herbstfortbildung 2024

medienkompetenz der strafverteidigung

online am 7. & 8. dezember 2024

medienkompetenz der strafverteidigung

Herbstfortbildung 2024

Online-Veranstaltung am 7. & 8. Dezember 2024

Samstag, 7. Dezember 2024
14.00 – ca. 17.00 Uhr 
Panel 1: Medienkommunikation im Strafverfahren / mit:

    • RA Wolfgang Heer (Köln)
    • RA Heiko Klatt (Köln)
    • VRiLG Dr. Thomas Kliegel (Pressesprecher des LG Essen)
    • N.N. (Journalistin)
    • Moderation: RAin Karolin Hagemann de Grzymala (Köln)

Sonntag, 8. Dezember 2024
10.00 – ca. 12.00 Uhr
Panel 2: Engel gegen Messermänner – mediale Vorverurteilung und die Folgen für das Strafverfahren / Diskussion mit:

    • Prof. Dr. Anna Albrecht (Universität Potsdam) 
    • VRiLG Anne Meier-Göring (Hamburg)
    • OStA Dr. Bernhard Mix (Berlin)
    • Felix Seidel, Justitiar Springer SE  Ι angefragt Ι
    • RA Arne Timmernann (Hamburg)
    • Moderation: RA Stefan Conen (Organisationsbüro, Berlin)

True Crime, CSI, Sex and Crime – das Interesse der medialen Öffentlichkeit an Strafsachen war und ist groß, in Zeiten gesellschaftlicher Verunsicherung mitunter erdrückend. Strafprozesse bei Kapitalverbrechen, Sexualdelikten und nicht zuletzt in großen Wirtschaftsstrafsachen werden nicht nur von der Gerichtsöffentlichkeit im Saal, sondern in den Medien begleitet. In solchen Fällen ist die Verteidigung (manchmal) unverhofft mit der gesamten Bandbreite medialer Aufmerksamkeit konfrontiert. Wie mit dieser medialen Öffentlichkeit umgegangen werden kann, ist nicht Teil der juristischen Ausbildung, Verteidiger*innen sind in der Regel nicht medial geschult.

Während die Öffentlichkeit des Verfahrens zum Schutze der Transparenz (keine ›Geheimverfahren‹) und damit der Sicherung eines rechtsstaatlichen Verfahrensablaufs in § 169 GVG und schützend flankiert durch § 338 Nr. 6 StPO (absoluter Revisionsgrund bei Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens) sowie grundlegend in Art. 6 EMRK (der jeder Person das Recht gibt, dass über eine gegen sie erhobene Anklage vor einem Gericht öffentlich verhandelt wird) festgeschrieben sind, verläuft diese nicht einseitig, sondern wirkt durch die mediale Begleitung auf die Verfahren und ihre Beteiligten zurück. Vor der Macht der Bilder und der Wirksamkeit medial verbreiteter Interpretationsmuster (sog. ›Schemata‹) sind auch Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht gefeit.

Im angelsächsischen Raum hat sich daher seit langem der Begriff der ›Litigation PR‹ zur Beschreibung einer strategischen prozessbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit herausgebildet. In öffentlichkeitsrelevanten Verfahren ist das gezielte Durchstechen von Informationen durch Ermittlungsbehörden auch hierzulande nicht unüblich und stellt die Verteidigung vor besondere Herausforderungen. Die strategische Rechtskommunikation ist dabei nicht nur geprägt vom Informationsungleichgewicht der Verfahrensbeteiligten, sondern wirft grundsätzliche genauso wie praktisch-strategische Fragen auf.

  • Wie können wir uns verhalten, wenn ein*e Mandant*in das Gespräch mit der Presse will oder wenn verfälschte Mitteilungen der Staatsanwaltschaft zu korrigieren sind?
  • Kann (und soll) auch die Verteidigung mediale Berichterstattung steuern? Welche Einflussmöglichkeiten bestehen und wie können sie effektiv eingesetzt werden?
  • Wie sollte eine solche Kommunikation mit der Presse aussehen und worauf hat die Verteidigung zu achten?
  • Wie reagiert die Verteidigung auf Fälle der medialen Vorverurteilung und/oder Diffamierung? Wie ist hier effektive Unterstützung für die betroffenen Mandant*innen möglich?
  • Welchen Einfluss hat Presseberichterstattung auf den Ausgang des Prozesses?
  • Wie gelangen Informationen an die Presse, deren Weitergabe verboten ist (veröffentlichte Aktenbestandteile)? Wie kann die Verteidigung darauf reagieren?

Nicht vom Öffentlichkeitsgrundsatz geschützt ist das Durchsickern von Informationen im Ermittlungsverfahren und die der Hauptverhandlung vorausgehende Medienberichterstattung. Die mediale Berichterstattung beeinflusst nicht nur Zeugen und Richter*innen, sondern auch die Verteidigung und ihre Prozessstrategien. Einseitige mediale Vorverurteilung, kritisierte bereits in 1980ern Winfried Hassemer, sei geneigt, Richter*innen befangen zu machen und rühre an den Grundsatz des gesetzlichen Richters. Wie kann dieser medialen Vorverurteilung entgegengesteuert werden?

Die Herbstfortbildung 2024 soll einerseits Möglichkeiten und Grenzen für eine effektive mediale Kommunikation der Verteidigung aufzeigen, andererseits aber auch der Frage nach den Folgen und Auswirkungen medialer Einflussnahme auf Strafverfahren nachgehen. Ist es an der Zeit, über prozessuale Neuregelungen zum Schutze des Verfahrens nachzudenken?

Panel 1: Medienkommunikation im Strafverfahren

Samstag, 7. Dezember 2024, 14.00 – 17.00 Uhr

Es gab und gibt wenige Strafprozesse, die ein solch herausragendes Presseecho hervorgerufen haben, wie der NSU-Prozess. Im Zusammenhang mit dem Verfahren sah sich die Verteidigung mit der ganzen Bandbreite an Fragestellungen, Problematiken und Komplikationen konfrontiert, die mit der medialen Begleitung einhergehen. Vor diesem Hintergrund kann Rechtsanwalt Wolfgang Heer nicht nur theoretische Kenntnisse weitergeben; er wird im Rahmen seines Beitrags – exemplarisch für große, medienträchtige Prozesse – aufzeigen, was es zu beachten gilt und wie die Medienberichterstattung das Verteidigungsverhalten beeinflusst und/oder auch umgekehrt.

Das Medienrecht ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger, für den Verteidiger nicht zu unterschätzender Aspekt. Hier fehlt den meisten Verteidigern die vertiefte Expertise. Warum eine solche aber nicht außer Acht gelassen werden darf und was in diesen Zusammenhängen möglich und auch manchmal als Maßnahme zwingend erforderlich ist, wird Rechtsanwalt Heiko Klatt in seinem Beitrag erörtern.

Oftmals fragt man sich: Woher hat die Presse all diese (nicht immer zutreffenden) Informationen und wie kommen wir Verteidiger und damit unsere Mandant*innen durch welches Verhalten wie ›rüber‹. Welcher Eindruck entsteht durch unser Prozessverhalten: der einer sog. ›Verurteilungsbegleitung‹ oder der einer ›Konfliktverteidigung‹. Um diesen Aspekt zu beleuchten und besser zu verstehen haben wir  die Journalistin N.N. zu unserem Panel eingeladen.

Zum Ende des ersten Panels ist eine Diskussion unter Einbeziehung des Pressesprechers des Landgerichts Essen, Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Thomas Kliegel geplant.

Das Panel wird moderiert von Rechtsanwältin Karolin Hagemann de Grzymala (Köln).

Panel 2:

Engel gegen Messermänner – mediale Vorverurteilung und die Folgen für das Strafverfahren

Sonntag, 8. Dezember 2024, 10.00 – 12.00 Uhr

Spektakuläre Fälle sind häufig auch solche, die mit einer massiven medialen Vorverurteilung der Beschuldigten einhergehen – ob der Fall ›Stephanie‹ (bei dem das Magazin FOCUS ein über den Beschuldigten gemachtes Persönlichkeitsgutachten aus der Ermittlungsakte veröffentlichte und die minderjährige Geschädigte bei RTL und der Johannes B. Kerner Show im ZDF auftrat), der Fall Dominik Brunner, der Kachelmannprozess oder der Fall Tugce Albayrak (an dessen öffentlicher Vermarktung sich auch die Politik beteiligte).

Die massive öffentliche Vorverurteilung steht den Zielen der strafgerichtlichen Hauptverhandlung – Erforschung der prozessualen Wahrheit und Wiederherstellung des Rechtsfriedens – diametral entgegen. Studien haben gezeigt, dass sie Zeugen und Gericht unmittelbar beeinflusst. Dies machen sich Ermittlungsbehörden – durch das Durchstechen von Inhalten der Ermittlungsakte – mitunter zu nutze, um den Verurteilungsdruck auf das Gericht zu erhöhen.

Ist es unter dem erzeugten öffentlichen Druck überhaupt noch möglich, ein Verfahren unbefangen zu führen?

Teilnehmer*innen der Diskussion:

  • Prof. Dr. Anna Albrecht (Universität Potsdam) 
  • VRiLG Anne Meier-Göring (Hamburg) 
  • Felix Seidel, Justitiar Axel Springer SE (angefragt)
  • OStA Dr. Bernhard Mix (Berlin)
  • Rechtsanwalt Arne Timmermann (Hamburg)
  • Moderation: Rechtsanwalt Stefan Conen (Organisationsbüro, Berlin)

herbstfortbildung

 

Zusätzlich zum jährlich ausgetragenen Strafverteidigertag → und den lokalen Fortbildungen der Strafverteidigervereinigungen bieten wir ab Herbst 2024 eine jährliche Online-Fortbildung an.

Für die vollständige Teilnahme an der Herbstfortbildung können 5 Stunden Fortbildung bescheinigt werden.

Die Herbstfortbildung 2024 wurde von der Strafverteidigervereinigung NRW gemeinsam mit dem Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen konzipiert und geplant.

Teilnahmegebühr und
-bedingungen

Die Herbstfortbildung findet ausschließlich online statt. Angemeldete Teilnehmer*innen erhalten von uns Zugangsdaten, mit denen sie sich in eine Videokonferenz einloggen können.

Wir nutzen die technische Plattform Zoom. Als Grundlage für die Erteilung von Fortbildungszertifikaten wird Ihre Teilnahme an den Videokonferenzen erfasst und gespeichert. Mit der Anmeldung zu der Veranstaltung erklären Sie sich mit dieser Maßnahme einverstanden.

Teilnahmegebühren:

  • Mitglieder: 119 € (100 € zzgl. 19% USt.i.H.v. 19 €)
  • Nichtmitglieder: 178,50 € (150 € zzgl. 19% USt.i.H.v. 28,50 €)
  • Junge Kolleg*innen: 89,25 € (75 € zzgl. 19% USt.i.H.v. 14,25 €)

Mitglieder sind alle Mitglieder der ausrichtenden Strafverteidigervereinigungen →. Bei Anmeldung wird automatisch eine Rechnung erzeugt und elektronisch versandt. Bitte beachten Sie daher, die richtige Rechnungsadresse anzugeben.

Fortbildungsstunden

Die Teilnahme an der Herbstfortbildung wird als Fortbildung i.S.d. § 15 FAO bescheinigt. Bei vollständiger Teilnahme an beiden Veranstaltungsteilen können 5 Fortbildungsstunden bescheinigt werden.

Voraussetzung für die Bescheinigung ist der Nachweis lückenloser Teilnahme. Dieser erfolgt auf elektronischem Wege durch den Log-In in die Videokonferenz. Die Fortbildungszertifikate werden im Nachgang der Veranstaltung postalisch versandt.  

Wie melde ich mich an?

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Material zur Tagung

 

Thomas Uwer: Der Engel und der Komaschläger. Medienberichterstattung über den Folk Devil Sanel M.; in:Freispruch #7, Sommer 2015 Link: https://strafverteidigertag.de/wp-content/uploads/2024/10/Der-Engel-und-der-Komaschlaeger.pdf

Ina Hunecke: Cui bono? Gerichtsberichterstattung und ihre Auswirkungen. Litigation PR und Schlagzeilenjournalismus als Gefahr für den Rechtsstaat? (NK 3/2011) Link: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0934-9200-2011-3-85.pdf?download_full_pdf=1

Frank Fechner (Hrsg.): Zeugenbeeinflussung durch Medien – Philosophische, psychologische und juristische Gedanken zu einem Aspekt der „Litigation-PR“ (Medienrechtliche Schriften – Institut für Rechtswissenschaft an der TU Ilmenau / Band 9) Link: https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00025295/ilm1-2012100070.pdf

Hans Mathias Kepplinger · Thomas Zerback: Der Einfluss der Medien auf Richter und Staatsanwälte. Art, Ausmaß und Entstehung reziproker Effekte (Publizistik / PUB 2009, 54: 1 – 24. Link: https://www.researchgate.net/publication/226506826_Der_Einfluss_der_Medien_auf_Richter_und_Staatsanwalte

PD Dr. Christian Laue: Die Öffentlichkeit des Strafverfahrens – Entwicklung und Begründungen; in:  Strafverteidigung vor neuen Aufgaben – Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen, Bd. 33, 2010. Link: https://strafverteidigertag.de/wp-content/uploads/2024/10/Laue_Oeffentlichkeit-des-Strafverfahrens.pdf

Dr. Klaus Malek: Öffentlichkeit der Hauptverhandlung: Rechtsanspruch des Angeklagten anstatt Verfahrensgrundsatz; in: Strafverteidigung vor neuen Aufgaben – Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen, Bd. 33, 2010; Link: https://strafverteidigertag.de/wp-content/uploads/2024/10/Malek_Oeeffentlichkeit_Bd-33.pdf

Sabine Rückert: Öffentlichkeit in Strafverfahren; in: Strafverteidigung vor neuen Aufgaben – Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen, Bd. 33, 2010; Link: https://strafverteidigertag.de/wp-content/uploads/2024/10/Rueckert_Oeffentlichkeit-im-Strafverfahren_Bd-33.pdf