Fezer, StPO (Stand: Januar 1990), § 395 Rn. 9; BGHSt 29, 216 (218); 33, 114 (115).
10 So auch AK-StPO-Rössner, 1996, vor § 395 Rn. 7, der die Gesetzesreform am »Nebenklageleitbild ‚Vergewaltigungsopfer’« ausgerichtet sieht.
11 BT-Drs. 10/5305, S. 9.
12 BT-Drs. 10/5305, S. I.
13 BT-Drs. 10/5305, S. 13; vgl. Kauder, Die Nebenklage aus Verteidigersicht, in: AG Strafrecht im DAV (Hrsg.), Strafverteidigung im Rechtsstaat, 2009, S. 579 (580 f.).
14 So schon KMR-Fezer, StPO (Stand: Januar 1990), vor § 395 Rn. 2.
15 Vgl. Weigend (Fn. 8 [Deliktsopfer und Strafverfahren]), S. 159.
16 Barton, Einführung in die Strafverteidigung, 2007, § 1 Rn. 6 ff.
17 Vgl. dazu Höynck, Das Opfer zwischen Parteirechten und Zeugenpflichten, 2005, S. 186, 203.
18 »Ein klares und überzeugendes Konzept der Einbindung des Verletzten ist bisher weder dem Gesetzgeber noch der systematisierenden Rechtswissenschaft gelungen.« Rieß, Das Ende einer Epoche? Gedanken zum 125. Jahrestag des Inkrafttretens der StPO, in: ders., Beiträge zur Entwicklung der deutschen Strafprozessordnung, 2012 (urspr. 2005), S. 25 (35).
19 BT-Drs. 16/12098, S. 9.
20 BT-Drs. 10/5305, S. I.
21 BT-Drs. 16/12098, S. 9.
22 Diese Prozessrechte wurden zwar erst durch das 2. ORRG in § 397 StPO aufgeführt; sie bestanden aber schon seit dem Opferschutzgesetz von 1986, waren jedoch zuvor durch einen Verweis in § 397 StPO auf die Privatklage normiert.
23 Zur Rechtsstellung des Verletzten im Ermittlungsverfahren vgl. Bohne, Kriminalistik 2005, 166 ff.
24 Zur Ausgestaltung des Akteneinsichtsrechts nach dem Opferschutzgesetz vgl. Schlothauer, StV 1987, 356 ff. Zur Neufassung durch das 2. ORRG vgl. Barton, StRR 2009, 404 (406).
25 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Opferschutzgesetz, BT-Drs. 10/5305, S. I.
26 A.a.O., S. 11.
27 Gesetzentwurf der Koalition zum 2. ORRG, BT-Drs. 16/12098, S. 29.
28 Vgl. nur die 1. Lesung des 2. ORRG; Reden der MdB van Essen (Stenografischer Bericht der 208. Sitzung des Bundestages, BT-Plenarprotokoll 16/208, 22528), Kauder (22528), Wunderlich (22529), Miersch (22566, der auch die Opfer von Zwangsheirat ausdrücklich erwähnt). Ob Opfer von Einbrüchen besonders schutzbedürftig seien, wurde strittig behandelt (pro Kauder, contra Wunderlich). In der 2. Lesung des 2. ORRG verhielt es sich nicht anders, abgesehen davon, dass hier die Anschlussberechtigung für die Opfer von Genitalverstümmelung kontrovers behandelt wurde (25803 ff.).
29 Diese war bis zum 30.9.2009 unbeschränkt anschlussfähig (§ 395 Abs. 1 Nr. 1b StPO a.F.); sie berechtigt nunmehr nach Maßgabe des § 395 Abs. 3 StPO zum Anschluss. Bung, StV 2009, 430 (435) sieht darin eine Entfesselung der Nebenklage. Die Rechtsprechung verhält sich dagegen bisher zurückhaltend bei der Zulassung zur Nebenklage gem. § 395 Abs. 3 StPO; vgl. Beschl. des BGH vom 9.5.2012 – Az.: 5 StR 523/11.
30 Urteil des LG Marburg vom 4.7.2007 – Az.: 3 KLs 2 Js 12054/01 (juris).
31 BT-Drs. 16/12098, S. 30.
32 Koalitionsentwurf, BT-Drs. 16/12098, S. 30; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/13671, S. 22.
33 Zum »idealen« Opfer vgl. Christie, The Ideal Victim, in: Fattah (Hrsg.), From Crime Policy to Victim Policy, 1986, S. 17 (18); vgl. dazu auch Barton (Fn. 1), S. 111 (116).
34 BT-Drs. 10/5305, S. 9, 13.
35 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum 2. Justizmodernisierungsgesetz, BT-Drs. 16/3640, S. 54.
36 Grenzen ergeben sich, wenn überhaupt, durch § 400 StPO im Bereich der Rechtsmittel sowie durch das von der Rechtsprechung verlangte Erfordernis der spezifischen Nebenklagebeschwer bei Beweisanträgen; vgl. dazu Barton/Krawczyk, StRR 2009, 164 (166).
37 Rieß (Fn. 5), S. 751 (755).
38 Hassemer/Reemtsma (Fn. 1), S. 146 sprechen sich dagegen aus, die Nebenklage im Sinne von ein »bisschen Vergeltung« zu interpretieren: Sie habe nicht der Vergeltung, sondern der Restituierung von Recht zu dienen.
39 Um nicht missverstanden zu werden: Dass Opfer gravierender Straftaten Rachegelüste entwickeln, ist verständlich und soll hier nicht mit erhobenem moralischen Zeigefinger beklagt werden. Entscheidend ist allein, dass in einem rationalen, an Rechtsgüterschutz orientierten Strafrecht Rache nicht zulässig ist; vgl. dazu Hassemer/Reemtsma (Fn. 1), S. 126 f.: »Der Wunsch nach Rache ist legitim; ihn zu verwirklichen kann nicht gestattet werden. Der Wunsch ist privat; das Recht öffentlich.« In diesem Sinn auch Schünemann, NStZ 1986, 193 ff.; zur Diskussion um die Legitimität von Genugtuungsinteressen des Verletzten vgl. Hörnle, JZ 2006, 950 (953 f.); Weigend, RW 2010, 39 (57).
40 Das entspricht dem gesetzgeberischen Leitbild der Nebenklage, wie sich schon aus der Begründung zum Opferschutzgesetz ergibt.
41 Das folgt aus § 395 Abs. 2 Nr. 2 StPO.
42 Kleinert, Persönliche Betroffenheit und Mitwirkung, 2008, S. 326. Die Nebenklagerechte fungieren so gesehen als vorgezogene Maßnahmen sozialrechtlicher Wiedereingliederung. Man kann die Nebenklage damit als ein Instrument des Sozialrechts begreifen, bzw. mit den Worten von Kleinert als »ein antizipiert-sozialrechtliches Institut« ansehen. Bock sieht in den Aktivrechten, speziell dem Beweisantragsrecht, sogar ein Instrument, das sekundäre Viktimisierungen verhindern helfe: Bock, HRRS 2011, 119 (120).
43 In der Kommentarliteratur wird bspw. von Velten bestritten, dass die Nebenklage den Vergeltungsinteressen dienen dürfe (SK-StPO-Velten [Stand: Mai 2005], vor § 395 Rn. 6); Genugtuungsinteressen bejahend: KMR-StPO-Stöckel (Stand: November 2009), vor § 395 Rn. 1; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, vor § 395 Rn. 1; LR-Hilger, StPO, 26. Aufl. 2009, vor § 395 Rn. 8; Joecks, StPO, 3. Aufl. 2011, vor § 395 Rn. 2.; Weigend, Das Opfer als Prozesspartei? in: FS für Schöch, 2010, S. 947 (958 f.) vermutet, »dass der Gesetzgeber des 2. ORRG die Zweckrichtung der Nebenklage stillschweigend geändert hat … Wer schwer durch eine Straftat betroffen ist – so ließe sich der Grundgedanke der aktuellen Gesetzgebung vielleicht formulieren –, der hat einen berechtigten Anspruch darauf, durch seine Verfahrensbeteiligung dafür sorgen zu können, dass ‚sein’ Täter verurteilt und ausreichend bestraft wird.«
44 Allerdings ist davon auszugehen, dass die Belastungen eher vorübergehender Art sind. Die Gefahr, dass Vernehmungen zu sog. »sekundären Viktimisierungen« oder gar Retraumatisierungen führen, wird in der öffentlichen Diskussion überschätzt; vgl. dazu Kölbel/Bork, Sekundäre Viktimisierung als Legitimationsformel, 2012.
45 Zum informierten Zeugen vgl. Pfordte, Der informierte Zeuge im Strafverfahren – einige Gedanken über das wichtigste Beweismittel der StPO, in: FS für Müller, 2008, S. 551 (563 ff.).
46 Vgl. nur HK-StPO-Julius, 4. Auflage 2009, § 261 Rn. 34; § 255a Rn. 10.
47 BGHSt 45, 203; vertiefend HK-StPO-Gercke, 4. Auflage 2009, § 52 Rn. 33.
48 Zur Methodik der Untersuchung vgl. Barton/Flotho, Opferanwälte im Strafverfahren, 2010, S. 50 ff.
Zusätzlich wurden die Zwischenergebnisse der Untersuchung im Rahmen einer Expertenrunde, welcher Vertreter aus allen Bereichen der Rechtspflege angehörten, diskutiert.
Von 41,78 auf 59,71 Wochen. Das gilt auch deliktspezifisch: Bei den Sexualdelikten dauern Verfahren ohne Nebenklage 42,74, mit Nebenklage dagegen 69,06 Wochen; vgl. Barton/Flotho, a.a.O., S. 96.
Vgl. dazu Barton/Flotho, a.a.O, S. 89 (Tabelle 20) bzw. in geraffter Form Barton, StraFo 2011, 161 (164).
49 Zusätzlich wurden die Zwischenergebnisse der Untersuchung im Rahmen einer Expertenrunde, welcher Vertreter aus allen Bereichen der Rechtspflege angehörten, diskutiert.
50 Von 41,78 auf 59,71 Wochen. Das gilt auch deliktspezifisch: Bei den Sexualdelikten dauern Verfahren ohne Nebenklage 42,74, mit Nebenklage dagegen 69,06 Wochen; vgl. Barton/Flotho, a.a.O., S. 96.
51 Vgl. dazu Barton/Flotho, a.a.O, S. 89 (Tabelle 20) bzw. in geraffter Form Barton, StraFo 2011, 161 (164).
52 »Das Opfer ist das Mittel zu dem politischen Zweck, den Abbau von Bürgerrechten weiter voranzutreiben.« Albrecht, Die Funktionalsisierung des Opfers im Kriminaljustizsystem, in: ders., Der Weg in die Sicherheitsgesellschaft, 2010, S. 495 (505).
53 BGHSt 50, 40 (55).
54 So in den Entscheidungen zur Rügeverkümmerung (BGHSt 51, 298), zur nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Jugendlichen (BGH NJW 2010, 1539 f.) und zur Verhandlung über die Entlassung von Zeugen (BGH StV 2000, 240 f.); vertiefend Barton (Fn. 1), S. 111 (124).
55 Schünemann, NStZ 1986, 193 (199).
56 § 397a I StPO; vgl. dazu auch Barton, Ist das ein sachgerechter Umgang mit Justizressourcen? in: Abschied von der Wahrheitssuche, 35. Strafverteidigertag, 2012, S. 37 (56).
57 Barton/Flotho (Fn. 48), S. 130.
58 Barton/Flotho (Fn. 48), S. 106.
59 Barton/Flotho (Fn. 48), S. 151 ff.
60 In »manchen Gerichten hat es möglicherweise seit der Einführung des Zeugenschutzgesetzes noch keine aufgezeichnete Videovernehmung gegeben.« Volbert, Geschädigte im Strafverfahren: Positive Effekte oder sekundäre Viktimisierung? in: Barton/Kölbel (Hrsg., Fn. 1), S. 197 (203).
61 Barton/Flotho (Fn. 48), S. 164.
62 Barton/Flotho (Fn. 48), S. 111.
63 Barton, StraFo 2011, 161 (165).
64 So wie es Krankheiten gibt, die es ohne Krankenhäuser nicht geben würde; vgl. dazu Christie, Fertile Ground for Victim-Movements, in: Hagemann/Schäfer/Schmidt (Hrsg.), Victimology, Victim Assistance and Criminal Justice, 2009, S. 73 (75 ff.) hinsichtlich des Opferschutzes; vgl. dazu auch Barton (Fn. 1), S. 111 (133 ff.).
65 Die Dauer von Verfahren stellt einen konkreten Belastungsfaktor für Verletzte dar; vgl. Volbert, Sekundäre Viktimisierung, in: Volbert/Steller (Hrsg.), Handbuch der Rechtspsychologie, 2008, S. 198, (205); allgemein zu Opferinteressen vgl. Reemtsma, Rechtsmedizin 2005, 86 (88 f.).
66 Friedrichsen, DER SPIEGEL 40/2002, S. 58 (60).
67 Vgl. nur EGMR, NJW-Spezial 2011, 536 (= BeckRS 2011, 19859) zum Konfrontationsrecht des Beschuldigten.
68 Vgl. König/Sproeber/Seitz/Fegert, Das Jugendamt, 2010, 530 (535), deren Auswertung der Anrufe von Opfern bei der »Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs« ergab: »Deutlich wird, dass sich in Bezug auf das Strafverfahren quasi übergroße unrealistische Erwartungen in Bezug auf Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit vorfinden, welche dann konsequenterweise zu wiederholten massiven Enttäuschungen an der Realität der Strafverfahren führen müssen.«
69 Vgl. dazu den Diskussionsbeitrag von Volbert, in: Barton/Kölbel, Einführung in den Band, in: dies., (Hrsg., Fn. 1), S. 11 (23).
70 »Das Strafverfahren ist nicht dazu gemacht, Opfer zu therapieren und man sollte auch nicht meinen, man könnte es zu einem Ort machen, wo so etwas gelingt«; Reemtsma, DVJJ-Journal 2002, 3; ähnlich Hassemer/Reemtsma (Fn 1), S. 132.
71 »Was vor Gericht frustriert werden muss, ist der Wunsch nach Vergeltung«; Reemtsma, DVJJ-Jorunal 2002, 3; vgl. auch Hassemer/Reemtsma (Fn. 1), S. 126 f.: »Der Wunsch nach Rache ist legitim; ihn zu verwirklichen kann nicht gestattet werden. Der Wunsch ist privat; das Recht öffentlich.«
72 Vgl. Christie (Fn. 66), S. 73 ff.; dazu Barton (Fn. 1), S. 133 ff.
73 Christie (Fn. 66), S. 76; Barton (Fn 1), S. 134.
74 Weigend (Fn. 43), S. 947 (961).
75 In sich konsequent, wenn das StORMG für § 69 Abs. 2 StPO vorsieht: »Zeugen, die durch die Straftat verletzt sind, ist insbesondere Gelegenheit zu geben, sich zu den Auswirkungen, die die Tat auf sie hatte, zu äußern.« Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/6261, S. 5.
76 Barton/Flotho (Fn. 48), S. 141, 235 f. (These 4).
77 Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, solange dies nur deshalb geschieht, um überflüssige Verfahrensbelastungen zu mindern.
78 Barton/Flotho (Fn. 48), S. 91, 239.
79 Vgl. dazu Altenhain, JZ 2001, 791 (797) am Beispiel des Falles Safwan Eid.
80 Vgl. dazu Altenhain, JZ 2001, 791 (792) am Beispiel des Falles Monika Weimar. Anders B. Schneider, der dies »verteidigende« Nebenklage nennt, StV 1998, 456 ff.
81 Vertiefend zum Täter-Opfer-Ausgleich Püschel, StraFo 2006, 261 ff.; zu Kontaktaufnahmen mit Nebenklageanwälten aus Sicht der Verteidigung vgl. Deckers, StV 2006, 353 (355).
82 Vertiefend Raiser/Schmidt/Bultmann, Anwaltsklausuren, 2003, S. 10: »Das Recht wird zur Sache der Bürger, nicht nur des Staates.«; Barton (Fn. 16), § 3 Rn. 14 ff.
83 Von Ihering, Der Kampf ums Recht, 13. Aufl. 1897, S. 53; vgl. dazu Barton, JA 2009, 753 (759).
84 Zu einem möglichen Fachanwalt für Opferrechte vgl. Barton, StraFo 2011, 161 (167).
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