vorbemerkung
Andrea de Nicola und Giampaolo Musumeci berichten über zahlreiche Interviews mit professionellen Schleusern, die großen Wert darauf legen, dass ihr Ruf, sie brächten Leute erfolgreich nach Europa, nicht verloren geht oder gefährdet wird und die gegen Amateure, die die Flüchtlinge gefährden oder betrügen, von sich aus vorgehen. Diese Schleuser äußerten den Autoren gegenüber über die Flüchtlinge: »You can’t stop them«. Für die Flüchtlinge sind die Schleuser Helden.
grundsätzliches zur gesetzeslage der strafdrohungen gegen ›schleuser‹
Sedes materiae sind zunächst nur drei Paragraphen des Aufenthaltsgesetzes, §§ 96, 97 und am Rande 98 AufenthG. Dahinter stehen aber aufgrund der Verweisungstechnik vielfältige Vorschriften des Normen des AufenthaltsG, des AsylG, des FreizügigkeitsG EU, des SDÜ, des Schengener Grenzkodex‘ u.v.a.m..
Schutzzweck ist die Stabilisierung der verwaltungsrechtlichen Ordnungssysteme, insbes. der Kontroll- und Steuerungsfunktionen des ausländer- und asylrechtlichen Genehmigungsverfahrens, sowie die Bekämpfung des »Schleuserunwesens« daneben, insbes. bei § 97 der Schutz von Individualrechtsgütern der Migranten, str. ist, ob auch deren Schutz vor finanzieller Ausbeutung.
Zu den Formulierungen des Gesetzes mit der umfangreichen Verweisungstechnik und den daraus erwachsenen Formulierungsungetümen fällt mir das bekannte Gedicht von Hans Magnus Enzensberger ein: »Vorschlag zur Strafrechtsreform«.
allgemeines
1. Die Vorschriften sind erkennbar streng verwaltungsakzessorisch.
Soweit verwaltungsrechtliche Normen betroffen sind, besteht – abgesehen von der Rechtskraft, § 127 VwGO – keine allgemeine Bindungswirkung der Strafgerichte an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und die in ihr vertretenen Rechtsansichten. Das ist in der Rechtsprechung des BGH nicht ganz unstreitig, wird aber wohl überwiegend vertreten.
Entscheidungserhebliche Differenzen in der Auslegung sind ggf. durch den gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu klären.
Für verwaltungsbehördliche Entscheidungen gilt: Die Tatsache, dass ein Verwaltungsakt strafbewehrt und der Strafrichter an diese Entscheidung gebunden ist, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich Verstöße gegen verwaltungsbehördliche Anordnungen zum Tatbestandsmerkmal für Strafnormen machen. Die Pflicht des Tatrichters, diese als gegeben hinzunehmen, folgt aus der Formulierung des gesetzlichen Tatbestandes. Keine Bindungswirkung entfalten implizite Entscheidungen der Ausländerbehörde, etwa wenn eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, die implizite Aussage, dass der betreffende Ausländer sei und deswegen einen Aufenthaltstitel benötige.
Behördliche Entscheidungen, die den Tatbestand ausschließen, haben allerdings Tatbestandswirkung auch für das Strafgericht.
Eine Durchbrechung der strengen Akzessorietät enthält § 95 Abs. 6 für die Fälle der durch Kollusion, Drohung oder unvollständige oder unrichtige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitel, die verwaltungsrechtlich gesehen wirksam sind. Der Ausländer, der mit so einem Titel einreist, macht sich also strafbar.
Das BVerfG hat in Fällen einer fehlenden Duldung auf die materielle Rechtslage abgestellt, weil sonst die Ausländerbehörde die Strafbarkeit in der Hand hätte. Die Rechtsprechung hat es darüber hinaus ausgeschlossen, an einen wenn auch bestandskräftigen, aber mit gemeinschaftsrechtlichen Regelungen unvereinbaren Verwaltungsakt strafrechtliche Rechtsfolgen zu knüpfen.
§§ 95-98 AufenthG verweisen auf Ausfüllungsnormen des Verwaltungsrechts und sind somit Blankettvorschriften. Das wird im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG für unbedenklich gehalten, soweit auf das AufenthG oder andere Bundesgesetze verwiesen wird. Soweit auf Rechtsverordnungen oder Rechtsakte eines anderen Rechtsträgers verwiesen wird (EU), handelt es sich um echte Blankette, die für unbedenklich gehalten werden, soweit sich die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit aus der Verweisungsnorm ergeben. Anders ist das bei dynamischen Verweisungen auf das Unionsrecht, bei denen es sorgfältiger Prüfung im Hinblick auf die Bestimmtheit bedarf, um zu verhindern, dass unter Missachtung des Prinzips der Gewaltenteilung über die Strafbarkeit entschieden wird.
Bei belastenden Verwaltungsakten ist weiterhin Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt vollziehbar ist, dass also aus ihm vollstreckt werden kann. Dazu gibt es im Ausländer- und Asylverfahrensrecht unterschiedliche Regelungen; grundsätzlich folgt aus Art. 19 IV GG aber, dass Vollziehbarkeit nicht eintritt, so lange noch Rechtsmittel und Anträge auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden können.
2. Anstiftung u. Beihilfe sind zur Täterschaft verselbständigt; Ziel des Gesetzgebers war ausdrücklich eine höhere Strafdrohung; Milderungsgründe der §§ 27 Abs. 2, 28 I StGB sind nicht anwendbar. Die Ausländereigenschaft des Haupttäters ist kein persönliches Merkmal iSv § 28 I StGB. Während der Haupttäter, der Migrant, immer Ausländer sein muss, kann Teilnehmer jedermann sein. Die Frage, ob der Migrant selbst wegen Teilnahme an der (Haupttat) des Schleusers bestraft werden kann, wird überwiegend verneint, weil es sich um einen Fall notwendiger Teilnahme handelt.
3. Es gelten die Grundsätze der limitierten Akzessorietät. Erforderlich ist eine tatbestandsmäßige, vorsätzliche und rechtswidrige Tat (Bsp.: Irrtum des Ausländers über Wirksamkeit des Visums).
Nicht erforderlich ist Schuld, wohl aber strafrechtliche Handlungsfähigkeit (Kinder bis einschl. 6 J, §§ 104, 828 I BGB, Bewusstlose).
4. Unerheblich für den Schleuser sind auch persönliche Strafaufhebungsgründe, hier insbes. Art. 31 I GK (vgl. auch § 95 V AufenthG).
Darin liegt ein unerträglicher Wertungswiderspruch, denn der einreisende Flüchtling bleibt straflos, derjenige aber, der ihm dazu hilft, den sicheren Hafen überhaupt zu erreichen, unterliegt nicht einer unerheblichen Strafdrohung.
5. Deutsches Strafrecht ist i.d.R. auch bei Auslandstaten anwendbar, da entweder der Handlungsort oder Erfolgsort in Deutschland liegen, § 9 Abs. 1 oder 2 StGB; Ausnahme: reine Handlungen im Ausland (falsche Angaben ggü. ausl. Behörden oder einer deutschen Auslandsvertretung) oder nach Abs. 4 bei Schleusungen innerhalb der EU ohne Inlandsberührung.
grundtatbestand: § 96 1 AufenthG, anstiftung oder beihilfe zur unerlaubten einreise
a. gegen einen Vorteil oder
b. widerholt oder zugunsten mehrerer
1. Objektiver Tatbestand: Haupttat der unerlaubten Einreise gem. §§ 95 I Nr. 3, 14 I Nr. 1 oder 2 oder entgegen § 11 I.
Bestraft wird nach dieser Vorschrift, wer »entgegen« § 14 I Nr. 1 oder 2 einreist. Da diese Vorschrift sich aber mit der unerlaubten Einreise befasst, wird aus der doppelten Verneinung eine Bejahung, so dass nach dem unzweideutigen Wortlaut der Vorschrift nicht die Einreise ohne, sondern die mit Aufenthaltstitel oder Pass unter Strafe steht. Entgegen § 14 AufenthG reist nämlich ein, wer mit Pass oder Aufenthaltstitel einreist. Das hat der Gesetzgeber ursprünglich sicher so nicht gemeint; da er aber seit mehr als zwei Jahrzehnten unzählige Gelegenheiten der Korrektur ungenutzt hat verstreichen lassen, muss jedenfalls heute eine teleologische Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut der Vorschrift wegen § 103 Abs. 2 GG ausscheiden. Eine Bestrafung des § 14 I Nr. 1 und 2 AufenthG entsprechenden und nicht des dieser Vorschrift widersprechenden Verhaltens ist damit unzulässig.
Die Einreise ist nach § 14 I unerlaubt, wenn der Ausländer (Nr. 1) keinen Pass oder Passersatz besitzt, oder (Nr. 2) keinen Aufenthaltstitel nach § 4 AufenthG besitzt (Visum, Aufenthaltserlaubnis, blaue Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EU-Türkei). Ausländer dürfen zum Zwecke der Erwerbstätigkeit nur einreisen, wenn sie einen Aufenthaltstitel haben, der dazu berechtigt.
Auch erschlichene Visa oder sonstige Aufenthaltstitel entfalten aufgrund des Bestimmtheitsgebotes von Art. 103 II GG und der Verwaltungsakzessorietät der Strafvorschrift von § 96 I AufenthG Tatbestandswirkung, so dass eine Strafbarkeit nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 und 6 ausscheidet (HL wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot, aA unzutreffend BGHSt 57, 239). Das allerdings gilt nicht für EU-Visa nach dem Visakodex (VO(EG) Nr. 810/2009), auch wenn sie noch nicht gem. Art. 21, 34 Visakodex annulliert worden sind. Strafbar bleibt die Beihilfe zum Erschleichen oder dem Gebrauchmachen der erschlichenen Urkunde selbst.
2. Die Einreise ist nach § 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG unerlaubt, wenn der Ausländer zuvor abgeschoben, zurückgeschoben oder ausgewiesen worden, gegen ihn eine Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen und die darin zu bestimmende Frist noch nicht abgelaufen ist. ist.
3. Beihilfe ist jede Hilfe und Förderung, die dazu beiträgt, dass der Ausländer unerlaubt einreisen kann: auch Transport an die Grenze (Österreich. staatl. Busunternehmen(!)), auch Vorbereitungshandlungen, z.B. Übersetzungshilfe (AG Traunstein: 8 Monate m. Bewährung); dazu zählen auch Anwerben für Schwarzarbeit, Hinweise auf Einreisewege, Beschaffung von Informationen zum Grenzübertritt, Organisation von Reisemöglichkeiten, Anwerben von Transithelfern u.v.a.m..
Nach den Grundsätzen der sog. »Kettenbeihilfe« ist tatbestandsmäßiges Handeln möglich durch Unterstützung eines anderen Schleusers oder Gehilfen.
Bei Positivstaatern ist Heiratsvermittlung tatbestandsmäßig, da Aufenthalt länger als drei Monate beabsichtigt, deswegen keine Befreiung von der Visapflicht. Bei Negativstaatern mit Visum im gleichen Fall: da der Aufenthalt länger als 3 Monate geplant ist, ist das Visum erschlichen, § 95 VI AufenthG.
Unterstützung ist möglich auch nach Vollendung, aber vor Beendigung; eher undenkbar bei Schleusungen nach Deutschland, anders aber bei geplanten Durchschleusungen, allerdings für die Variante der Beihilfe zum illegalen Aufenthalt.
4. Achtung: Anstiftung und Beihilfe sind nach wie vor mit Strafe bedroht nach den allgemeinen Vorschriften, §§ 27, 28 StGB, 95 I Nr. 2 AufenthG, wenn die weiteren Voraussetzungen der lit. a) und b) nicht erfüllt sind. Danach ist also jede Art von Hilfe zur Einreise von Migranten strafbar.
5. Vorteil: Es genügt jede Leistung materieller oder immaterieller Art, durch die der Täter objektiv besser gestellt wird, auch Ehrungen, Ehrenämter, sexuelle Zuwendungen, nur muss ein kausaler Zusammenhang bestehen
6. Mehrere Ausländer sind zwei oder mehr, es genügt nicht wenn einer von Ihnen (Elternteil mit Kleinkind) nicht handlungsfähig ist. Die Gegenauffassung ist mit Wortlaut und Gesetzessystematik nicht vereinbar.
7. Vorsatz: Es reicht aus, wenn der Täter erkennt, dass seine Hilfeleistung geeignet ist, die fremde Tat zu fördern; es steht nicht entgegen, wenn der Täter glaubt, diese werde trotz seines Beitrages scheitern. Rechtskenntnis von der Regelungstechnik des Ausländerrechts ist nicht erforderlich.
erlaubte einreise für flüchtlinge
Nach überwiegender Auffassung fallen unter den Flüchtlingsbegriff im Sinne von Art. 1 lit. A GFK erstens gemäß § 2 Abs. 1 AsylG durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannte Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG, zweitens Personen, den die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zugestanden worden ist, drittens Personen, bei denen das Bundesamt oder ein Gericht unanfechtbar festgestellt hat, dass ihnen die in § 60 AufenthG bezeichneten Gefahren drohen, und drittens Asylbewerber. Dabei ist der Begriff des »Asylbewerbers« im Zusammenhang mit der Auslegung des Flüchtlingsbegriffs nicht in einem streng verfahrensrechtlichen Sinne zu verstehen, der dazu führen würde, dass erst die Stellung eines förmlichen Asylantrags bei der zuständigen Stelle den Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention begründet. Vielmehr fallen auch Personen darunter, die sich nach Deutschland begeben haben, um dort bei der ersten sich bietenden Gelegenheit um Asyl nachzusuchen. Eine anderslautende Auslegung des deutschen Rechts – die Personen erst nach der Stellung des förmlichen Asylantrags in den persönlichen Schutzbereich des Abkommens einbezöge – würde den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention jedenfalls während des Zwischenzeitraums bis zum ersten Kontakt mit den staatlichen Stellen lückenhaft ausgestalten und liefe erkennbar dem Sinn und Zweck der Konvention zuwider.
Die Strafgerichte, allen voran der BGH, sehen jede Einreise auch eines Flüchtlings als unerlaubt an, wenn dieser nicht über ein Visum oder einen sonstigen Aufenthaltstitel verfügt. Die Verweisung von § 95 V AufenthG auf Art. 31 GK sehen sie lediglich als persönlichen Strafaufhebungsgrund an, der zwar den Flüchtling selbst privilegiert, nicht aber für den Fluchthelfer gilt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber die Einreise eines Menschen zum Zwecke der Asylantragstellung unmittelbar aus dem Verfolgerstaat nicht illegal, sondern als rechtmäßige Inanspruchnahme eines ihm verbürgten Grundrechts anzusehen. Kann das Schutzbegehren nicht als Asylantrag, aber als Inanspruchnahme von einfachgesetzlichem Abschiebungsschutz gewertet werden, steht es unter dem Schutz völkerrechtlicher Normen, die die Europäischen Staaten binden, wie Art. 3 EMRK, Art. 3 des UN-Übereinkommens über Folter oder Art. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und die Art. 1, 3, 4, 18, 19 der Grundrechtecharta der EU. Die enge Verzahnung von asylrechtlichem und ausländerrechtlichem Schutz gebietet es, im Zweifel davon auszugehen, dass Schutz vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention geltend gemacht wird. Die Abschiebungsverbote von § 60 AufenthG dienen konkret dem Schutz der Grundrechte der Betroffenen aus Art. 1, 2 etc. GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Grundrechte allgemein Vorwirkungen in dem Sinne, dass es Organisationsformen und Verfahrensregeln geben muss, die die Inanspruchnahme dieser Rechte ermöglichen und nicht erschweren.
Für das Asylrecht hat das BVerfG formuliert:
»Indes bedürfen Grundrechte allgemein, sollen sie ihre Funktion in der sozialen Wirklichkeit entfalten, geeigneter Organisationsformen sowie einer grundrechtskonformen Anwendung des Verfahrensrechts, soweit dieses für einen effektiven Grundrechtsschutz von Bedeutung ist…
Dies gilt auch für das Asylrecht, weil anders die materielle Asylrechtsverbürgung nicht wirksam in Anspruch genommen und durchgesetzt werden kann…
Deren Reichweite ist nach dieser Aufgabe der Asylrechtsgarantie zu bestimmen, die politisch Verfolgten Schutz vor der Zugriffsmöglichkeit des Verfolgerstaates sichern soll. Dieser Gewährleistung genügt eine Verfahrensregelung, die geeignet ist, dem Grundrecht des asylsuchenden Verfolgten zur Geltung zu verhelfen«.
Das gleiche gilt entsprechend für die übrigen hier in Rede stehenden Grundrechte.
Es greift daher aus zweierlei Gründen zu kurz, wenn die Rechtsprechung des BGH und auch des BVerfG unter Berufung auf (nur) Art. 16a II S. 2 davon ausgehen, das ein Flüchtling, der aus einem sicheren Drittstaat einreist, im Regelfall weder den Schutz des Art. 16a Abs. 1 GG noch die Eigenschaft als »Flüchtling« im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention für sich beanspruchen kann, weil der politisch oder aus sonstigen Gründen Verfolgte, der über einen sicheren Drittstaat einreist, in dem die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der (EMRK) sichergestellt ist, keines ergänzenden Schutzes durch das deutsche Asylrecht mehr bedarf. Die Möglichkeit, Sicherheit in Gestalt von Asyl im Drittstaat zu erlangen, wird dabei bei Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Norwegen und der Schweiz unterstellt. Da durch die Einreise aus einem sicheren Drittstaat zudem die Berufung auf das Asylgrundrecht ausgeschlossen ist, erwirbt der Betroffene nach dieser Auffassung auch kein vorläufiges Bleiberecht und hat die Zurückschiebung zu dulden, daher sei die Einreise nicht mehr grundrechtlich geschützt.
Diese Auffassung lässt die Wirkung der übrigen Grundrechte unbeachtet.
Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht von dem sog. Konzept der normativen Vergewisserung, also der Unwiderleglichkeit der Vermutung der Verfolgungssicherheit im sicheren Drittstaat, im Zusammenhang mit Überstellungen in Mitgliedsaaten nach der Dublin-Verordnung im Anschluss an die Rechtsprechung des EGMR Ausnahmen zugelassen, auf die sich die Fachgerichte im Zusammenhang mit Überstellungen nach Malta, Italien, Bulgarien, Ungarn und Griechenland berufen.
Weder Griechenland noch die anderen Staaten auf der sog. »Balkanroute«, also Kroatien, Mazedonien, Slowenien, Serbien, Ungarn, Bulgarien, aber auch Italien, sind »sichere Drittstaaten« im aslyverfahrensrechtlichen Sinn. Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien sind nicht Mitglieder der EU, aber per Gesetz zu »sicheren Drittstaaten« ernannt; zu vielen dieser Staaten gibt es eine umfangreiche Kasuistik der Verwaltungsgerichte. Aus diesen Staaten Einreisende sind daher weiterhin als Flüchtlinge anzusehen, so dass ihre Einreise nicht illegal ist. Dies gilt für sie teilweise wegen der Verletzung der Rechte der Flüchtlinge aus Art. 3 EMRK; Art 4 EU-GC, Art. 1 I und II GG vor Ort, teilweise wegen des Verbotes der Abschiebung dorthin aus ebendiesen Gründen, teilweise, weil die Flüchtlinge dort auch gar keinen Schutz erhalten, sondern einfach durchgewunken werden. Vor allem aber gilt es, weil das Konzept der normativen Vergewisserung aus Art. 16 a II GG, § 26a AslylG, also der Unwiderleglichkeit der Vermutung der Verfolgungssicherheit im sicheren Drittstaat im Hinblick auf diese Länder nicht gilt, diese Vorschriften also nicht einschlägig sind, so dass Art. 16 a I GG anwendbar ist und die »gute alte« Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wieder auflebt.
Der Umstand, dass die Flüchtlinge vor ihrer Ankunft in Deutschland andere Staaten durchquert haben, bedeutet nicht, dass sie nicht mehr »unmittelbar« aus dem Verfolgerland einreisen. Ein Flüchtling geht seines Schutzes durch die GFK grundsätzlich nicht schon dadurch verlustig, dass er aus einem Drittstaat einreist und nicht direkt aus dem Herkunftsstaat, sofern er diesen Drittstaat nur als »Durchgangsland« nutzt und sich der Aufenthalt in diesem nicht schuldhaft verzögert. Art. 31 Abs. 1 GFK will durch das Tatbestandsmerkmal der »Unmittelbarkeit« lediglich verhindern, dass Flüchtlinge, die sich bereits in einem anderen Staat niedergelassen haben, unter Berufung auf die Genfer Flüchtlingskonvention ungehindert weiterreisen können. Eine Gefährdung dieses Schutzzwecks besteht bei einer bloßen Durchreise hingegen nicht.
Es ist daher – auch aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung – geboten, die Einreisevorschriften des AsylG und des AufenthaltsG so anzuwenden, dass der, der diese Schutznormen in Anspruch nehmen will, nicht unerlaubt einreist, sondern von Gesetzes wegen mit dem Grenzübertritt eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung seines Asylverfahrens hat. Das muss auch gelten für Menschen, die nicht unmittelbar aus dem Verfolgerstaat einreisen, aber aus Drittstaaten, in denen ihre Recht aus der Genfer Konvention und besonders Art. 3 EMRK und Art. 3 der Grundrechtecharta der EU nicht gewährleistet sind wie Griechenland und Ungarn. Auch muss es gelten für Einreisen aus Ländern, die erklärtermaßen den Schutz nicht gewähren wollen oder ausreinen Durchgangsländern. Damit entfällt die Grundlage für eine Strafbarkeit von Fluchthelfern allein wegen der Hilfe zur illegalen Einreise und Aufenthalt.
Axel Nagler ist Strafverteidiger und Notar in Essen und daneben seit vielen Jahren im Asyl- und Ausländerrecht tätig. Axel Nagler war viele Jahre Vorsitzender der Strafverteidigervereinigung NRW.